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Hügel vor Silden...
Oben auf dem Hügel saß Sie, die Beine an sich gezogen und den Blick auf das zerstörte Dorf gerichtet. Dort wo einst Hütten standen, Kinder spielten und Leute ihren täglichen Arbeiten nachgingen war nun alles überwuchert und schier überrannt von einem wunderschönen Schauspiel der Natur. Überall blühten die Blumen. Aus altem Holz wuchsen schiere Bäume heraus und das einstige Dorf war wieder das, was es vor Urzeiten einmal war: Ein unberührter Ort der Natur. Nur wenige Hütten standen noch. Die Grüne Krähe zum Beispiel war einer der wenigen, unberührten Orte, die der Natur nicht zum Opfer gefallen waren. Die neue Heimat war so schnell vergangen. Eine Schande. Und für Ihn schien es auch keine Besserung zu geben. Vielleicht hatten die anderen ja recht und er wäre bereits dem Tode geweiht gewesen, als er gegen den Drachen gekämpft hatte. Dabei war er einer der wenigen gewesen, die ihr nahe standen. Seufzend stützte sie den Kopf auf ihre Knie. Die spektralen Schlangen, die bisher ruhig auf ihren Schultern lagen richteten sich auf und bewegten sich nach einem kurzen, geschlängelten Tanz hin mit ihren Köpfen ihr gegenüber. Wieder konnte sie das Zischen hören, welches in der letzten Zeit immer häufiger mit Ihr sprach, wenn Sie ihre Magie fließen ließ.
-Essss war vonnöten, Kind... Du hassssst gut auf mich gehöööört... Dich heraussss zu halten und weiter zu leben... Die Menscheeen sollen wissen, dasssss ihre Arroganzzz im Umgang mit der Natur ihr... Untergang isssst...-
"Aber daran war doch nicht das Waldvolk schuld! Oder die Bewohner des Dorfes... Es waren diese Dinger... Diese... Diese... Häscher..." Ihre Stimme versagte und auch der Atem stockte Ihr. Das Gift in den Adern der Frau, die ausnahmsweise mal keine Kapuze trug pulsierte stark und schmerzhaft. Die spektralen Schlangen, die ihren Armen entsprangen schlängelten sich in leichtem Rot-Ton um ihren Oberkörper und zischelten bedrohlich. Unweigerlich griff Sie sich dorthin, wo sich Ihr Herz befand. Es pochte und hämmerte heftig gegen ihre Brust. Diese Schmerzen...
-Denke immer daran, Kind... Du bisssst und bleibsssst meine Sssssklaviiin... Alssssoooo widersprich nicht und schenke meinen Worten Glauben...- die Schmerzen ließen langsam nach und auch die kühle Nachtluft trat wieder in Ihre Lunge ein. Vareesa japste, den Tränen nahe den Blick Richtung Himmel gerichtet. -Ich lassssse dich nun alleine... Wir ssssind nicht mehr alleine...- Und so verklang das Zischen und auch die Schlangen, hervorgerufen durch die eigene Magie zerfielen in tausende kleine Lichtpartikel.
Schnaufend und noch immer leicht benebelt von den Schmerzen richtete Sie sich auf, trocknete die Tränen und wandte dann wieder ihren Blick gen Horizont. So lange, bis sie das stapfende Geräusch von Stiefeln hörte, die auf dem Boden aufkamen. Unweigerlich und mit schnellem Griff zu ihren Jagdmessern fuhr sie herum, bereit dem Schleichenden die Kehlen aufzuschlitzen. Dort, im Schatten des Baumes konnte Sie nicht erkennen, wer es war. "Komm aus deinem Loch gekrochen, Sohn eines varanter Kamelschänders!" Und, seltsamerweise kam die Person wie gefordert ins Licht. Vareesa ließ urplötzlich die Messer fallen und ihre Hände, welche diese bis eben umklammert hatten wanderten zitternd an ihre ebenso zitternden Lippen. "Du... Du bist..." Langsam ging Sie auf Ihn zu. Die Hoffnung hatten schon alle aufgegeben, doch stand Er vor Ihr. Vorsichtig fuhr Ihre Hand über Seine Wangen. Ihre Augen musterten die Seinen. Sie hatten sich verändert. Hatten diese unbändige Wildheit eingebüßt und wirkten nun beruhigender und dennoch irgendwo von tiefer Zerrissenheit geplagt. "Warum das alles? Warum?" Sie drückte sich an Ihn. Sie, die Berührungen so sehr hasste brauchte es nun einfach, eine starke Schulter zu haben, doch... Er blieb regungslos stehen. Selbst, als Sie sich wieder von Ihm entfernte und mit tränenunterlaufenen Augen in die Seinen blickte.
"Was ist mit dir geschehen? Du lebst... Wir leben... Rede mit mir, verdammt!"
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Während alle sich erhoben sprach Runak angeregt mit Galatea. Corax hoffte innerlich das der alte Druide vor dem sogar seine Schwester Respekt hatte sie ein wenig bändigen konnte. Momentan machte sie sich eher Feinde als Freunde. Doch konnte er ihre Logik verstehen. Ob sie sich unter dem gemeinen Waldvolk Feinde machte war ihr recht egal, das war für sie so wie eine Wespe die es auf sie absah. Ein Ärgernis, aber in dem Maße nicht allzu gefährlich und auch nicht sonderlich langlebig. Die Druiden... nun auch da bekam sie höchstens nicht viel Sympathie ab aber machte sich keine wirklichen Feinde. "Arakos!", hörte man plötzlich ihre Stimme hinüber zu der eindrucksvollen Person schallen. Auch wenn einige wohl erwarteten das er sie einfach ignorierte blieb der Hüter stehen, sagte jedoch nichts. "Ich verstehe warum du so fühlst, doch gibt es Dinge die du bedenken solltest. Du schaust auf die 102 die damals an diesem Tag ihr Leben ließen, ich auf all diejenigen die es davor taten. Für ein Ideal. Dieses Ideal liegt jetzt in deinen Händen... du musst dich jetzt entscheiden ob du es wegschließen und sterben , oder wie einst in Ehren hochhalten willst. Deswegen solltest du den Namen aussprechen, gerade wegen der Trauer ist es wichtig das der Name laut und stark bleibt. Sonst waren alle Opfer der Vergangenheit und auch die 102 umsonst." Arakos blickte ihr noch einen Moment lang in die Augen und ging dann. War das ein Nicken gewesen bevor er ging? Corax Augen konnten sich allerdings auch leicht getäuscht haben... Die meisten, er eingeschlossen konnten jedoch dem Gespräch nicht folgen, da sie um die Hintergründe nicht wussten. Viele betrachteten Galatea jetzt missbilligend, aufgrund ihrer "respektlosigkeit" gegenüber Arakos' Eid. Doch die geistesschärferen unter ihnen betrachteten die Druidin nun Stirnrunzelnd, fragten sich wohl wer sie wirklich war und worum es gerade ging.
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Runaks Lager - Arakos' Entscheidung
Abermals waren die Anführer des Waldvolkes zusammengekommen, doch es galt nichts mehr zu entscheiden, sondern auf Arakos' Entscheidung zu warten. Der Hüne hatte sie gerufen, als sein Horn ertönte.
Und dann saßen sie da, im Halbkreis auf dem Boden oder Baumstümpfen, gespannt was der legendäre Waldläufer ihnen sagen würde. Runak flankierte den Hünen, der in seiner Montur nun dafür sprach, dass er mit ihnen aufbrechen wolle oder ohne sie. Er war bereit loszuziehen und stemmte sich an seinem waldvölkischen, runenverzierten Kriegsspeer ab.
Gemauschelt wurde noch, bevor Arakos die Hand hob und um Ruhe bat.
"Bewahret!", grüßte er und blickte in die Runde.
"Ich will nicht großartig viele Worte verlieren. Ein großer Maulfechter bin ich nicht immer. - In der Nacht fand ich keinen Schlaf und suchte nach Antworten. In Adanos Taten erkannte ich sie. Er schuf vieles neu an diesem Ort und wusste, dass es im ewigen Kreis auch wieder vergehen wird. Alles was neu geschaffen wird, wird eines Tages untergeht - das ist sein Gesetz! Meine Heimat wurde vor fast zwei Jahrhunderten damals neu gegründet. Das in einer schwierigen Zeit. Wenn diese Heimat wieder neu gegründet wird und zwei Jahrhunderte übersteht, dann ist dies nicht nur Adanos Wille, sondern auch etwas, was man so besser in der heutigen Zeit nicht erwarten kann. Egal wo wir neu beginnen, wir sind immer in Gefahr, aber dort wo meine Heimat ist, dort wird man durch ihren Geist beschützt! - Ich möchte dann aber dort ein Großthing einberufen, damit wir mit allen entscheiden können, wie es dann weiter geht! - Packt eure Sachen meine Brüder und Schwestern und folgt mir in meine Heimat. - Auf nach Beria!", sprach Arakos sichtlich von seinen Gefühlen beeinflusst und hob den Speer in die Höhe. Ob Galatea ihren Anteil daran hatte? Abermals folgten klappernde Waffen auf Schilden oder klopfende Speere und Stäbe auf dem Boden. Die Zustimmung war groß.
Die Anführer gingen los, um ihre Leute zu informieren. Das Lager würde abgebaut werden und dann wie beschlossen erst einmal Silden betreten, um dort zu holen was zum Waldvolk gehörte.
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Neuling
Verwirrt stand Yaret in Silden. Er hatte hier ein blühendes Städtchen erwartet, doch was er vorfand war lediglich eine verlassene Geisterstadt. Er konnte sich darauf keinen Reim machen. Keine Waldläufer, keine Druiden, nur überwucherte und zerstörte Gebäude. Er streifte durch die leergefegten Straßen und schaute sich um, vieleicht fand er noch ein paar Menschen...Fehlanzeige. Er erreichte einen großen Platz, vor ihm wohl sowas wie eine Arena, die ebenfalls von Pflanzen überwachsen war. Er lies sich auf den Boden fallen und warf seine Rucksack neben sich. Er stammte nicht aus Myrtana und hatte keine Ahnung was hier geschehen sein könnte. Yaret ging auf gut Glück hierher und was er vorfand schockierte ihn. Ein beklemmendes Gefühl überkam ihn an diesen Ort. Weg sind die anfangs positiven Gefühle und weggeblasen die großen Erwartungen. Hier war nichts ausser ein überwuchertes und seelenloses Dörfchen.
Mit Hundert Fragen im Kopf verlies Yaret Silden wieder. Seitdem er hier in Myrtana angekommen ist, ist ihm nichts gutes Wiederfahren. Kopf hoch denkt er sich und so geht er schnellen Schrittens aus der Stadt. Nocheinmal dreht er sich um. Ausser Schulterzucken fällt ihm nichts mehr ein.
Was er nun machen sollte wusste er nicht. Sein Plan ist erstmal dahin. Sollte er wieder zurück nach Vengard? Oder doch ganz woandes hin. Yaret setzte sich auf einen Baumstumpf und holte abermals die Karte hervor. Nordmar, Varant, Montera. Alles Orte wo es ebenfalls unklar ist was er dort vorfindet. So entschied er sich ersteinmal in den kleinen Waldstückchen nahe Silden zu bleiben. Er nahm einen Stock und zeichnete damit Kreise in den Dreck. In seinen Kopf rauschten Fragen über Fragen umher...
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Zögerlich, das Gesicht gen Himmel gewannt schlug Waspus seine Augen auf. Das Himmelszelt, das sich über ihm erstreckte war tiefblau. Alles wurde von gleißendem Sonnenlicht erhellt. Kleine Schatten die durch die Baumwipfel hindurch geworfen wurden, tanzten über Waspus Gesicht. Lautstark gähnend, richtete sich Waspus auf und blickte sich interessiert um. Er sah Ameisen, die in regem Treiben versuchten Blätter in ihren Baum zu bringen, Vögel die lange Bahnen in der Luft zogen und Pflanzen, die sich im Rhythmus des Windes hin und her wiegten. Alles um ihn herum schien zu surren, flattern, schwirren, schnurren, wirbeln, pfeifen, brummen und knistern. Nur seine Stimmung schien nicht zu der blühenden und lebendigen Szenerie zu passen. Bereits seit Tagen umgab ihn eine gewisse Antriebslosigkeit die er nicht einzuordnen vermochte. Doch was waren schon Tage im Vergleich zu den Wochen die er nun schon in dieser verdammten Hütte verbracht hatte? Oder waren es doch nur Stunden gewesen? Waspus hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Seit seine kurzweiligen Gefährten zu neuen Ufern aufgebrochen waren und ihre gemeinsame Hütte verlassen hatten glichen sich die Tage immer mehr. Jeden Morgen war er aufgestanden, hatte sich angezogen und war zum nahegelegenen Fluss gegangen um dort Fische zu fangen. Stundenlang hatte er abends an der Feuerstelle vor der Hütte gesessen und nachgedacht. Einfach nur nachgedacht. Nachgedacht über sein Leben, Personen die er getroffen, Orte die er bereist hatte, Träume die er noch in die Tat umsetzen wollte. All das hatte ihn beschäftigt, ihn von seiner aufkommenden Einsamkeit und Langeweile abgelenkt. Doch nun, da jegliche Gedanken ausgedacht und alle Träume ausgeträumt waren, erschien ihm alles leer und trostlos. Wäre er doch mit den Anderen mitgegangen, er würde sicherlich nicht hier herumsitzen und sich selbst bemitleiden.
„Nein!“
Schrie er auf und blickte sich sogleich ängstlich um. Hoffentlich hatte ihn keiner gehört. Nachdem nichts geschah wandte er sich schließlich wieder seinen Gedanken zu. So konnte es einfach nicht weiter gehen. Er war noch nie der Typ gewesen der lange Trübsal schlug. Er war ein Praktiker. Dessen wurde er sich in diesem Moment wieder bewusst. Schnell sprang er auf und warf sich zügig seinen Umhang über. Hier konnte und wollte er nicht mehr bleiben. Er warf noch einen kurzen Blick auf die Hütte die ihm lange Zeit als Zuhause, als Heimat gedient hatte, dann brach er mit schnellen Schritten auf.
Wo sollte er nun hin? Was sollte er als nächstes tun? Er hatte keine Ahnung! Hauptsache weg von hier. Wieder unter Leute kommen, sich vielleicht sogar einer Gemeinschaft anschließen. Bartimäus hatte ihm viel von der „Bruderschaft des Waldes“, wie er sie nannte, erzählt. Besonders viel Positives hatte er ja seinen Geschichten nicht abverlangen können. Wie gebildet konnten schon irgendwelche im Dreck lebenden Irren sein, die vermutlich noch irgendwelche Bäume abknutschten sein? bei dieser Vorstellung begann er zu lachen. Bartimäus schien ihnen jedenfalls zu vertrauen und Waspus würde ihnen ebenfalls eine Chance geben müssen. Es war schön endlich wieder ein festes Ziel vor Augen zu haben. Doch wo sollte er mit seiner Suche beginnen? In welche Richtung sich wenden? Nachdem er sich einige Momente erfolglos den Kopf zerbrochen hatte, entschloss er sich einfach seinem Instinkten zu vertrauen und darauf zu hoffen irgendwann auf das Lager dieser seltsamen Gilde zu stoßen. Vielleicht würde er ja unterwegs irgendeinem Wanderer über den Weg laufen, den er nach dem Weg fragen konnte. Ja, so würde er es machen! Er wandte sich in Richtung einer nicht von Sträuchern, Gräsern oder Büschen zugewucherten Stelle und machte sich auf den Weg.
Seine Reise verlief weitestgehend unspektakulär. Nur selten kreuzten einige Eichhörnchen und Hasen seinen Weg. Sogar ein Wolf, der ihn aber nicht weiter zu beachten schien lief nur wenige Meter an ihm vorbei. Sofort hatte er an Nero gedacht, der ihm trotz ihrer anfänglichen Schwierigkeiten nun fehlte. Nachdem er etwa eine Stunde ohne Rast gelaufen war, drang ein ihm unbekanntes Geräusch an sein Trommelfell. Es war ein lautes Rauschen, der Strömung eines Flusses ähnelnd, zu hören. Und Doch war es viel lauter als ein gewöhnlicher Fluss je hätte sein können. Er musste noch etwa 10 Minuten weitergehen, dann erst erkannte er die Quelle des Geräuschs. Ein atemberaubendes Bild war das. Gewaltige Wassermassen bäumten sich vor ihm auf und glitten einem Vorhang gleich, laut sprudelnd eine Klippe herunter. So etwas hatte Waspus noch nie zuvor gesehen. Er wartete vergeblich darauf, dass der Strom einmal abreißen würde, doch immer wieder kam neues Wasser nach. Begeistert rannte Waspus auf das Gebilde zu und stürzte sich in das erfrischende Nass. Erst jetzt wurde ihm bewusst wie heiß es doch die ganze Zeit gewesen war. Viel zu lange war er der stechenden Sonne ausgeliefert gewesen, die ihm jegliche Kraft genommen hatte. Er beschloss erst einmal hier zu bleiben und sich ein wenig zu entspannen. Am folgenden Tag würde er dann weitersehen.
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Als Bartimäus heute aufgewacht war, wusste er zuerst nicht wo er war. Er war im Wald, das hatte er sehen können, aber er war auc hzugedeckt und er konnte sich nicht mehr erinnern sich am Vortag schlafen gelegt zu haben. Dann war es ihm wieder eingefallen: Cécilia hatte ihm die Geschihte erzählt von dem Stück, welches sie mit der Flöte gespielt hatte. Beim Gedanken daran musste er Lächeln, es war schön gewesen. Nachher musste er anscheinend eingeschlafen sein. Wie ich ihr, so sie mir fuhr es Bartimäus durch den Kopf. Wie dem auch sei, er nahm sich vor Cécilia das nächste Mal wenn er mit ihr reden würden zu sagen, dass er ihre Geschichte noch gehört hatte, bevor er eingeschlafen war. Nicht, dass Cécilia böse auf ihn war, weil er eingeschlafen ist.
Jetzt wollte er aber erst einmal etwas zu essen aufreiben. Weil er nichts von einer neuen Kreation von Maknir wusste, beschloss er in den Wald zu gehen und dort nach Pilzen, Beeren, wenn er Glück hatte vielleicht sogar Fleisch oder sonst etwas essbares zu finden. Doch noch bevor er das Lager wirklich verlassen hatte, erblickte er einen Mann der mit seinem Bogen zu üben schien. Den Umgang mit dieser Waffe zu lernen, war ja schon lange Bartimäus Wunsch, also beschloss er den Mann anzusprechen. Er wartete bis er einen weitern Schuss abgefeuert hatte, um ihn nicht zu stören, dann begann er zu reden:
"Bewahre! Ich kannte nicht sehr viele Leute in Silden, könntest du mir vielleicht sagen, wer mir den Umgang mit dem Bogen beibrignen könnte?"
Der Wächter war überrascht und schien nicht zu wissen, ob er Bartimäus vertrauen konnte. Er überlegte eine ganze Weile und meinte sich nicht sicher zu sein, wer dafür am besten geeignet war. Ob das der Wahrheit entsprach oder ob der Schütze einfach keine Informationen preisgeben wollte, wusste Bartimäus nicht. Schließ gelang es Bartimäus aber den Namen Orthego aus ihm hinaus zu kriegen. Mehr wollte der Mann aber nicht verraten und so gab sich Bartimäus damit zufrieden in nächster Zeit nach Orthego ausschau zu halten. Vielleicht hatte der Wächter ja Recht und Orthego würde sich tatsächlich bereit erklähren ihn zu unterrichten. Das würde Bartimäus endlich einen lang ersehnten Wunsch erfüllen.
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Ein solcher Tag gehörte definitiv ... nein, das war zu unanständig für eine Dame, sowas zu denken. Die Menschen im Lager regten sich einfach nicht ab. Weit hatte sie sich nicht reingetraut, hatte sich am Rand gehalten. Und dann waren Steine geflogen.
"Da! Da ist sie!"
"Mein Bruder könnte noch leben!"
"Nur ihretwegen!"
Immerhin hatte sie davon gestern einen Vorgeschmack bekommen. Wie ... beruhigend. Sie war beim Wald geblieben, denn die Tiere störten sich daran nicht. Die Jägerin hatte sie besucht und lenkte sie ab, indem sie auf ihrem Schoß lag und befriedigt schnurrte, während Cécilia sie streichelte. Dann fauchte sie und verschwand im Unterholz. Die Novizin schaute auf.
"Es ist nur Nero ... könntest du dich nicht an ihn gewöhnen, so wie es sich an mich gewöhnte?"
Doch die Katze war und blieb weg. Sie seufzte. Musste alles so umständlich sein? Sie stand auf und kam Bartimäus ein bisschen entgegen, nur so weit, wie sie sich traute. Nicht sonderlich weit.
"Bewahre", grüßte sie. "Gibt es irgendwelche Neuigkeiten? Oder irgendwas anderes? Die Leute beruhigen sich einfach nicht ... für sie ist es ein Kapitalverbrechen, dass ich überlebt habe. Sie verlangen ein Heilmittel von mir, sie wollen, dass ich ihnen ihre Verwandten wiedergebe! Glaubst du, sie werden eines Tages begreifen, dass ich das nicht kann?"
Sie schaute gedankenverloren zum Lager und merkte Aufruhr. Stirnrunzelnd wandte sie sich an Bartimäus.
"Ein Aufbruch? Weißt du etwas davon? Wohin gehen sie? ... Sollten wir mitkommen?"
Bartimäus nickte und sie gingen zum aufbrechenden Lager. Mit jedem Schritt war es ihr unheimlicher, den Leuten näher zu kommen.
"Können wir uns ... hinten halten?"
Geändert von Cécilia (12.07.2010 um 19:11 Uhr)
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Silden
Sie waren endlich da. Oder besser gesagt wieder. Betrachtete man die Zerstörung in aller Ruhe, dann realisierte man erst dieses ganze Ausmaß. Alle wurden gewarnt sich der heiligen Eiche zu nähern oder irgend eine Pflanze in der Nähe oder in der eigenen Hütte klein zu schlagen. Niemand konnte sagen, ob dann nicht mehr passieren würde.
Einige trauten sich gar nicht mehr nach Silden oder wollten gar nicht dorthin und beschlossen bei den Kranken und Verwundeten zu bleiben. Andere wiederum wollten sehen was geblieben war und natürlich noch ein paar Dinge retten. Und wieder andere kamen noch nach und würden Silden noch erreichen.
"Lass uns deine Hütte aufsuchen.", meinte Ornlu zu Suzuran und ging los. Bevor die Druiden die Kavernen betreten würden und dann 'dicht' machen, wollte er noch irgendwie seine Kiste holen oder das was davon übrig geblieben war. Die Waldläufer indes wollten sich darum bemühen ins Sippenkriegerhaus vorzudringen und immens wichtige Karten und dergleichen zu sichern. Runak und andere Druiden begleiteten den Trupp, um in der Not die Natur zu besänftigen.
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Das Lager hat sich also endlich in Bewegung gesetzt. Bartimäus mischte sich kurz unter die Leute, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich weiterzogen, dann kehrte er zu Cécilia zurück. Langsam begann er sich zu wundern, dass die Leute ihn nicht langsam mit der Frau in Verbindung brachten. Schließlich verbrachte er so viel Zeit mit ihr.
"Sie brechen tatsächlich auf!" bestätigte er Cécilia. "Zuerst wollen sie allerdings noch nach Silden um ein paar Dinge mitzunehmen. Ich persönlich brauche allerdings nichts, ich habe nie wirklich in Silden gewohnt. Brauchst du noch etwas?" Cécilia schüttelte den Kopf. "Also gut, dann würde ich vorschlagen wir bleiben in der Nähe und warten bis es weiter geht."
Also bewegten sie sich nur ein kleines Stück weiter Richtung Stadt und ließen sich an einer Stelle nieder, wo sie die Stadt durch die Bäume hindurch einigermaßen im Blick hatten, aber wo sie nicht so leicht erkannt werden würden. Cécilia sah besorgt aus, wegen der Leute, von denen sie verachtet wurde.
"Mach dir keine Sorgen! Ich weiß nicht genau wo wie hingehen, aber es wird schon ein gutes Stück sein, auf dem andere Probleme geben wird. Auch wenn es immer welche geben wird, die deine Geschichte nie vergessen werden, so werden andere mit der Zeit und in dem Angesicht bedrohlicherer Probleme deine Geschichte in den Hintergrund schieben!" Ob seine Worte halfen oder nicht vermochte Bartimäus nicht zu sagen. Bevor sie aber weiter zogen fiel ihm noch etwas anderes ein. "Wir könnten noch eine Kleinigkeit essen, bevor die Wanderung beginnt! Ich habe dir etwas mitgebracht."
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"Da seid ihr ja! Ich hab euch schon gesucht!", sagte Alon, als er er auf Bartimäus und Cécilia zusteuerte.
"Geht ihr nicht mit? Wir könnten nützliche Sachen finden!", sagte er, voller Eifer. Wie ein kleines Kind, kam er sich danach vor.
"Cécilia... sie... Die Leute vertreiben sie, wenn sie in ihre Nähe kommt."
Die Braunhaarige blickte zu Boden. Alon sah rote Striemen überall an ihrem Körper.
"Was..."
"So verscheuchen sie Sie. Mit Steinen." Bartimäus' Stimme klang hasserfüllt.
"Darf ich...?", fragte Alon.
Cécilia antwortete mit einem Nicken.
Alon kniete sich zu ihr hin und betrachtete die Schürfungen und Schnitte an ihren Armen und Beinen. Er spürte, wie unangenehm es ihr war.
"Du musst sie verbinden, zumindest die grössten Schnitte. Ich werde im Dorf nachschauen, ob es was für unsere Zwecke gibt."
Alon war erfreut, dass er trotzdem noch zum Suchen gehen konnte. Rasch machte er sich auf den Weg und hörte, wie Bartimäus und Cécilia wieder anfingen zu plaudern.
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Als Melford seit langem wieder vor seiner Hütte stand, staunte er nicht schlecht, da sie besser aussah, als er erwartet hatte. Nichts desto trotz hätte er einige Tage gebraucht, um sie so herzurichten, wie sie vor der Katastrophe ausgesehen hatte. Die Tür war aus den Angeln gerissen und lag total verzogen auf dem Boden. Einige Dachschindeln waren auch von ihrer ursüprünglichen Position vertrieben worden und ein neues Fenster hatten sie jetzt auch.
Ein letzter Blick in den ehemaligen Garten, dann ging er langsam auf seine Hütte zu. Die Rechte Hand am Schwertknauf, leicht geduckt und besonders aufmerksam warf er einen Blick durch den Türrahmen ins Haus. Soweit er alles noch richtig in Erinnerung hatte, sah hier alles aus wie immer, sogar Hannah lag schlafend in ihrem Bett. Anscheinend hatte sie die letzten Tage auf das Haus aufgepasst.
Vorsichtig schlich er sich an sie heran und strich ihr sanft über die Schulter. Ihre Kleidung klebte ihr vor Schweiß am Körper, kein Wunder bei der Hitze.
„Hannah, wach auf…wir ziehen los. Hannah…“ flüsterte er ihr ins Ohr, bis sie sich verschlafen regte. Müde drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und schaute ihn eine Weile an.
„Na? Bist du endlich wieder da?“ sagte sie und setzte sich auf die Bettkante.
„Ja, aber wir können nicht hier bleiben. Ich war in Runaks Lager und habe dort das Gespräch der Anführer abgewartet. Das Waldvolk wird Silden verlassen und in Richtung Osten in die Monterawälder ziehen. Irgend so ein Talkessel, wenn ich da nichts falsch verstanden habe.“
„Was? Wir ziehen weg?“ fragte sie sichtlich überrascht.
„Ja und ich denke, dass es das Beste ist, wenn wir uns ihnen anschließen. Silden wird wohl nie wieder so werden, wie wir es kennen. Wir werden einen neuen Anfang machen, tiefer in den Wäldern und hoffentlich sicherer.“ Meinte der Kämpfer frohen Mutes, auch wenn es ihn selbst etwas schmerzte Silden verlassen zu müssen. Schließlich hatte er so viele schöne Erinnerungen an den Ort. Hannah sagte ersteinmal nichts und schaute Melford gedankenverloren an, dann stand sie auf und sagte:
„Der Abschied kommt ein wenig sehr schnell, aber ich denke auch, dass wir nicht hier bleiben können, wenn die anderen gehen. Dann lass uns mal packen.“
Mit diesen Worten machten sich die beiden an die Arbeit und sammelten das wichtigste, was ihnen noch übrig geblieben war. Der Schwarzhaarige packte sein ganzes Werkzeug in einen Rucksack, dazu noch ein paar Wechselsachen und seine guten Klamotten von der Hochzeit – wie lange das schon wieder her war… Dann öffnete er die geheime Truhe unter seinem Bett und holte die alten Baupläne hervor, die noch aus der Zeit stammten, als er Belagerungsmeister der Orks gewesen war. Den großen Zweihänder nahm er ebenfalls mit. Obwohl er bisher keine Verwendung dafür hatte, ist es doch ein schönes Andenken an eine nette Nordmarreise und vielleicht würde ihm das Teil ja noch mal nützlich werden.
Als er seine Sachen in Rucksäcken und Taschen verstaut hatte – all zu viel war es nicht, aber dennoch viel zu viel für eine Pirsch – half er seiner Frau beim Packen. Da sah es schon schlimmer aus…
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Das war also, was von Silden übrig war. Die Taverne. Ein paar Häuser. Ein riesiger Hain. Schutt und Asche. Aber betreten wollte sie Silden nicht. Es war ihr zu ... heikel. Alon schien Barbier zu sein, er hatte sich die Verletzungen einmal angeschaut. Zu dämlich, dass sie kein Verbandszeug hatte! So warteten sie also, während Alon etwas Verband suchen wollte.
"Woher kennst du ihn?", fragte sie neugierig, um etwas über diesen doch recht schweigsamen Mann herauszufinden.
Es war ihr alles nicht geheuer. Sie wollte wissen, woran sie war, sie musste es wissen. Es war wichtig, die Menschen einschätzen zu können, besonders jetzt. Sie hatte Angst davor, noch mehr dieser Fehler zu begehen, Dinge auszuplaudern, die sie in Schwierigkeiten bringen würden, die niemanden etwas angingen, irgendwas.
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Bartimäus konnte es gut nachvollziehen, dass Cécilia mehr über Alon wissen wollte. Immerhin gab es fast niemandem der ihr positiv gesinnt war. Bartimäus überlegte, er wollte ihr so viel sagen wie er Alon wusste.
"Also, zuerst ist er mir begegnet, als ich gerade von Nero gebissen worden war und in die Hütte im Wald gezogen war. Ich war anfangs misstrauisch, aber er half mir sehr dabei meine Wunde zu versoregn, also beschloss ich schließlich ihm zu vertrauen. Seither hatte ich mit ihm in der Hütte gewohnt. Es waren dann noch Azrubel und Waspus dazugekommen. Bei dem Brand in Silden hab ich mir eine Rauchgasvergiftung oder etwas ähnliches zugezogen. Alon hatte mich erneut versorgt."
Bartimäus erinnerte sich, dass er zu der Zeit auch Cécilia das erste Mal getroffen hatte.
"Du musst ihn auch kurz gesehn haben, wie du bei uns warst. Wie dann Silden zerstört war, haben wir dich wieder getroffen und du hast uns ins Lager gebracht."
Bartimäus überlegte noch ein wenig, aber das war so ziemlich alles was er ihr über Alon erzählen konnte. Dann war da noch sein Geschenk und Bartimäus entschied sich, dass es jetzt doch der richtige Zeitpunkt war ihr davon zu berichten.
"Ich denke du kannst ihm vertrauen, er hat mir nach der Bestattung sogar ein Geschenk gemacht, weil er sich bedanken wolltem dass ich ihn in meiner Hütte aufgenommen hatte. Er hat sich oft und mich gekümmert und ich denke er hat ein gutes Herz!"
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"Dann ist er ein Barbier? Wenn er sich mehrmals um dich gekümmert hat? Ich kann mich an den Moment in deiner Hütte kaum erinnern, das tut mir Leid, aber ich weiß, wie ich euch ins Lager gebracht habe ... Ich bin nach der Krankheit halb durchgedreht."
Das traf es, und der Irrsinn hatte sein jähes Ende im Streit mit Meister Ornlu gefunden. Sie hatte Maknir geschlagen, daran erinnerte sie sich noch. Eine Entschädigung wäre wohl nicht verkehrt, da er ihr im Wahnsinn der Zeit zur Seite gestanden hatte.
"Aber ich weiß nicht, ob ich ihm vertrauen darf. Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen darf, auch wenn du zu mir hältst. Ich kann niemanden mehr einschätzen, ich weiß nicht mehr, wem ich vertrauen kann ..."
In einem Anflug von Misstrauen musterte sie sein Gesicht, seine Mimik. Wenn sie ihm nun nicht vertrauen konnte, was konnte er gegen sie tun? Er konnte ihre Eltern töten. Er wusste, dass sie eine Schwester hatte. Er konnte die Flöte zerstören oder sie als Pestüberlebende in großen Orten anprangern (das konnte aber auch jeder anders aus dem Lager).
"Könntest du Silden nach allem noch betreten? Nach dem, was hier geschah? Es ist alles so endgültig ..."
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Ob er Silden noch betreten konnte? Seine erste Antwort wäre "Ja" gewesen, aber dann erinnerte er sich an die Zeit kurz nachdem er mit Nero aus Silden geflohen war. Er wusste noch wie fest entschlossen er war, Silden nicht betreten zu wollen. Mittlerweile hatte sich das aber wieder etwas gebessert. Er sammelte seine Gedanken um Cécilia zu antworten:
"Mittlerweile denke ich schon, dass ich Silden wieder betreten könnte, aber das liegt auch nur daran, dass schon wieder etwas Zeit vergangen ist. Ich war... ich würde sagen ich war nahezu panisch, wie mich Nero gebissen hatte. Es machte mich fertig, dass er, der immer treu an meiner Seite gestanden hatte, sich gegen mich gewandt hatte und dass es mit einer offenen Wunde vermutlich noch einfach war sich anzustecken. Als ich geflohen war schien sich ide Situation zu bessern. Ich hatte einen Sicherheitsabstand zur Pest, vertrug mich wieder mit Nero und hatte sogar einen Freund gefunden." Bartimäus dachte noch einmal darüber nach. "Ich denke es lag vor allem an meiner Beziehung zu Nero, dass ich Silden nicht wieder betreten wollte. Aber wie gesagt, mittlerweile könnte ich es wieder."
Bartimäus fiel wieder Cécilias Bedenken ein ihm zu trauen. Teilweise konnte er ihr Misstrauen auch verstehen. "Glaubst du... ähm, wie lange..." er wusste nicht wie er es sagen sollte. "Besteht die Chance, dass du mir einmal vertrauen wirst?" Sobald die Worte ausgesprochen waren, wusste er nicht ob es die richtigen waren, aber jetzt waren sie ausgesprochen und er konnte jetzt nichst mehr ändern.
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Traum oder Wirklichkeit?
Die Musik, noch immer war sie da. Sie bestimmte über alles, sie war die Herrin und deutlich als diese zu erfahren. Die wirren Stimmen, die versuchten, sie aufzuhalten. Auch sie verschmolzen mit der musikalischen Einheit des natürlichen Orchesters zu einer Gewalt. Einer gewaltigen, machtvollen Komposition. Jetzt begann das Allegro. Und es vereinte die Natur mit den Körperfunktionen. Lina fand sich von einem dunklen Schatten verfolgt durch den Wald stürzend. Hektisch wisch sie den nächtigen Baumstämmen aus. Fürchterlich wisperten ihre Blätter in einer unverständlichen, merkwürdig bekannten Sprache. Als kicherten sie leise, hörte Lina nur Lauf! Lauf, Lina! und ohne sich ablenken zu lassen lief die junge Magierin. Sie rannte davon. Immer wieder huschten ihre Blicke zurück, wollten die Entfernung zu dem Schatten größer sehen. Doch er kam näher. Unaufhaltsam schnellte er hinter ihr her, mit seinem gelben Glanz in den Augen verfolgte er Linas ungelenkes Stolpern. Und er wurde schneller. Und sie wurde langsamer. Sein grausames Brüllen versengte ihre Nackenhaare und schürte ihre Angst. Linas Herz raste wie ein Trommelwirbel zum Höhepunkt des dritten Aktes. Bald kam das Ritardando, ein Moment des Unerwarteten. Magie schnellte durch ihren Körper, überschlug sich fast, bei dem Versuch, irgendwas zu tun. Was konnte sie tun? Eine kleine Lichtkugel erschaffen, die alles nur noch schauderhafter werden ließ. Kaum den Gedanken verschwendet, blitzte sie schon über Linas Kopf auf. Der Blick zuckte hinter ihr her. Ein Moment der Unachtsamkeit. Eine Wurzel. Mit einem Getöse ging die Magierin zu Boden. Und sie rollte. Zähnefletschend kam der Schatten näher. Lina versuchte, ihm krabbelnd zu entwischen. Aber er kam. Er kam. Er kam näher. Ein Augenblick der Stille. Lina hatte sich hilflos umgewandt, rührte sich nicht und blickte dem Schatten in die abwägenden Augen. Wieso dachte er nach - eine Chance? Lina stieß sich ab, wollte aufspringen. Doch ein Satz genügte und der Schatten war über ihr, seine blitzenden Zähne geifernd über ihrem Leib. Eine Geige erklingt rauschend im Hintergrund…
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Bei kurzer Überlegung bereute sie es, ihm diese Frage gestellt zu haben. Es hatte andere Gründe, dass sie Silden nicht mehr betreten wollte. Es hatte mit der Zeit der Pest zu tun, mit dem, was sie dort getan hatte und was dort getan worden war. Sie hatte ein neues Ziel gefunden, und sie musste nun diesen Weg beschreiten. Die Pest war nicht von der Natur gekommen, sondern von Beliar. Im Sinne des Gleichgewichts hätten diese Menschen gerettet werden dürfen! ... Oder etwa nicht? Fast sofort schlichen sich Zweifel ein.
"Glaubst du... ähm, wie lange... Besteht die Chance, dass du mir einmal vertrauen wirst?"
Seine Frage riss sie aus düsteren Gedanken und ließ sie in fast ebenso düstere Gedanken eintauchen. Würde sie ihm jemals vollständig trauen? Nein! aber vielleicht ... eines Tages ... oder nach langer Zeit ... Sie war sich nicht sicher. Vielleicht handelte er einfach nur aus Eigensinn! Und er würde sie hintergehen, eines Tages. Oder er täte nichts dergleichen, und sie wäre ewig grundlos auf der Hut vor ihm.
"Ich ... ich weiß nicht ... ich kann es nicht sagen ... vielleicht ... irgendwann ... aber jetzt nicht, jetzt will ich nicht wieder hintergangen werden. Es ist noch nicht lang her ... ich sollte sterben, das ordnete er an, hinterging mich, obwohl ... nein, Vertrauen war nie da ... trotzdem ... ich kann niemandem vertrauen, jetzt, wo alle wütend sind, wo man mich ausliefern oder einsperren oder wieder töten wollen könnte ..."
Sie war verunsichert, und ihre Verunsicherung ließ ihre Worte wirr klingen. Vielleicht entwickelte sie gerade einen Verfolgungswahn, aber sie wollte nicht schon wieder verraten werden. Verrat ...
"Sei froh, nie verraten zu werden ... es ist abscheulich ..."
Oh ja, abscheulich, abgrundtief scheußlich. Aber Schuld keimte auf. Sie hatte ihrer Schwester zu schreiben, und nun ...
"Was glaubst du, wo er bleibt? Er ist schon eine Weile weg", sagte sie und meinte Alon.
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Das waren ja tolle Aussichten. Er verbrachte seine Zeit mit jemandem, der ihm noch lange nicht vertrauen würde. Er verstand, oder hoffte zumindest, dass ihr Misstrauen nichts mit ihm persönlich zu tun hatte, sondern generell mit den Ereignissen in ihrer Vergangenheit. Trotzdem hatte er gehofft, eine verbesserte Stellung bei ihr zu haben, weil er immerhin der einzige war, der mit ihr redete und der ihr vertraute - denn er vertraute ihr. Bartimäus hatte generell festgestellt, dass er ziemlich leichtgläubig, fast schon naiv war und schnell - vielleich zu schnell - Leuten vertraute. Nun ja, daran würde er jetzt nichts ändern können und er würde sich wohl mit ihrem allgemeinem Misstrauen abfinden müssen und vielleicht würde es ihm einestages sogar gelingen ihr Vertrauen zu erlangen.
"Was glaubst du, wo er bleibt? Er ist schon eine Weile weg", hatte sie ihn gefragt. Wo war wer bleibt? Ach so, sie musste Alon meinen. Ja, das hatte er sich auch schon gefragt. Aber woher sollte er das wissen? Er dachte an seine Vergangenheit mit Alon. Er hatte auch schon zum Heilkraut sammeln immer eine Weile gebraucht. Außerdem war er sehr hilfsbereit.
"Ich weiß es nicht. Ich vermutete er wird möglichst viel nach Verbandsmaterial durchsuchen. Möglicherweise hilft er auch noch jemandem anderem. Ich kann es nicht genau sagen. Auf jeden Fall war er immer sehr hilfsbereit." Mehr vermochte er dazu nicht zu sagen. Er konnte noch anderes vermuten. Vielleicht war ihm entwas zugestoßen. Vieleicht hatte ihn jemand mit Cécilia gesehn und griffen ihn jetzt an. Vielleicht war er in die Ruinen von niedergebrannten Häusern gegangen und hatte sich verletzt. Es gab hunderte Möglichkeiten.
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"Viel Verbandszeug ist sicherlich besser, die Meute im Lager scheint sich noch lange nicht abzuregen. Wohin sie jetzt wohl ziehen? Ich frage mich ..." ob es etwas mit dem namenlosen Dorf zu tun hat?
Er kannte die Geschichte des Dorfes bestimmt nicht, er war ja nicht beim Botengang gewesen. Aber er könnte es auch ohne diesen Botengang wissen ... egal. Vorerst. Sie betrachtete Silden, die Überreste davon. Diese Krise war furchtbar gewesen, sie hoffte, nie wieder so etwas mitmachen zu müssen.
"Sag mal ... wenn du in die Vergangenheit reisen könntest, vor die Krise in Silden ... hättest du alles genauso getan? Oder was hättest du anders gemacht?"
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Cécilia hatte mitten im Satz aufgehört. Wie sie selbst richtig sagte, hatte sie einen Fehler begannen, vor dem ganzen Lager auszusprechen, dass sie an der Pest erkrank war und sie schien seither bedacht keine weiteren Fehler zu begehen. Doch auch vor Bartimäus schien sie ganz genau aufzupassen nichts falsches zu sagen. Es war ihm nie so sehr aufgefallen, wie bei diesem unvollendeten Satz. Sie konnte niemandem trauen, okay, aber langsam kam es Bartimäus so vor als wäre er genauso unvertraunswürdig wie alle anderen und kein bisschen besser. Er versuchte sich einzureden, dass das Blödsinn war, aber es gelang ihm einfach nicht.
Cécilias letzte Frage erinnerte ihn erneut daran wie viele Erfahrungen sie durch die Pest hatte. Er hingegen war nur dagesessen und hatte mehr oder weniger nichts getan. Wie schon zuvor, rief dieser Gedanke Schuldgefühle in ihm hervor. Doch vorerst wollte er ihre Frage nicht beantworten. Diese Vertrauensfrage war ihm wichtiger.
"Sag mal, was verheimlichst du mir? Ich frage dich mit wem du da gestritten hast, du meinst nur es geht mich nichts an! Ich weiß keinen Namen und gar nichts! Doch schien er bei der Bestattung eine wichtige Person zu sein. Warum also, darf ich gar nichts über ihn wissen? Jetzt vollendest du deine Sätze nicht einmal mehr, weil du mir anscheinend etwas nicht sagen willst! Ich finde mich damit ab, dass du mir nicht vertraust und versuche dich zu verstehen, aber du machst es mir wirklich nicht einfach!" Er hatte es eigentlich nicht so böse gemeint, wie es jetzt vermutlich klang, aber er wollte Antworten und so bereute er es nicht.
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