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Es gab genug zu tun in den letzten Tagen. Der Priester konnte sich da nicht beschweren. Verletzungen hier und dort. Mal aus einer Schlägerei, mal aus den Kämpfen. Manche wurden nur im Lazarett hinter der Arena gepflegt, andere lieferte man nach einer kurzen Begutachtung in die Heilkammer ein. Doch bislang hatte weder er noch einer der anderen Heiler und Barbiere einen Todesfall zu beklagen, zumindest nicht nach seinem Wissensstand. Hoffentlich würde es auch zu keinem Fall mehr kommen.
Es schien jedoch, dass die Kämpfe nach und nach an Intensität und Aggressivität zunahmen. An den letzten Tagen hatte er Kämpfe gesehen, die weit über das normale Maß hinausgingen. Manchmal musste er sich auch um einen Verletzten kümmern, meist jedoch war Aniron, die Hebamme und Barbierin, unterwegs und kümmerte sich um die Krieger. Etwas Erholung für ihn, was er auch gut gebrauchen konnte, nachdem er sich die letzten Tage auch noch um Domi hatte kümmern müssen.
Doch nicht jetzt. Der Priester trat ruhig in die Arena ein. Die Menge jubelte und klatschte, als er den Platz betrat, doch der Priester ließ sich nichts anmerken. Das, was sie als Magier hier taten, war mit seinem Gewissen vertretbar. Aber hätte er es auch vertretbar gefunden, wenn es zu einem wirklichen Duell gekommen wäre? Oder wäre er dann nicht angetreten?
Auf seiner Position angekommen, ließ er seinen Blick über die Reihen schweifen und dann zu seinem Gegner hinüber. Dieser stand bereits dort. Ein Diener Innos, so viel wusste Tinquilius bereits. Kroen, wenn er den Namen richtig verstanden hatte. Oder Kran. Als der Sprecher ihre beiden Namen ausrief, wusste er, dass er richtig gehört hatte: Kroen hieß er. Ein Feuermagier.
„Möge der Bessere gewinnen“, rief der Priester dem anderen hinüber, der diesem zunickte.
Einen Moment dauerte es noch, dann gab der Sprecher das Signal zum Magieeinsatz – und im selben Moment preschte seine Magie vor. Erst gegen seine Haut, dann aus seinen Fingern hinaus und verteilte sich blitzartig um seinen Körper. Eisige Kälte drang an seine Haut, die selbst für den Priester so kalt war, dass sich sämtliche Haare aufstellten und er eine Gänsehaut bekam. Es war erst das Halbfinale und dennoch müsste er heute eine gute Show abliefern, wusste er die Magie des anderen doch nicht wirklich einzuschätzen.
Nur einen Meter vor des Heilers rechter Hand, die er nach vorne ausgestreckt hatte, erhellte sich die Nacht. Ein einzelner, kleiner Tropfen bildete sich, doch die Aura, die ihn umgab, versprach mehr. Weitere Tropfen bildeten sich, hingen in der Luft wie nicht abgeholt. Doch dies war nur der augenscheinliche Anschein. Wenn man genauer hinschaute, was keiner aus der Menge tun konnte, so sah man, dass sie sich schnell um ihre eigene Achse drehten.
Einen Moment noch. Einen kurzen Moment noch, dann kann es losgehen.
Und dann flogen die Tropfen, für die Zuschauer vollkommen überraschend, kreuz und quer durcheinander, bis sie so schnell flogen, dass sie verschiedene Kreislinien bildeten, die alle um ein Stückchen Eis flogen, welches aus dem ersten Tropfen entstanden war.
Und die Menge staunte und klatschte, während sich der Zauber Kroen näherte.
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Der Feuermagier ließ den Blick durch die Menge schweifen. Was sich nicht alles für Leute dort versammelt haben. Alte, Schwache, Frauen, Krüppel, Schaulustige oder einfach nur Doofe. Ob wohl auch jemand dort saß, den er kannte? Shey vielleicht? Er hatte ihr nicht gesagt, wo er hinging, wollte nicht, dass sie ihn irgendwie aufhalten würde – und einen Beryll hatten sie immer noch nicht gefunden.
Er hatte sich seine Feuermagierrobe übergezogen, dieses Schwarz-Rote Kunstwerk aus festem Stoff, mit Zeichen des Feuergottes bestickt: Die Flammen und die geöffneten Hände. Fast ein normales Kleidungsstück, wenn nicht jener obligatorische Schutz vor Hitze von kunstfertigen Menschen mit eingewebt wurde. Dennoch, und das trotz seiner Größe, machte Kroen darin einen weit stärkeren Eindruck als in seiner normalen Gewandung aus Leinenhemden und einfachen Hosen.
Ganz anders der Wassermagier, der ihn im sandigen Rund gegenüberstand: Er war groß, in einer stattlichen Robe, die – obwohl doch ein Priester des Wassers und damit gar nicht so sehr entfernt von den Feuermagiern – ganz anders aussah, als die seine. Tinquilius wurde er genannt, so hallte der Ruf des Kommentators durch die Arena. Wahrlich ein mächtiger Magier musste er sein, einer der Priester und somit ein hohes Tier in diesem Wüstenkaff. Es wäre gelogen, dass Kroen sich davon nicht beeindrucken ließ. Er verzichtete auf einen Händedruck oder ein ‚Viel Glück’, auch wenn er sonst mit Heucheleien nicht viele Probleme hatte. Ein Nicken genügte.
Das Duell fing unvermittelt an, die Menge tobte, als der Priester irgend einen magischen Firlefanz veranstaltete, der kurz darauf auf den Schwarzhaarigen zuhielt.
Die Magie um ihn waberte, er spürte ihre Wärme, wie sie ihn füllte und sich ein Gesicht geben ließ, durch das er sie reden ließ, durch das er sie wirkte: Beide Hände von sich gestreckt bemühte er sich einen Windstoß aufrecht zu erhalten, eine warme Bö, die die Eissplitter die auf ihn zuhielten ablenken sollten, oder zumindest dafür sorgen, dass sie als harmlose Wassertropfen auf ihn fielen. Tatsächlich war seine Robe kurz darauf bedeckt von kleinen, dunklen Flecken überall dort, wo ihn Tinquilius’ Eis getroffen hatte, wenn auch in harmloserer Form.
Doch wie, fragte er sich fast schon fies grinsend, wollte man reines Feuer entschärfen? Eine Flamme flackerte in seiner Hand auf, formte sich zu einem Ball, den er kurz darauf vor die Füße des Priesters warf. Er wollte ihn nicht verbrennen, ihn nur einschüchtern – sodass er Fehler zuließ.
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Der Feuerball prallte nur wenige Zentimeter vor ihm zu Boden und ließ den Priester erschaudern. Ein wahrhaftiges Duell? Etwas, was er nicht vorhergesehen hatte. Domi hatte von einem Kunstduell gesprochen, oder nicht? Aber vielleicht war es auch nur der Versuch seines Assistenten gewesen, nicht gegen den Priester in einem wahrhaftigen Duell antreten zu müssen. Konnte er es ihm übel nehmen? Nein, gewiss nicht.
Doch der Einsatz der Feuermagie hatte ihn ein wenig verunsichert. Es war lange her, dass der Priester in einem Kampf Magier gegen Magier angetreten war. Ja, viel zu lange her. Tief aus seinem Innern kam ein Verlangen, sogleich einen Eispfeil oder eine Eislanze auf seinen Kontrahenten zu feuern. Ein Verlangen, wie es seit Monaten nicht mehr aufgetreten war. Ja, vielleicht seit Jahren nicht mehr.
Die Magie in seinem Innern versuchte, heraus zu kommen. Er spürte, wie sie gegen seine magischen Barrieren prallte und ihn dazu bewegen wollte, anzugreifen. Doch dieses Bedrängen ließ den Priester, im wahrsten Sinne des Wortes, kalt. Stattdessen sammelte er kontrolliert einen Teil seiner Magie in seiner rechten Hand. Kleine Eiskristalle bildeten sich in seiner Handfläche. Als er sie nach vorne streckte, flogen sie vor den Priester Adanos‘ und ließen bauten sich wie eine Art Schild auf. Doch dies war bei weitem nicht der Sinn hinter seiner Magie.
Nur Sekunden später entließ er die Eiskristalle aus seinem Zauberbann und sandte sie gen Kroen. Der Priester spürte, wie seine restliche Magie, kaum angekratzt durch den bisherigen Einsatz, ebenfalls versuchte, sich einzumischen. Sollte Kroen versuchen, sie aufzuhalten, dachte er mit einem Grinsen auf den Lippen, während er mit seiner linken Hand eine kurze Handbewegung machte – und der Sand, in dem Moment, in dem die Eiskristalle beinahe Kroen erreichten, wie eine Welle diese begleitete.
Sollte Kroen nun seinen Windzauber nutzen.
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Erschrocken drehte der Feuermagier sich weg. Das, das der Priester dort auf ihn schickte war zu viel für ihn, sodass er es unmöglich hätte abwenden könnte. Ein Wind wehte probeweise durch das Gemisch von Sand und Eis, doch diese wurden noch immer von einer Magie bewegt, die stärker war als seine Magie. Lediglich die Hitze erweckte er, dass die Luft anfing zu flimmern. Sollte das Eis mal sehen, wo es blieb.
Dennoch war es hart und schmerzhaft, als der Sand wie ein Sturm auf seinen Rücken prallte. Er stemmte die Hände auf den Boden, um nicht umgedrückt zu werden und sicher hätte Tinquilius gelacht, wäre das alles nicht vom aufgewirbelten Sand verdeckt worden. Doch der Sturm legte sich, und so hatte er genug Zeit sich aufzurichten und sich mit geschlossenen Augen zum Priester zu drehen, als hätte ihn der Sturm nichts ausgemacht. Eine dreiste Lüge, doch das war es, was das Publikum sehen wollte und vom Feuermagier erwartete.
Der Sand sank nieder und der Schwarzhaarige öffnete die Augen. Sand und Staub bedeckte seine Robe, sie war nun dreckig und fleckig, sogar ein wenig nass von der Magie des Wassermagiers.
„Wollen wir doch mal sehen, wie viel Wasser du auf einmal erschaffen kannst.“ brummte der kleine Mann in einen unrasierten Bart und ließ einen weiteren Ball auf den Robensaum des Priesters los. Gleichzeitig ließ er einen weiteren Wind aufkommen, mit dem er hoffte etwas Sand in die Luft heben und seinen Kontrahenten verwirren zu können.
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Eigentlich, so dachte der Priester, war er gewappnet auf den Konter seines Kontrahenten. Dass einer folgen würde, war klar. Kroen schien aber auch kein unbegabter Magier zu sein. Nein, ansonsten hätte er den Diener Adanos‘ nicht so einfach ausgetrickst.
In des Priesters Hand hatte sich bereits Wasser gebildet, dass er zum Schutz gegen den Feuerzauber des Feuermagiers nutzen wollte, als ein Wind aufkam und Sand in Tinquilius Gesicht blies. Dieser vollkommen perplex und erschrocken schloss die Augen viel zu spät und bekam eine gute Ladung der feinen Körner in seine Augen und seinen vor Schreck geöffneten Mund.
Doch eines hatte er nicht vergessen: Den Feuerball. Und so drehte sich Tinquilius hastig zur Seite, während er die Hitze ganz knapp an seinem Körper vorbeifliegen spürte. Einige seiner Haare schmorten durch den Feuerball an und ein übel riechender Geruch stieg in seine Nase. So roch also ein Mensch, der verbrannte. Pfui bah, wie eklig.
Als er den Sand wieder aus seinen Augen hatte, sah er, dass Kroen erneut einen Feuerball auf ihn geschossen hatte – und nur gerade rechtzeitig erhob der Priester seine Hand und entließ das Wasser in einem kräftigen Strahl, der den rotglühenden Ball knapp vor des Priesters Körper aufhielt und verdampfen ließ. Tinquilius atmete erleichtert auf.
Du hast ihn unterschätzt, ganz eindeutig. Das darf mir nicht noch einmal passieren!
Wut würde manche nun übermannen – ihn jedoch nicht. Mehr gelassen als aufgebracht ebbte sein Wasserstrahl ab, wobei das Wasser weiterhin in seiner Hand schwebte und er im Innern den Druck der restlichen Magie verspürte. Dann fixierte er den Feuermagier an. Dieser schien sich bereits auf seinen nächsten Angriff vorzubereiten – das jedoch wusste der Priester zu verhindern.
Das Wasser in seiner Hand schoss nach vorne, gen Kroen. Doch er wollte es dem Feuermagier nicht zu einfach machen. Am Ende des Strahles ließ er langsam das Wasser zu Eis erstarren und teilte den Strahl in mehrere auf, die alle nun auf Kroen zuflogen, während das Wasser von hinten weiter Druck ausübte.
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„Ja leck mich doch...“ raunte der Feuermagier, doch leider zu spät. Schwer traf ihn das Eis an der Brust und warf ihn zurück. Schmerz durchzog seine Rippen und machten ihn das Atmen schwer, doch er richtete sich wieder auf, doch ein weiterer Strahl aus gefrorenem Wasser warf ihn zu Boden. „Aaargh!“
Der Magier schrie. Das durfte doch nicht wahr sein, ein einfaches bisschen Wasser sollte ihm doch nicht so zu schaffen machen! Noch immer unfähig sich aufzurichten hob er eine Hand zu dem nicht versiegen wollenden Strahl und versuchte die Kälte Tinquilius’ durch seine Wärme zu bekämpfen. Vergebens, er hätte fast erwartet, dass seine Hände festfroren, so eisig war der Strahl des Priesters. Doch er würde ihn nicht ewig halten können. Und der Boden war Nass, durchtränkt vom Wasser des Priesters, sodass dem Feuermagier eine weitere Idee kam, als der Strahl des Wassermagiers endlich versiegte. Beide Hände flach auf den Boden gepresst wirkte er etwas, dass er bisher nur selten gewagt hatte: Blitze durchzuckten den Boden und wurden von der Nässe des Sandes aufgenommen. Überall dampfte es, das Wasser verpuffte und wo die Blitze wieder aus dem Boden traten nahm der Sand einen glasigen Glanz an. Immer wieder knallte es um den Priester, als das Wasser schlagartig verdampfte und kleine Funken aus dem Boden traten. Sicher würde ihm dies auch nicht gut schmecken, auch wenn es nur eine schwache Rache für den verzweigten Eisstrahl war.
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Schlau.
Das war das einzige, was der Priester denken konnte, als die Blitze aus der Erde schlugen. Kroen lag am Boden, der Zauber des Priesters hatte ihn zu Boden gerissen, und doch war er so umsichtig, dem Priester direkt einzuheitzen. Hier und dort schulgen sie aus dem sandigen Boden und hinterließen glasig wirkende Strukturen. Doch darauf konnte der Diener Adanos‘ sich nicht konzentrieren. Er musste stattdessen versuchen, den größeren von ihnen auszuweichen, während die kleineren gegen seinen Körper peitschten. Rauchschwaden stiegen von seiner Robe auf, an mehreren Stellen bildeten sich kleine Löcher, als die Blitze sich durch seine Robe fraßen und Schmerzen an seinem ganzen Körper verursachten. Brandwunden, wenn er sich nicht täuschte.
Du musst kämpfen und nicht nachdenken! Wenn du direkt alles richtig machen würdest, könnte dein gegenüber gar nicht erst zum Zug kommen.
Noch während die letzten Blitze aus der Erde schlugen, umgab den Priester bereits eine eisige Aura. Ein großer Teil seiner Magie sammelte sich in seinen Händen, während Kroen langsam wieder aufstand. Dieses Mal kontne er nicht zeigen, dass der Zauber ihm nichts angetan hatte. Er wirkte etwas erschöpft, ja, vielleicht sogar ein wenig unter Schmerzen. Das könnte der Priester möglicherweise ausnutzen.
Schnell hielte er die Hände beinahe zusammen vor sich und erschuf Wasser, welches sich vor ihm ansammelte. Die Kugel wurde größer und größer. Ein tiefblaues Licht strahlte von ihr in die gesamte Arena und ließ diese mystisch erscheinen, während der Priester allmählich den Magiefluss stoppte und sich nun auf seinen Gegner konzentrierte.
Er schaute noch einmal zu Kroen – dann entsandte er seinen großen Wasserkugel. Der Menge stockte der Atem, mochte sie doch glauben, dass er den Feuermagier erschlagen wollte. Doch nein, dies war nicht im geringsten sein Vorhaben. Er war schließlich Heiler und kein Mörder.
Und im nächsten Moment zeigte sich dies auch der Menge. Er kontne nicht sehen, ob Kroen etwas gegen die Kugel einsetzte. Aus seiner Position war nur zu erkennen, dass die Kugel plötzlich für einen Moment größer wurde und sich dann um den Magier Innos‘ schloss.
Gleichzeitig bildeten sich kleine Kristalle an der Außenwand der Kugel, die die Wasserwand allmählich erstarren sollten.
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Er spürte die Kälte, die ihn umgab, als ihn erst das Wasser umschloss, und dieses dann langsam kristallisierte. Wo sich ein Eiskristall bildete hingen sich schon bald weitere an, so dass sich bald ein festes Gitter bildete. Es brachte nichts, die Wärme zu nutzen, es war einfach zu viel Wasser auf einmal, das ihn umgab. Er spürte die Kälte wie eisige Finger, die sich um ihn schlossen, klamm und doch fest. Wie eine Faust die sich um ihn schloss, zuerst um seine Füße, die er nicht mehr regen konnte, dann die Beine noch, die Arme und schließlich den gesamten Torso, bis lediglich sein Kopf freilag. Einer Intuition hatte er es zu verdanken, dass er noch etwas Luft zu seinem Kopf lenkte, so dass dieser in einer Luftblase lag, als auch darum das Wasser gefror. Bewegungsunfähig und frierend am gesamten Körper versuchte er verzweifelt einen Finger zu rühren – vergebens. Sein Gesamter Körper war bewegungsunfähig, lediglich den Kopf konnte er noch rühren – und mit ihn den Mund, aus dem die Worte: „Ich ergebe mich“ schallten, die außerhalb seiner Kopfkugel wohl seltsam gedämpft klingen mussten.
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Es war das reinste Chaos, das zur Zeit in dieser Stadt tobte. Krieger aus aller Herren Länder flanierten hier in jeder verfluchten Ecke, besetzten die Zelte, soffen in der Taverne und schlugen sich in der Arena gegenseitig die Köpfe ein. Wenn sich Violetta die Fluktuation im Lazarett ansah - natürlich aus sicherer Entfernung, um von niemandem belästigt zu werden - konnte sie nur mit dem Kopf schütteln. Was für diese Kerle ein kunstfertiger Wettstreit war, erschien ihr als grober, barbarischer Unsinn.
Eigentlich wusste sie selbst nicht genau, warum sie sich mit diesem unkultivierten Zeitvertreib abgab, aber sie hatte seit ihrer stürmischen Ankunft in Al Shedim nichts mehr von Adrastos gesehen oder gehört - und das, wo ihr der Aufenthalt hier doch eher ungemütlich war.
Angewidert wandte sich die Schwarzmagierin schließlich ab und begab sich in Richtung Taverne. Vielleicht fand sie den gesuchten ja dort. Je näher man dem Sammelpunkt einer jeden Siedlung kam, desto unerträglicher und enger wurde es - die Kerle soffen ohne unterlass, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig zugrunde richteten. Adrastos sah sie hier nirgendwo, doch fand sie sich vor dem Turnierplan wieder, der sie verständlicherweise nicht großartig interessierte. Als sie jedoch sah, dass zum Ende der Veranstaltung hin ein Wüstenritt stattfinden sollte, wurde sie neugierig. Ein Rundrennen um Mora Sul durch verschiedenes Terrain, bei dem es praktisch keine Kontrolle und somit keine Regeln gab? Was wäre das für ein Schlag ins Gesicht all derer, mit denen sie sich hier angefeindet hatte, wenn sie dieses Rennen gewinnen könnte! Ohne lang darüber nachzudenken, schrieb sich die junge Frau ein und wandte sich um, als sie mit dem Mann zusammenstieß, den sie die ganze Zeit über gesucht hatte.
"Adrastos! Du musst meine Reitfähigkeiten so weit aufbessern, dass ich an diesem Rennen teilnehmen kann. Ich muss da mitmachen!"
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Stolz betrachtete Tano die zwei Schildhälften, die er in den Händen hielt. Eine solche Kraft und Stabilität hatte er nie von seiner Waffe mit den zwei dünnen Zinken erwartet, Adrastos war wirklich ein Meisterschmied gewesen. Leider gewesen, denn er hatte sich sowohl der Schmiedekunst als auch dem Schwertkampf entsagt. Tano würde ein Kunstwerk aus dem zerstörten Schild schaffen, zu Ehren seiner Waffe und Adrastos vergangenen Tagen. Er würde es für jedermann sichtbar in der Schmiede aufhängen. Der Kampf am vorigen Abend hatte nicht so schwer an seinen Kräften gezehrt, wie der Nomade es erwartet hatte. Bis auf einige kleine Kratzer, Schnitte und blaue Flecken war er glimpflich davon gekommen. Und natürlich siegreich, was ihn besonders freute. Rethus war zwar nicht unbedingt eine ehrliche Haut, aber ein guter Kämpfer und verlässlich obendrein.
Fast schon mitleidig betrachtete er das Schwert, das Adrastos lange Zeit gute Dienste geleistet hatte. Es einzuschmelzen grenzte für ihn schon fast an Ketzerei, doch konnte er seinem Freund keinen Wunsch abschlagen und hatte ihm versprochen, einen Stab aus dem Schwert zu fertigen.
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Genüsslich zog der Waffenschmied am Schlauch der Wasserpfeife. Den Rauch ließ er langsam aus dem Mund ziehen und verschwand für einen kurzen Moment hinter einer Dunstwand. Als er hinter dieser wieder auftauchte blickte er Rethus in die Augen.
„Ich muss zugeben, zu einhundert Prozent traue ich dir noch immer nicht, Rafait. Aber anscheinend habe ich keine andere Wahl, wenn wir bei unserem nächsten Kampf wieder so ein gutes Team abgeben wollen. Willst du was trinken? Ich geb dir einen aus.“
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Scheiße - das war alles, was Rethus im Moment in den Sinn kam. Der Gardist heftete seinen Blick auf den Anschlag am Haupteingang der Arena. Nur noch wenige Teilnehmer schienen übrig geblieben zu sein. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er einer dieser Wenigen war. Neben ihm erschien ein Nomade. Dieser strich die Namen Kroen und Yasmin durch. Yasmin ist rausgeflogen? Hat sie verdient. Der Glatzkopf konnte womöglich niemanden weniger leiden als diese Magierin. Kroen hingegen sagte ihm nichts. Aber egal, die Magieduelle interessierten ihn eher weniger. Was jedoch total interessant aussah, war die Tatsache, dass Ronsen und Ulrich weitergekommen sind. Es handelte sich um ein Unentschieden. Na mal sehen, wie das Schiedsgericht entschied. Schließlich müssten rein theoretisch drei Mann das übliche Spiel ‚jeder gegen jeden’ spielen. Maris hat den Kampf gegen Salasar verloren. Diesen Kampf hatte sich Rethus angesehen. Der Kerl war ein richtiges Kampfschwein. Scheinbar zogen die meisten aus dem Volke der Assassinen in diese Richtung. Schließlich erreichte sein Blick den Fremden, gegen den er verlor. Auch sein Meister Nils hatte gegen den Hünen verloren. Hoffentlich fliegt der raus. Rethus mochte es nicht wahr haben, wenn ein Ork das gewinnt, das auch er anstrebte. Aber Ronsen, Ulrich und vor allem Salasar müssten mehr als gute Karten gegen diesen Bastard haben. Diese vier waren scheinbar die letzten im bewaffneten Nahkampf. Nein, halt, da ist ja noch Drakk, der Klanlord. Ja, auch der müsste gute Chancen besitzen.
Okay, die Infos über den bewaffneten Nahkampf sollten nun erst einmal reichen. Jetzt widmete er sich dem Turnierbaum des Paarkampfes. Es blieben vier von acht Gruppen übrig. Aber wenn sich Rethus so die Namen durchlas, schien hier definitiv Schluss für ihn und Tano zu sein. Andy und Ryu kannte er zwar nicht persönlich, aber sie erweckten ihren Kämpfen nach einen extrem guten Kampfeindruck. Vor allem Ryu musste man sehr herauskristallisieren. Der Typ war einer der beweglichsten Kämpfer, auf die er je gestoßen war. Nur Salasar schien noch besser gewesen zu sein. Moment, sein Partner sagte dem Glatzkopf auch nichts. Andy konkurrierte in der Arena gemeinsam mit Chiarah, der Ritterin, für die Rethus einige Zeit als Knappe diente. Sie stellte eine ziemlich hohe Herausforderung dar. Aber die größte Aufmerksamkeit schenkte Rethus Ronsen und Ulrich. Denn diese beiden waren definitiv das beste Paar. Und genau gegen diese mussten Tano und er im Halbfinale gegenüberstehen. Verdammt, er sah keine Möglichkeit. Ihre Zusammenarbeit war einfach nur spitze und der Kampfstil beider sowieso. Tano und Rethus besaßen nicht genug Erfahrung, um diesen beiden gefährlich zu werden. Soviel der Gardist wusste, bewegte sich der Rebellenführer ziemlich agil im Kampf, während der Herold ein regelrechter Panzer war. Oha, das würde schwer werden.
Rethus sank auf die Bank neben dem Anschlag und vergrub sein Gesicht in seine Hände. Noch nie schien ihm etwas so wichtig vorgekommen zu sein. Solch eine Blamage wie bei dem Fremden konnte er sich nicht mehr leisten. Aber es klang schon absurd, allein daran zu denken, wie Tano, ein guter Krieger der Wüste, und Rethus, ein guter Gardist der Rebellen, gegen Ulrich und Ronsen gewinnen, die alle beide Paladine waren.
Mehrmals rieb sich Rethus mit den Händen das Gesicht, ehe er über die Nasenflügel wischte und ehrwürdig zum Erdboden blickte. In einem Moment der Hoffnungslosigkeit und leeren Gedanken regte sich plötzlich etwas in dem Rebellen. Als würden alle seine Sinne auf einmal erwachen und stärker werden wie nie zuvor.
Sie würden nicht gewinnen. Soviel stand fest. Rethus stand auf. Aber nichts desto trotz wollten sie in den Kampf ziehen und diesen Paladinbastarden zeigen, dass sie auf gar keinen Fall zu unterschätzen waren. Lieber wollte Rethus in einem ehrenvollen Kampf zu Grunde gehen als in einer abgrundtiefen Blamage, in der ein Unterrangiger von seinen Vorgesetzten schikaniert wurde. Es war doch gelacht, wenn sie so schnell und haushoch verlieren würden. Entschlossen wie nie zuvor stapfte Rethus zu seinem Partner.
„Ich gebe dir einen aus“, meinte Tano.
Also damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Er mochte keine Adanosler, ohne Zweifel, aber nicht alle schienen so vernebelt zu sein.
„Tano, es gibt im Moment Wichtigeres als zu Rauchen und zu trinken“, mahnte Rethus. „Tut mir leid, wenn ich das jetzt so herausplatze. Im Grunde würde ich zu gerne mit dir einen trinken, aber ich habe mir Gedanken gemacht.“
Tano ließ das Schlauchende seiner Wasserpfeife im Mundwinkel stecken, ohne daran weiter zu ziehen. Der Adanosler fasste interessiert Rethus’ starren Blick.
„Ich weiß nicht, in wie weit du dich bisher über den bisherigen Stand des Turniers unterrichtet hast, aber wir haben in unserem nächsten Part des Wettbewerbs ein riesiges Problem, oder besser gesagt zwei riesige Probleme.“
„Ulrich und Ronsen?“ spuckte Tano hervor. „Du machst mich ganz verrückt. Setz dich doch mal.“ Daraufhin zog Tano wieder kräftig an dem Rohr.
„Hast Recht.“ Rethus nahm neben ihm platz. „Du weißt also, gegen wen wir antreten müssen. Weißt du auch, wer die sind?“
„Ja, es sind zwei ziemlich gute Kämpfer. Der eine, soviel ich verstanden habe, ist der Herold aus Vengard.“
„Es gibt eine Sache, die ich dir noch nicht erzählt habe: Da du meinen wahren Namen jetzt sowieso kennst, kannst du auch wissen, dass ich zur Armee des Königs gehöre. Und Ulrich und Ronsen sind meine Vorgesetzten. Daher weiß ich, wie diese beiden sich im Kampf verhalten. Sie sind mehr als nur gute Kämpfer. Schon ihr Titel erklärt, was für Bastarde das sind: Paladine, wasch echte und wirklich zu Recht wahre Paladine. Jetzt sieh mal uns an. Ich bin nicht mehr als ein Gardist, ein sehr guter Kämpfer auf dem Schlachtfeld alle Male, und du bist auch nicht wirklich von schlechten Eltern, aber vergleiche uns mal mit den zwei Paladinen, den Eliten des Königs. Es gibt kaum Menschen, die besser kämpfen können in dieser Welt, außer den Wenigen, die du nun nur noch auf den Turnierbäumen sehen kannst.“
„Du meinst wir verlieren?“ Tano legte den Schlauch beiseite.
„Um ehrlich zu sein: Wir haben keine Chance, ohne Scheiß.“
„Von was redest du hier?“ Der Adanosler wurde leicht aufgebracht. „Willst du aufgeben?“
„Aber nein.“ Rethus winkte mit der Hand.
Tano runzelte die Stirn und wurde wieder interessiert.
„Es ist Fakt, wir können gegen die nicht gewinnen.“ Der Gardist schüttelte leicht den Kopf. „Aber trotzdem werden wir gegen sie in die Arena ziehen. Sollen sie sehen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Zeigen wir diesen Paladinen was ein Gardist und ein Kämpfer der Wüste drauf haben. Noch sind wir beide nicht aufeinander abgestimmt, aber diese Nacht wird sich das ändern.“
Tano grinste erwartungsvoll und stand fast zeitgleich mit Rethus auf.
„Lass uns üben. Ich sterbe lieber durch die Hand eines Orks als durch einen Reinfall innerhalb weniger Sekunden, gegen meine Vorgesetzten zu verlieren.“
Tano nickte. „Du hast Recht. Lass uns das anpacken.“
Sie suchten sich etwas abseits der Menschenmassen einen Ort, an dem sie ungestört üben konnten. Rethus und Tano dachten sich bei ihrem Training einige Tricks aus. Dabei hielten sie ihre Fähigkeiten auseinander. Während der Adanosler agiler war, setzte Rethus mehr auf geballte Widerstandsfähigkeit. Über Ausdauer und Kraft verfügten beide in ausreichendem Maße, um effektiv gegen Ronsen und Ulrich vorzugehen.
Geändert von Rethus (18.10.2009 um 14:12 Uhr)
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„Du sagst, dieser Ronsen ist ein wahrer Panzer? Das kann ich mir gut vorstellen, ich habe ihn schon einmal zu Gesicht bekommen. Aber gehe ich recht in der Annahme, dass er sich aufgrund seines Gewichts nicht wirklich agil bewegen kann?“
Rethus überlegte kurz und nickte dann langsam.
„Gut. Aber bei seiner Bewaffnung, die ich zu Gesicht bekommen habe, müssen wir auf Distanz bleiben. Wenn es ihn in seiner schweren Rüstung erstmal auf die Schnauze legt, haben wir schon so gut wie gewonnen. Wir brauchen eine Möglichkeit, ihn aus der Ferne zu Fall zu bringen. Ketten wären eine Gute Idee. In der Schmiede dürfte ich noch ein oder zwei Ketten in der richtigen Stärke und Länge haben. Ich werde sie auf einer Seite mit Gewichten Versehen, sodass sie sich hoffentlich um seine Beine wickeln, wenn wir treffen. Oder mit einem Haken daran! Ich hoffe nur, das ist auch erlaubt. Weißt du das zufällig? Ansonsten könnten wir es auch mit Metallstangen versuchen.
Bei Ulrich wird das ganze schon schwieriger. Er ist eher der wendige Typ hast du gesagt? Außer Gefecht setzen ist mit einer Aktion fast unmöglich, man müsste ihn eher ablenken oder so. Der eine könnte ihn, nachdem Ronsen außer Gefecht gesetzt wurde, mit irgendetwas abwerfen, sodass er kurz benommen ist. Steine, oder Kugeln oder so. Was hältst du davon?“
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„Violetta! Welches Rennen? Was redest du da?“
Verwirrt blickte der Seher die Schwarzmagierin an. War sie geistig nun doch schon so verwirrt, dass sie faselte? Fast hoffte er es, dann hätte er sie ruhigen Gewissens irgendwo liegen lassen können und wieder in heimatliche Gefilde aufbrechen können, so schön Al Shedim auch war. Doch die Erklärung der Frau machte einen außerordentlich klaren Eindruck. Ein Rennen also? Zum Abschluss des Turniers? Die sonst so allgegenwärtige Niederlage gegen Rafait war wie weggespült. Der Seher war Feuer und Flamme. Doch was wollte die Schwarzmagierin noch alles wissen, um an einem Wüstenrennen teilzunehmen?
Den ein solches sollte es sein, wenn er sie richtig verstand. Mehrere Tage durchs unbarmherzige Varant, eine Route die von bleichen Knochen gesäumt wurde, bei der Schakale und Hitze die größten Sorgen darstellten – für einen ehemaligen Nomaden und Überlebenskünstler wie Adrastos genau das richtige.
„Also pass auf: Der Ritt geht quer durch die Wüste? Dann achte vor allem auf ausreichend Wasser und Nahrung in den Satteltaschen, aber auch nicht zu viel, du wirst den Vorrat hoffentlich an Oasen aufstocken können. Auch solche Dinge sind wichtig, wenn du richtig Reiten willst, ich hoffe das leuchtet dir ein. Ein lahmendes Pferd ist genauso nützlich wie ein Totes. Also achte auf seinen Gesundheitszustand, überanstreng ihn nicht und sei trotzdem so schnell wie möglich! Hast du immer noch Probleme mit hohen Geschwindigkeiten? Ich würde sagen, wie schauen mal, wie viel zu schon gelernt hast und setzen da an, wo du noch Probleme hast, im Grunde dürftest du schon alles können. Die Arena dürfte zur Zeit nicht der geeignete Ort sein, um sich dort auszutoben, also werden wir das südliche Ende Al Shedims nehmen. Ein Ritt zur Küste, bei der ich dich verfolgen werde und versuche dich auszubremsen, verstanden? Du musst mir davonreiten, Haken schlagen, wenn es sein muss langsamer werden und auch mit hohen Geschwindigkeiten zurechtkommen. Wir holen schnell die Pferde aus den Ställen, dann geht es los.“
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Beinahe im selben Moment, in dem Kroen aufgegeben hatte, sandte der Priester einen weiteren Stoß Magie in die Eiskugel, die diese zu Wasser verwandelte und so den Feuermagier wieder befreite. Tinquilius eilte zu seinem ehemaligen Konkurrenten hinüber. Auch wenn er gewonnen hatte, so fühlte sich dies nicht nach einem Sieg an. Einerseits war er ein wenig stolz und freudig über seinen Sieg, war es doch lange her, dass er sich mit jemanden in der Kunst der Magie gemessen hatte. Andererseits aber war er auch ein Heiler, der einen anderen Menschen soeben Schmerzen und Leid zugefügt hatte. Und vielleicht mehr als nötig war.
„Hier“, sprach der Priester, während er einem heraneilenden Novizen eine eindeutige Bewegung machte, „nehmt meine Hand, ich helfe euch hoch.“ Als Kroen wieder stand, zitterte dieser gewaltig. Nicht nur die Eismagie, sondern auch die kalte Wüstennacht machten ihm zu schaffen. „Kommt, hier holt ihr euch den Tod. Ich bring euch in meine Heilkammer, dort könnt ihr diese Nacht in einem guten und warmen Bett nächtigen. Und ihr bekommt ne heiße Suppe und einen Trank, der euch wärmt.“
„Du siehst schon wieder richtig gut aus“, meinte Tinquilius zu seinem Assistenten Domi, der sich noch immer in des Priesters Heilkammer befand. „Du hast wieder Farbe im Gesicht.“
Domi lachte. „Das liegt nur an eurer guten Behandlung hier, Tinquilius.“ Das ‚du‘ wird er wohl niemals lernen, dachte sich der Heiler. „Aber ich hätte mich auch nicht so verausgaben sollen. Hier nutze ich euch schließlich nichts.“
„Ach“, tat der Priester mit einer Handbewegung ab, „vor dir hatte ich keinen Assistenten und hab es dennoch geschafft. Das klappt auch jetzt. Ich bin ja schließlich wieder hier. Wichtig ist jetzt nur, dass du wieder auf die Beine kommst.“
„Körperlich fühl ich mich auch fit, aber innerlich… In Hinsicht der Magie…“
„Das wird kommen“, meinte Tinquilius mit einem Lächeln und hielt seine rechte Hand väterlich auf die Schulter des jungen Magiers. „Wer sich so verausgabt wie du, muss seine Kräfte erst wieder ansammeln. Das geht nicht von heute auf morgen.“
Als er dies sagte, schaute er zu dem Bett hinüber, in dem bis vor kurzem noch Kroen gelegen hatte. Auch dieser hatte die Nacht gebraucht, um wieder zu Kräften zu kommen. Er war nicht ausgelaugt hinsichtlich der Magie. Vielmehr war es der Körper gewesen, der durch Tinquilius Magie in Mitleidenschaft gezogen worden war. Die Kälte, die den Muskeln und dem kompletten Körper jede Kraft entzogen hatte.
Sein Werk. Was würde Ceron dazu sagen?
„Ihr seht besorgt aus“, meinte Domi nachdenklich.
„Es ist nichts.“ Tinquilius grinste. „Alles okay.“
„Ihr scheint aber auch gut Schlaf brauchen zu können. Ihr seht“, er deutete auf die Löcher in Tinquilius‘ Robe und das darunter liegende, teilweise sichtbare und verbrannte Fleisch, „nicht gut aus. Und eure Robe noch weniger.“
Der Priester schaute an sich hinunter. Es war schade, dass die Robe, die Angelina ihm speziell genäht und verzaubert hatte, allmählich mehr einem Flickenteppich glich als ein Kleidungsstück. „Kroen war ein guter Gegner. Er beherrscht seine Kunst und hat mich überheblich und übersicher getroffen. Mit solch einer Kraft und solch einem Kampf hab ich nicht gerechnet. Das wird mir nicht noch einmal passieren“, meinte er. „Ich werde heute noch meinen Finalkampf absagen.“
Domi sog erschrocken die Luft ein. „Was?“, kam es aus ihm heraus. „Was wollt ihr tun?“ Domis Stimme klang anders als sonst: Fordernder und direkter. Weniger achtsam. „Ihr habt gewonnen. Ihr habt mich und danach Kroen besiegt.“
„Aber zu welchem Preis?“, fragte Tinquilius. „Ich bin Heiler, Domi, kein Krieger. Ich habe mich dem Retten und Erhalt von Leben verpflichtet. Wie kann ich da an einem solchen Turnier teilnehmen, wenn meine beiden bisherigen Kontrahenten erst einmal in meiner Heilkammer nächtigen mussten?“
„Mein Aufenthalt hier war bei weitem nicht euer Verschulden, maßt euch das nicht an“, sprach Domi aufgeregt, seine Stimme zitterte. „Und was Kroen betrifft, so musste diesem klar sein, dass es so kommen könnte. Jeder der teilnimmt weiß, dass er möglicherweise Verletzungen davon tragen wird.“
„Macht dies aber die Verletzungen richtig? Lässt dies mich meine Pflichten vergessen?“
„Was habt ihr denn anderes getan als eure Pflicht? Ihr habt Kroen und mich hierher gebracht und behandelt. Ihr habt euch um andere Kämpfer gekümmert. Was spricht dagegen, eure Magiekünste mit anderen zu messen?“
Tinquilius stand auf. Diese Unterhaltung war ihm zu viel. Das er so empfand war selten, doch es kam vor. „Verzeih mir Domi, aber dies ist nicht der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort dafür. Ruh dich weiter aus, damit du bald wieder bei Kräften bist.“
Und damit verschwand der Priester von Domis Seite, schritt zunächst zu seinem Behandlungstisch, nahm sich seine Heilertasche und verließ dann die Heilkammer. Schnellen Schrittes ging er durch die Flure, ignorierte die meisten, die ihm begegneten und grüßten und lief die Treppe hinauf.
Domis Worte trafen einen wunden Punkt bei ihm. Nicht, weil sie stimmten. Nein, sondern weil ein Teil ihm zustimmte. Doch ein anderer Teil, der pflichtbewusste und sonst immer stärkste, war dagegen. Ja, wie konnte er als Heiler in einem Duell teilnehmen? Der Schaukampf mit Domi war das eine, das Duell mit Kroen das andere. Wie konnte er dies rechtfertigen?
Je höher er kam, desto wärmer wurde es. Als er dann den Tempel verließ, war er im ersten Moment erschlagen durch das helle Sonnenlicht. Der Sand erstrahlte golden und die meisten Diener Adanos‘, die ihm begegneten, liefen gen Tempel und nicht, wie er, hinein in die Wüstenstadt. Mittagszeit. Für ein oder zwei Stunden würde es ruhiger zwischen den Ruinen werden. Kämpfe und Duelle würden erst später stattfinden, auch die meisten Händler hatten ihre Stände für die wärmste zeit des Tages geschlossen.
Doch das alles interessierte ihn nicht. Seine Gedanken kreisten ausschließlich um den Heilerkodex herum. Doch egal wie er es drehte und wandte, egal wie viele Ideen er ausprobierte: Er konnte keine klare Antwort gewinnen. Was würde er nur für Cerons Anwesenheit tun. Sein ehemaliger Meister war weit bewanderter und sicherer in Hinsicht des Kodex.
Doch der war nicht da. Wie sollte er alleine auf eine Antwort kommen?
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Eine ereignisreiche Nacht lag hinter ihnen. Rethus glaubte, dass er noch nie in seinem Leben so eng mit einem Adanosler zusammenarbeitete. Tano und er schmissen sich ordentlich ins Zeug. Sie mussten innerhalb einer Nacht die Tricks so gut beherrschen, dass sie eine Chance gegen Ronsen und Ulrich haben würden. Dennoch schloss Rethus den Triumph eigentlich aus, obwohl er ihre Tricks als ziemlich effektiv betrachtete. Eine geringe Wahrscheinlichkeit blieb somit noch bestehen, die zum Sieg verhelfen sollte.
Ungefähr eine Stunde vor Sonnenaufgang begaben sie sich zu Bett, um bis Mittag auszuschlafen. Ihre geübten Tricks verliefen ganz zum Schluss fast perfekt, was Rethus als effektives Üben bewertete.
„Bist du fitt?“ fragte Rethus, der sein Kurzschwert ablegte. Seine Falkenklauen versteckte er an ihrem Übungsort. Jederzeit konnte sein Gesicht identifiziert werden. Also brauchte er irgendwo eine Waffe, auf die er zählen konnte. Das Kurzschwert hingegen ließ er zunächst hier.
„Klar“, meinte Tano, der seinen Gürtel fest zog.
„Kennst du noch die Signalrufe?“ kam es wieder von dem Gardisten, der nun die Scheide ablegte, um ungestört kämpfen zu können.
„Wenn jemand von uns ruft ‚Kreuzhieb’, weiß der andere, dass Trick Nummer eins eingesetzt wird. Bei ‚Runter’ nehmen wir Trick Nummer fünf. Und bei einem ganz simplen ‚Jetzt’ folgt Trick sechs.“
„Sobald ich deinen Namen rufe, setzen wir Trick zwei ein“, begann Rethus von Neuem und gab Tano seine Klinge, die frisch geschliffen aussah. „Und Trick vier kommt, wenn ich ‚Wüstensand’ rufe.“
„Und wenn ich deinen Namen schreie“, setzte Tano fort, während er seine Waffe entgegennahm, „machen wir Trick Nummer drei.“
Sehr schön, sie waren jetzt perfekt vorbereitet. In Rethus regte sich das Gefühl, dass sie nicht gnadenlos verlieren würden. Tano stand neben ihm, als er nach seinem Langschwert griff und der Kommentator rief: „Heute gibt es eine Änderung des Ablaufes! Wir sehen jetzt einen Doppelkampf: Die Gruppen Ronsen und Ulrich sowie Tano und Rafait sollen nun in die Arena treten!“
„Packen wir’s an“, meinte der Glatzkopf nur und packte Tanos Hand zum glückwünschen.
Dann schritten sie über den sandigen Boden des Schlachtfeldes. Das Publikum tobte abermals. Ihre Kontrahenten erschienen zeitgleich mit ihnen im Ring. Tano schien beide Paladine zu mustern, während Rethus ausschließlich in das hämische Grinsen seines Kommandanten starrte.
„Wir können es schaffen“, sprach er vorsichtig zu Tano. „Die Wahrscheinlichkeit bewegt sich zwar in einem extrem geringen Prozentbereich, aber es ist nicht unmöglich.“
„Solange wir konzentriert bleiben, ist alles möglich“, gab Tano zur Antwort.
Geändert von Rethus (18.10.2009 um 14:51 Uhr)
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Noch eben befand sich Ronsen in der Unterführung der Arena, aus derer Tor er gleich mitsamt seinem Zweihänder schreiten und einmal mehr kämpfen würde. Jedes Mal, wenn er s kurz davor stand, überkam ihn ein mulmiges Gefühl. Das lag zum einen daran, dass er sich nie vorher informierte, gegen wen er sich eigentlich stellte und zum anderen schmerzte ihm noch immer die Wunde an der Seite und er wusste sich in seiner fetten Gestalt immer noch nicht perfekt an die Kämpfe anzupassen. Er lief sozusagen auf etwa achtzig Prozent seiner Leistung, aber das würde nicht auf Dauer reichen. Er müsste schleunigst wieder fit werden und musste eine Verletzung heute auf jeden Fall vermeiden. Aber er war ja nicht allein...
"Bereit?", Ulrich kam an ihn herangetreten, während sich Ronsen gerade die Schuhe anzog und klopfte seinem Partner auf die breite Schulter. Der Herold blickte einen Moment auf in die ebenso leicht nervösen Augen seines Kameraden. Ulrich war doch noch immer der Alte, ein stolzer, starker Paladin, auch wenn man schon die eine oder andere Falte mehr in seinem Gesicht wahrnahm. Der Krieg nahm doch alle reichlich mit. Dennoch strahlte er trotz eher leichter Rüstung, einem ledernen Harnisch und einige Schoner an Armen und Schultern, das aus, was einen Paladin ausmachte, eine unglaublich starke Aura. Mal ehrlich, mit ihm an der Seite... konnte man da überhaupt verlieren?
"Packen wir es an!"
Ronsen erhob sich von dem kleinen Hocker und befreite sich noch von dem Waffengurt am Rücken. Jedes Pfund weniger würde ihn an diesem heißen Tag einen Streich näher zum Sieg bringen. Seine Waffe nahm er direkt in die Hand, legte sie aber quer und stützte mit der Rechten an der Klinge, damit keiner befürchtete, er würde gleich angreifen.
"Gut, dann los. Sie rufen uns schon auf."
Die beiden eilten noch durch die kurze Unterführung und wurden schließlich vom Jubel der Masse ringsum begrüßt. Ronsen versuchte, seine Anspannung zu unterdrücken.
"Wenn das alles vorbei ist, brauch ich unbedingt ein Bier. Aber nicht den Fusel von hier, sondern richtigen Paladiner, was meinst du?"
Ulrich nickte nur, aber wahrscheinlich war er in Gedanken wo ganz anders.
"Jedenfalls danke, dass du eingesprungen bist. Ich glaube kaum, dass uns hier noch ein anderes Team was vormacht. Beweisen wir es also den anderen."
Ronsen trat seinen Kontrahenden mit breitem Grinsen entgegen und entledigte sich sogar seines Brustpanzers, der laut scheppernd und Staub wirbelnd auf dem Arenaboden aufschlug. Er würde ihnen zeigen, dass er nicht nur ein Fels in der Brandung war.
"Ich wäre soweit, wie sieht es bei euch aus?"
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Heilige Scheiße. Der Typ war ja schon das letzte mal, als Tano ihn gesehen hatte, fett gewesen. Er musste mindestens fünfzig Pfund schwerer zugelegt haben, wenn nicht sogar hundert. Der Nomade legte den Kopf schief und musterte die beiden Gegner genaustens. Paladine also. Hm. Bei diesem Sir Ulrich konnte er sich das auch ziemlich gut vorstellen, er war ein Prachtexemplar eines Kämpfers. Er schien sich an den wüstentypischen Kampfstil angepasst zu haben, er trug eine leichte Lederrüstung mit einigen Verstärkungen. Ronsen hingegen war... naja, in erster Linie war er fett und in Tanos Augen ziemlich unflexibel. Dass er seine Rüstung abgelegt hatte, zeugte zwar von Mut, bei dieser Statur jedoch auch von Naivität. Schätzte er seine Fähigkeiten wirklich so ein, dass er auch ohne Rüstung bestehen konnte? Er war ein Paladin des Königs, er musste es besser wissen als irgendein Nomade. Tano schloss für einen Moment die Augen, holte tief Luft und fuhr mit der Hand über die Klinge, die an seinem Linken Oberschenkel befestigt war. Schließlich öffnete er wieder die Lider und sah zu Rethus. Dieser nickte zuversichtlich und brachte damit ein Stückchen Ruhe in den Waffenschmied. Dieser sammelte seine Gedanken und blickte die beiden Gegner unter der unbarmherzigen Sonne an.
„Fangen wir an.“
Sofort verfielen alle vier Kämpfer in Anspannung, und bereits in den ersten Minuten erkannte man schon Ansätze der verschiedenen Kampfstile. Sir Ulrich schritt anmutig am Rande der Arena entlang und wartete förmlich darauf, sich wie ein Raubtier auf seine Beute zu werfen. Sir Reinhold Ronsen Panzer versuchte, es seinem Partner gleich zu tun, was ihm nur mäßig gelang. Ein erstes Abtasten mit den Schwertspitzen, wobei sich schon leicht zwei Pärchen bildeten, nämlich Rethus gegen Sir Ulrich und Tano gegen El Tonno. Dieser war mit seinem riesigen Krummschwert zumindest in Betracht auf die Reichweite, im Vorteil. Aber Tano erhoffte sich, wendiger als sein beleibter Gegner zu sein. Immer mehr gingen die beiden kleinen Grüppchen auseinander und auch der erste richtige Kontakt von Ronsens Seite aus ließ nicht lange auf sich warten. Mit knapper Not entkam der junge Nomade dem gewaltigen Hieb und versuchte sogleich, ihn zu unterlaufen. Der Versuch wurde jedoch mit einem Faustschlag Ronsens schnell unterbunden. Er hatte Tano nicht voll erwischt, dennoch reichte es aus, um ihn auf den Boden zu befördern. Schnell rollte er sich um die eigene Achse, um außer Reichweite zu gelangen und erhaschte dabei einen Blick auf Rethus und seinen Gegner. Ihr Kampf hatte schon mehr an Geschwindigkeit aufgenommen und sie beharkten sich mit allerlei Kniffen und Drehungen. Mit einem Satz war Tano wieder auf den Beinen und die beiden anderen verschwanden aus seinem Sichtfeld. Während er erneut zurücksprang, um einem Schwertstreich auszuweichen hörte er nicht weit entfernt hinter sich das metallische Klingen zweier aufeinander treffender Waffen.
„Tano!“
Der Gerufene brauchte einen kurzen Moment, bis er das Kommando registriert hatte, doch sprintete er sogleich zu Rethus. Dieser warf sich in einer fließenden Bewegung auf den Boden und stützte sich mit den Armen ab, den Schwertgriff begrub er unter der rechten Hand. Mit einem schwungvollen Sprung landete Tano mit seinem rechten Fuß auf Rethus Schulter und drückte sich erneut ab. Er grinste als er mit angewinkeltem Ellbogen direkt auf Sir Ulrich zu flog. Dieser konnte sich nur sehr ungalant mit einem Hechtsprung in Deckung bringen, dennoch landete der Waffenschmied auf ihm, wenn auch nur auf den Waden. Als er aufkam, trieb er seinem Gegner so stark er nur konnte, die Elle in das weiche, ungeschützte Fleisch. Aus dem Augenwinkel sah er Rethus, wie er herumwirbelte und direkt auf Ronsens Schienbein zuhielt.
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Ronsen hatte gerade gar nicht ganz verstanden, was die beiden vorhatten, aber er sah, dass sie beide auf Ulrich losgingen und das konnte nicht sein. Wollten sie etwa den Leichteren von den Beinen heben? Ronsen musste seinem Kameraden helfen. Also stapfte er auf das kleine Durcheinander zu, da kam schon sein zweiter Gegner auf ihn zugerannt und zielte in Richtung der Beine des Südländers. Nein, so nicht. Ronsen sprang hoch und landete mit beiden Beinen über dem Schwertarm seines Kontrahenden.
"Daneben!", rief er triumphierend.
Doch Rethus zog seinen Arm direkt hinauf, mitten in die königliche Panzerung am Unterbauch. Ronsen stöhnte auf, aber konnte noch den Kerl am Kragen packen und ihm eine heftige Kopfnuss verpassen. Für einen Moment war dieser dann am Boden und der Paladin konnte sich sammeln. Ein prüfender Blick galt Ulrich, der schon wieder ganz gut drin war, so leicht ließ er sich nicht ausschalten, Innos sei Dank.
Er spähte noch, ob er vielleicht in das Gemenge eingreifen musste, spürte dann aber einen starken Griff am Fuß, der ihn zu Fall bringen wollte. Dummerweise hatte er in genau diesem Moment einen Schritt nach vorn gesetzt und landete ungalant auf dem rechten Knie.
"Scheiße!"
Sein Gegner hatte sich anscheinend mit einer kleinen Beule doch ganz gut erholt und bäumte sich mit seiner Waffe vor ihm auf. Ronsen nutzte den Schwung aus den Knien und rollte sich zur Seite ab. Für einen Mann seines Kalibers war er nunmal gelenkig, anders konnte man es gar nicht ausdrücken. Rasch rappelte er sich wieder auf und winkte seinen Gegner zu sich heran.
"Ist das alles?", er wischte sich den Staub aus dem Gesicht und stürmte wieder mit seinem Schwert auf den jungen Gardler zu...
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Zwei Paladine, zwei gute Freunde, aufgrund vieler gemeinsamen Kämpfe ein eingespieltes Team, was sollte da noch schief laufen? Eine beruhigende Vorstellung, die aber nicht zu Leichtsinn verleiten sollte. Jeder Mann der eine Waffe trug war ein Gegner und dieser war immer nur so stark, wie man es selbst zuließ. Eine alte Weisheit, dennoch gab es viele, die diese nicht beherzigten. Ein Kampf oder Duell war erst dann entschieden, wenn der Feind tot am Boden lag, oder, was hier eher angesagt war, der Kontrahent tatsächlich aufgab, besser gesagt aufgeben musste – das war die eigentliche Schwierigkeit. Irgendwen zu töten war in der Tat leichter, als Jemanden mit Technik und Geschick außer Gefecht zu setzen. Eine weitere einfache Weisheit, durch die schon mancher Kämpfer in arge Bedrängnis geraten sein dürfte. Insofern hatten die beiden Burschen einen Verbündeten auf ihrer Seite, der ihnen zu einige Chancen verhelfen könnte, blieb abzuwarten, was die beiden Kontrahenten von Ronsen und Ulrich aus diesem Vorteil, wenn man ihn so nennen wollte, machten. Und sie machten ihre Sache gut, wie am Anfang des Kampfes unschwer zu erkennen, die beiden Paladine nun mehr als gewarnt und sollten sich nun auf ihre Stärken besinnen.
Ronsen setzte mit seinem Zweihänder auf Kraft und Distanz halten, während Ulrich sich für den Einhänder entschied, mit dem man schneller agieren konnte. Eine wundervolle Kombination, die sich prima ergänzte, wenn man damit umzugehen wusste. Das die beiden Freunde ihr Handwerk verstanden, galt es nun unter Beweis zu stellen. „Plan B“ rief Ulrich seinem Kameraden zu, der schon wieder auf dem Vormarsch war, der Dunkelhäutige nickte kurz und hielt dann inne. Mit schnellen Schritten schob sich der Rebell vor seinen Ordensbruder und brachte seinen Einhänder in eine achtförmige Bewegung. Immer schneller ließ der Kommandant die Klinge kreisen und machte zwischendurch einen Ausfallschritt nach vorne, einmal zu dem Glatzkopf hin, dann zu diesem Wüstenmenschen. Für einen Augenblick herrschte Verwirrung bei den Kontrahenten, die wohl nicht mit einer neuen Taktik gerechnet hatten. Ulrich begann nun zu tänzeln, bewegte sich dabei langsam auf diesen Tano zu, plötzlich machte der Paladin eine ganze Körperdrehung, führte dabei sein Schwert am ausgestrecktem Arm in der Waagerechten. Der Wüstenmensch musste einen Satz nach hinten machen, geriet dabei ins Straucheln. Der Kommandant setzte nach und verpasste dem Kerl einen kräftigen Kinnhaken. „Jetzt sind wir wieder quitt“ spottete Ulrich breitgrinsend, bevor er sich mit kleinen schnellen Schritten wieder zu Ronsen gesellte. Das gehörte zu Plan B, immer zusammen bleiben und abwechselnd agieren, nun war der Kamerad an der Reihe, die beiden Burschen zu beeindrucken, während Ulrich ihm den Rücken freihalten würde.
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Es erwies sich schwerer, als anfangs angenommen, hier einen Trick einzusetzen. Dass ihre zweite Taktik glückte grenzte scheinbar an einem Wunder. Aber nicht länger sollten sie dieses als ein Wunder oder als Glück bezeichnen. Sie mussten jetzt augenblicklich noch ernster machen, zumal diese Technik, die Ulrich und Ronsen eben einsetzten, eine harte Nuss für Rethus und Tano war.
„Scheiße! Tano, komm her.“ Sie bewegten sich vorsichtig von ihren Gegnern weg, um neu zu planen. Es musste doch einen Weg geben, wenigstens einen hart zu treffen. „Ich hab’s“, setzte der Glatzkopf nur so laut fort, dass Ronsen und Ulrich nicht zu viel mitbekamen. „Ich greife jetzt Ulrich an, während du dich gegen Ronsen stellst. Wir disponieren Trick vier ein wenig um. Ich versuche auf irgendeine Weise Ulrich für drei Sekunden abzulenken, damit wir Trick vier einsetzen können. Das Signalwort bleibt dasselbe. Und ich rufe es auch aus. Jedoch werde ich mich um den Sand kümmern. Anschließend machen wir einen Bogen, damit uns Ulrich nicht zu fassen kriegt. Vielleicht können wir dann Trick eins versuchen, auch wenn diese ultimative Taktik ziemlich schwer wird, gegen Ulrich einzusetzen.“
„Probieren wir’s“, meinte Tano nur, der noch etwas mitgenommen von dem Hieb Ulrichs war.
So eine Flaute durften sie sich nicht gefallen lassen. Da Trick zwei etwas unbeholfen verlief, mussten sie auch Trick drei streichen. Diese wären zu uneffektiv gegen zwei Paladine. Ihr Problem war momentan nur, dass sie langsam schlapp machten. Diese vielen Schlagwechsel zehrten ordentlich an ihrer Ausdauer. Trotzdem wollten sie noch wenigstens eine kleine Darbietung zeigen.
Sie stoben auseinander, sodass Ulrich und Ronsen nahezu Rücken standen. Jetzt galt es, diese Position umzukehren. Ronsen verpasste Tano einen heftigen Schlag, der etwas unbeholfen pariert wurde. Sie mussten Gas geben. Der Gardist stand jetzt vor seinem Kommandanten, den er nicht durch Fausthiebe oder Tritte beeinflussen konnte. Er versuchte, mit so wenig Energieverlust wie möglich eine Schwachstelle zu finden. Aber schon beim fünften Hieb kam er. Ulrich hob seinen Einhänder nach oben. Diese Chance nutzte der Gardist, um sich an dem Paladin vorbei zu stehlen, um hinter diesem den Angriff abzuwehren. Doch aus irgendeinem Grund geschah diese Attacke nicht minder heftig. Die Parade ließ Rethus nach hinten stolpern. Schon versuchte Ulrich nach zu setzen. Das war die Chance! Sogleich vergewisserte er sich, ob Tano schon an Ronsen vorbei gekommen ist, was sich als richtig erwies. Rethus kreuzte seine Arme, um den Fausthieb wenigstens etwas abzudämpfen. Trotzdem traf sie ihn hart, sodass er in Richtung des Fetten stolperte. Sofort brachte er seine Bewegungen unter Kontrolle und griff nach etwas Sand.
„Wüstensand!“
Tano sah schon sehr geschwächt aus, zwang sich aber trotzdem, Ronsen weiterhin zu beschäftigen. Baff! Der Sand landete unterhalb des Kinnes von Ronsen. Dieser spuckte ein ‚Scheiß…’ hervor, ehe Tano und Rethus sich jeweils auf eine der Schultern des Fetten warfen. Verdammt! Tano schaffte es nicht mehr zum Sprung anzusetzen. Mit entsetzen musste sich der Gardist ansehen, wie der Adanosler neben dem Herold landete. Doch plötzlich stach er so gut es ging mit seinem Schwert in die Wade Reinholds. Schließlich plumpste der Hüne doch noch auf den Boden der Arena. So schnell der Glatzkopf konnte, raste er von dem Liegenden weg. Jedoch schaffte es Tano nicht mehr. Ulrich packte ihn am Kragen. Mist! Anstatt weiter den Bogen fort zu setzen, hetzte Rethus zurück, um seinem Kumpanen zu helfen. Ulrich registrierte ihn schnell. Als er ihn erreichte, parierte er den nächsten Angriff des Gardisten. In diesem Moment löste sich Tano aus dem Griff. Rethus wusste nur nicht, wie das passierte. Aber egal. Es passierte. Etwas unbeholfen fochten sie nun mit dem Paladin. Doch länger konnten sie nicht warten. Reinhold würde jeden Moment wieder aufstehen.
„Kreuzhieb!“ kam es von Tano.
Der Glatzkopf schlug gegen das untere Ende des Einhänders ihres Gegners, während Tano oberhalb dagegen schlug. Das Schwert drehte sich, aber Ulrich schaffte es trotzdem, seine Verteidigung aufrecht zu erhalten. Nein! Ihre ultimative Attacke ist in die Hose gegangen. Schon wurde Rethus von dem Herold umklammert. Wieder packte Ulrich Tano am Kragen. Rethus konnte diesem ganzen Mist nicht länger zu sehen. Er versuchte sich aus der Umklammerung herauszudrehen. Doch es gelang ihm nicht. Ronsen war einfach zu stark. Stattdessen trat er nach Ulrich, der sich dadurch drei Schritte zu seiner Rechten bewegen musste. Wie eine Schlange zwängte sich der Gardist. Aber Reinhold drückte noch fester zu. Adern bildeten sich auf Rethus’ Stirn. Er konnte nicht mehr. Nun wollte er dem Herold die Beule von vorhin heimzahlen. Mit Wucht schlug er seinen Schädel nach hinten. Der Treffer genügte, um dem Glatzkopf soviel Platz zu lassen, dass er seinen Arm heraus ziehen konnte. Sogleich feuerte er den Ellenbogen seines freien Armes gegen den Kopf seines Widersachers. Jetzt löste sich der Griff ganz. Tano ließ mehr und mehr nach. Aber auch er versuchte sich von seinem Griff zu befreien. Als Rethus endlich sein verloren gegangenes Schwert wieder aufhob, begab er sich zu Ulrich, um seinen Mitstreiter zu retten. Plötzlich traf ihn wieder etwas, das ihn umhaute. Alle Viere von sich gestreckt blieb er liegen. Im nächsten Moment wurde auch Tano hingeschmissen.
„Ob wir noch Trick sechs schaffen?“ nuschelte der Glatzkopf.
„Du hattest Recht“, antwortete Tano. „Das ist nicht zu schaffen. Aber gut gekämpft, Rethus.“
„Dasselbe gilt für dich. Ich weiß nicht, ob du noch mitmachen kannst, aber…“ Rethus drehte seinen rechten Fuß nach links, dann nach rechts und beugte ihn schließlich nach ob, wodurch ein Messer aus seiner Ferse schnellte.
Um ihn herum johlte das Publikum. Galt es den Paladinen oder dem allgemein guten Kampf? Rethus wusste es nicht. Er wollte nur noch nicht aufgeben.
„Jetzt!“
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