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Wie spät es inzwischen war, dass konnte Callindor gar nicht mehr genau sagen. Zumindest war es außerhalb des Zimmers bereits stockfinster und nur die vielen kleinen Kerzen sorgten in seinem gemach für stimmungsvolle Helligkeit. Tatsächlich ergab sich des öfteren eine Art Schattenspiel, dass sich an den Wänden abzeichnete. Wild flackernd hüpften die kleinen schwarzen Männer auf und ab, verbogen sich zu seltsamen Figuren und flößten mitunter sogar ein wenig Angst ein.
Aber solange sie nicht von den Wänden herab sprangen und Callindor angriffen, war alles in Ordnung. Trotzdem hatte er nicht nur einmal das gefühl, dass genau dies geschehen würde. Ein klares Zeichen, dass er überarbeitet war. Und völlig übermüdet. Der Rang eines hohen Feuermagiers brachte es nun einmal mit sich, dass er nun ein Vielfaches mehr an Aufgaben zu erledigen hatte, und auch wenn ihm Vic so gut es ging dabei unter die Arme griff, es blieb anstrengend und hart.
Mit schmerzenden Augen schloss Callindor das Buch da vor ihm und pustete bereits einige der Kerzendochte aus, als er so völlig beiläufig mit seinem Blick an Vic hängen blieb, der in seinem Bett bereits einige Zeit schlief. Sein seichtes, regelmäßiges und wohltuendes Atmen erfüllte stetig den Raum und beruhigte ungemein die angespannten Nerven des Magiers.
Ein Lächeln huschte schnell über sein Gesicht, ehe er wieder Ernst wurde.
Er musste auf den Jungen Acht geben, das hatte er dem sterbenden Vater versprochen und dieses Versprechen würde Callindor auch halten, um jeden preis. Zum Glück war Vic inzwischen dämonenfrei, auch wenn der hohe Magier gar nicht genau wusste, wie das alles geschehen war, nur, dass es dem jungen seitdem so gut ging, wie schon seit Monaten nicht mehr. Er wurde zu einem strebsamen jungen, dser in Lehren Innos' seine Erfüllung zu finden schien, denn er sog begierig jedwede Information in sich auf, die Callindor von sich gab, oder die der Adlat irgendwo aufschnappte.
So wie er auch mitbekam, dass es in Al Shedim zu einer Art Turnier kommen sollte, segr bald sogar, und Callindor rang mit sich, daran nicht vielleicht sogar teilzunehmen, doch letztlich siegte seine Sorge um Vic und er entschied sich dagegen.
Ein weiteres Mal ging Callindor im Zimmer herum und blies einige Kerzen aus, doch noch immer brannte es genug, um für minimale Beleuchtung zu sorgen. Das Bett Vics war einen Steinwurf entfernt. Der Magier fühlte sich direkt ertappt und atmete langsam, tippelte mit den Füßen, um ja nicht zu viel Lärm zu machen und Vic vielleicht sogar noch zu wecken. Dabei war doch gar nicht da dabei ...
Zufrieden setzte sich Callindor auf den nahesten Stuhl, den er vorher an das Bett geschoben hatte und betrachtete den schlafenden Vic. Entspannt schien er zu lächeln, träumte wohl etwas angenehmes und dies übertrug sicvh auch auf seinen Meister, der nur behutsam den Zipfel der Zudecke nahm und Vic ordentlich zudeckte, denn zu dieser Jahreszeit waren die Nächte merklich kühl. Unbewusst wandte sich der junge Bursche hin und her, grunzte auch irgendwas, doch Callindor ließ sich davon nicht beirren. Viel mehr strich er dem Teenager sanft durch das blonde, ebenmäßige und lange Haar. Vic schien es zu gefallen und gleich beschwerte er sich, als Callindor damit für einen Moment inne hielt.
"Nicht aufhören!", flehte er den Magier an und Callindor gab nur ein "Schlaf weiter ..." von sich, ehe er wieder begann, die Haarpracht gefühlvoll und vorsichtig zu bearbeiten. Nicolas hatte dies bei ihm auch immer gemacht und Callindor fand Entspannung dabei, und so hoffte er, dass auch Vic Interesse dafür zeigte.
Bei den beiden Verliebten war es ehemals ein Vorspiel zu nur noch schöneren Dingen, doch daran dachte Callindor in diesem Moment gar nicht. Zumindest nicht bewusst. Er wollte Vic einfach etwas Gutes tun, und dabei auch sich selbst ein wenig Freude bringen, denn er tat dies sehr gern für den Jungen.
Und wie er so den halbschlafenden Burschen wieder zu kraulen begann, dauerte es nicht lange, ehe die Hand abermals ruhte, doch inzwischen auch keine Widerworte von Vic mehr kamen.
Da waren sie nämlich schon beide eingeschlafen. Jeder für sich und doch beide zusammen.
Geändert von Callindor (28.09.2009 um 09:20 Uhr)
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Der Himmel über Vengard war heute morgen grau wie Blei und es wehte ein unangenehmer, kühler Wind. Offenbar setzte sich der Herbst nach den letzten sonnigen Tagen jetzt endgültig durch.
Gwendor hatte sich über seine Lederrüstung noch seinen langen roten Unhang im Rot der Innos-Garde gezogen. Ihm fröstelte. Wenn sich das Wetter so weiter verschlechtern sollte, war das für ihn ein Grund mehr Ende der Woche die Reise in den warmen Süden anzutreten.
Jetzt ging der Knappe zum Übungsplatz. Gestern hatte er gemeinsam mit Lodrick ausführlich den Schwertkampf trainiert, heute würde er im Bogenschießen üben. Aus der Waffenkammer der Burg hatte er einen Köcher prall gefüllt mit Pfeilen geholt, die dort offenbar schon Jahre herumgelegen hatten ohne je genutzt worden zu sein. Nach wie vor hielt sich das Interesse am Bogenschießen bei den Waffenknechten und Gardisten der Gilde stark in Grenzen. Ein Umstand, den er nicht verstand. Sollte die Stadt von den Orks angegriffen werden, würde es nicht viele geben, die die gegen die Stadtmauern anrennenden Grünpelze mit einem Pfeilhagel in Empfang nehmen könnten.
Obwohl der Knappe bei seinen Kameraden eifrig Werbung für diese Kunst betrieben hatte, war er was sein Amt als Bogenlehrmeister anging größtenteils arbeitslos geblieben, es gab kaum Resonanz auf seine Angebote unter den Innoslern. Er hatte sich gefreut, dass zumindest Lodrick bei ihrem Wiedersehen kurz angedeutet hatte, das Bogenschießen von ihm irgendwann einmal erlernen zu wollen, aber zunächst lag das Turnier vor ihm, auf das er sich konzentrieren wollte.
Der blonde Waffenknecht war gestern wieder aus Vengard in Richtung eines der Rebellenstützpunkte abgereist, er wollte dort das Schwert schmieden, welches Gwendor bei ihm in Auftrag gegeben hatte.
Der Knappe freute sich auf seine Waffe und sah das Turnier als eine gute Gelegenheit an, die neue Klinge zu testen und einzuweihen.
Er erreichte den Übungsplatz, welcher aufgrund des schlechten Wetters relativ leer war, lediglich zwei Gardisten vollführten einige Trockenübungen mit ihren Schwertern, und baute sich eine der dortigen Strohzielscheiben auf. Dann nahm er in einem entsprechenden Abstand von der Scheibe Aufstellung, griff nach seinem Bogen und einem der Pfeile und begann mit dem Training.
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Noch immer konnte es Selara nicht glauben, es war so unerwartet geschehen, dass sie es noch gar nicht recht verarbeiten konnte. Natürlich freute sich Selara sehr darüber und hatte sich am Morgen auch gleich ihre neue Robe abgeholt, diese war nicht maßgefertigt aber sie passte so gut, dass es auch nicht nötig war, zumindest die nächste Zeit würde sie mit ihr sicher zurecht kommen.
Heute sollte auch für ihren Schüler kein normaler Tag werden, die Priesterin hatte vor ihn seiner ersten Prüfung zu unterziehen.
Die Sonne hatte ihren Zenit längst überschritten als sie mit Knut zum Trainingsplatz kam, der sollte gegen ihren Schüler antreten, war vom Können her etwa soweit wie Lares, brachte allerdings mehr Erfahrung mit. Selara war schon sehr gespannt wie sich ihr Schüler schlagen würde.
Fast gleichzeitig war dann auch Lares auf dem Platz eingetroffen, Selara wollte dann auch gar nicht länger warten.
Magie zu Ehren!
So Lares, heute wirst du zeigen müssen was du gelernt hast und auch umsetzen kannst. Knut ist vom Können her etwa so weit wie du, gegen ihn wirst du antreten.
Ich werde den Kampf genau beobachten, so kann ich am besten feststellen, ob wir den nächsten Schritt gehen können oder ob du noch Schwachpunkte hast an denen wir arbeiten müssen.
Selara ging einige Schritte zurück, an den Rand des Übungsplatzes und wartete darauf, dass es losginge.
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Das also war Lares’ erster richtiger Gegner. Das machte Lares nervös, bisher waren seine Kämpfe gegen seine Lehrmeisterin gewesen, die sich stark zurückgehalten hatte und auch wenn der Mann, der ihm gegenüberstand lange nicht so stark war, wie die Feuermagierin, er würde sich sicher nicht so sehr zurückhalten.
Der junge Mann ging in die gewohnt Ausgangsstellung, aus der er die volle Kontrolle über seine Waffe besaß, auch wenn das hier nur ein Übungskampf war, Lares Körper verströmte Unmengen an Adrenalin. Der Anwärter versuchte sich zu beruhigen, indem er tief ein- und ausatmete. Sein Gegner begab sich jetzt auch in die Grundstellung und nickte Lares zu. Dann ging es los. Knuts erster Angriff kam von der Seite und schnell sprang Lares aus der Reichweite seines Gegners, als der hölzerne Stab an ihm vorbei schlug machte Lares schnell einen Schritt nach vorne, um selbst zu attackieren. Obwohl es die Statur des Mannes nicht verriet war Knut schnell. Er parierte Lares’ von oben geführten Schlag mit der Seite seines Kampfstabes. Dann drehte Knut seine Waffe so, dass Lares sich unter ihr herducken musste, um keinen Schlag vor seinen kahlen Kopf zu kassieren. Kaum stand Lares wieder gerade richtete er einen Schlag auf die Beine seines Gegners, den Knut gerade eben noch parierte, dabei entwich dem dicklichen Mann ein leises Stöhnen. Lares nutzte den Moment und schlug in die Richtung, in der sich Knuts Schulter befand. Knut reagierte zu spät, konnte nicht parieren und nur ein schneller Schritt zur Seite hinderte Lares, einen Treffer zu landen. Knut sah jetzt seine Chance und schlug mit viel Kraft auf Lares unverdeckte Seite, der Anwärter schaffte es aber seinen Stab dazwischen zu bringen. Die Gegner gingen nun einige Schritte voneinander weg, musterten sich und holten tief Luft.
Dann sprang Lares nach vorne, um seinen Gegner endlich zu treffen, doch an seiner Stelle traf Lares auf Knuts Stab. Knut versuchte nun seinerseits einen Schlag in Lares’ Kniekehle zu landen, was Lares durch eine Drehung und seinen Stab verhinderte. Dann riss der Anwärter seinen Stab nach oben, um so vielleicht den gewünschten Treffer zu landen, doch Knut sprang rückwärts aus seiner Reichweite.
Lares musste sich etwas einfallen lassen, seine Angriffe waren zu einfallslos, Knut konnte sie einfach parieren. Andererseits war das mit Knuts Schlägen nicht anders. Die beiden Kämpfer hatten noch nicht ihren eigenen Stil gefunden und so beliefen sich die Angriffe auf einfachste Techniken.
Lares wagte nun eine Drehung, Knut schien wie paralysiert, schaffte es aber dennoch dem ausgefalleneren Angriff auszuweichen. Allerdings setzte Lares schnell nach und erzielte so endlich einen kleinen Treffer am Arm von Knut, der Schlag hatte kaum Kraft und würde Knut nicht aufhalten, aber wenigstens hatte einmal getroffen.
Beide Kämpfer gingen wieder einige Schritte auseinander, begaben sich in die Grundstellung und ließen sich nicht aus den Augen.
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Da war sie also, die große Stadt Vengard, die letzte freie Bastion der Menschen. Die hohen und dicken Mauern trotzten jeglichen Angreifern, die großen Geschütze darauf trieben jene schnell in die Flucht.
Und dann gab es da noch die Wachen. Mit grimmiger Miene richteten sie ihre Speere und Schwerter auf Dan. Er hob die Hände. »Halt! Im Namen des Königs, wer bist du und was willst du in Vengard?«
»Mein Name ist Danrius, ich… komme von einem der Höfe aus der Küstenregion. Und ich wollte in der Stadt einen guten Freund besuchen.«, antwortete der einstige Soldat etwas nervös. Wenn er ihnen die Wahrheit erzählte, würden sie ihn für einen Deserteuer halten und ihn entweder sofort töten oder einem Gericht, oder noch schlimmer, Jun übergeben.
»Soso, ein Freund also. Und wieso sollte ich dir das glauben?«
Dan zuckte mit den Schultern, und bereute es im nächsten Augenblick wieder. Er sollte nicht so provokant auftreten. »Fragen sie ihn doch. Hiroga heißt er, Gardist Hiroga. Ich kenne ihn von früher.«
Der Wachmann beäugte ihn misstrauisch, nickte dann aber seinem Kollegen zu, der den Kopf senkte und durch das Stadttor eilte. Danrius war erleichtert, dass sie es schluckten. Doch der Gardist vor ihm ließ ihn nicht aus den Augen.
Ein paar Minuten später tauchte der Waffenknecht wieder auf, den der Gardist vorhin geschickt hatte, und er hatte Hiroga im Schlepptau. In Danrius‘ Körper setzte sich etwas in Bewegung, Freude stieg in ihm auf. Da war er, sein alter Kumpel und Lehrer, zwar etwas verändert, aber immernoch Hiro.
Dieser schien ähnlich zu denken, und so fielen sich die zwei Freunde lachend in den Arm.
»Er gehört zu euch?«, fragte der Gardist. Hiro nickte ihm zu, und so ließen sie Dan gewähren.
»Mensch, wo warst du denn so lange? Wir hielten dich für tot!«, meinte Hiro, dem die Freude immernoch im Gesicht stand, während sie durch Vengard liefen.
»War ich in gewisser Hinsicht auch. Mich hats übel erwischt, ich weiß gar nicht mehr wo. Und dann haben mich diese Knechte von einem der Höfe hier gefunden und dann bin ich erstmal dort geblieben.«, antwortete Dan und hoffte, es richtig ausgedrückt zu haben, so, dass Hiro ihn verstand.
»Ich bin jedenfalls froh, dich zu sehen. Du kannst erstmal mit zu mir kommen, um den Rest kümmern wir uns später.«, meinte der Gardist und zwinkerte Dan zu.
»Was ist mit… Jun? Ich kann ihm doch nie mehr unter die Augen treten.«, fragte er.
»Wie? Jun?« Hiroga blinzelte. »Bei Innos, du weißt es noch nicht!«
»Was? Sag schon, sag! Ist er auf einer Reise, mal wieder den Grünhäuten einheitzen?«, wollte Danrius wissen und musste bei dem Gedanken, wie der Qel-Dromâ Orks verprügelte, grinsen. Ja, das war schon ein oller Schweinehund, ein von Innos geliebter Schweinehund.
»Jun… ist tot.«, sagte Hiro trocken.
Die Zeit stand einen kurzen Augenblick still. Dann begriff er.
Dan ging in die Knie, keuchte, die Welt drehte sich.
»Tot?«, hauchte er, und spürte den Kloß in seinem Hals.. Das konnte nicht sein, nicht Jun, der Vengard fast im Alleingang gehalten hätte. Nicht Jun, der fanatischste Anhänger Innos‘. Nicht Jun, der ihn, Danrius, zu seinem Knappen gemacht hatte, der ihn gelehrt hatte, sich vor den Schergen des dunklen Gottes zu verteidigen. Das konnte einfach nicht sein.
»Sein Besitz wurde vor ein paar Tagen dem Feuer übergeben. Seine Leiche haben vermutlich die Orks. Schande über sie!«, sagte Hiro, spuckte auf den Boden und holte Dan damit zurück auf den Boden der Tatsachen.
Er schluckte. »Ich werde ihn rächen.«, schwor er. »Bei Innos‘, das schwöre ich.« Doch in Wahrheit fühlte er sich für den Tod Jun-Qel-Dromâs verantwortlich. Er hätte bei ihm sein müssen, er hätte seinen Tod verhindern müssen. Doch nun war es zu spät dafür.
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Natürlich hatte Selara den Kampf genau beobachtet und sie war recht zufrieden mit dem was sie gesehen hatte, daher war es nun auch Zeit gewesen den Kampf abzubrechen. Nachdem sie sich bei Knut bedank hatte wandte sie sich an ihren Schüler.
Das läuft alles noch nicht wirklich rund aber das kommt mit der Zeit, da mache ich mir keine Sorgen.
Die Grundlagen des Stabkampfes beherrscht du nun, da kann ich dir nichts mehr beibringen. Soll heißen, dass wir mit der Ausbildung wie geplant fortfahren können. Du kannst dich aber schon mal darauf einstellen, dass das Training von nun an noch härter werden wird, das fängt schon damit an, dass du vor dem eigentlichen Training für den Anfang zehn Runden um den Platz laufen wirst, deine Ausdauer ist nicht die Beste, daran müssen wir arbeiten.
Wir treffen uns morgen wieder hier, dann sehen wir weiter.
Mit einem Nicken verabschiedete sich die Priesterin von ihrem Schüler, sie hatte ihm keine Angst machen wollen aber er sollte doch die Möglichkeit haben sich auf das was kommt einzustellen.
Ihr eigener Weg führte sie nun erst einmal in ihr Zimmer, dann würde sie weiter sehen.
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Lares lief seine Runden um den Übungsplatz, er teilte die Auffassung seiner Lehrmeisterin, die Technik beherrschte er, doch seine Ausdauer dürfte ihn im Ernstfall nicht so schnell verlassen, wie sie es tat. Einige hätten das Laufen als Strafe angesehen, Lares hingegen sah es als Chance sich zu verbessern und das war, was er am liebsten tat, besser werden, um sich und allen anderen zu beweisen das er es konnte.
Wenn das Training nun härter werden würde, so musste Lares sich darauf nun einmal einstellen. Bisher war sein Leben einfach genug gewesen, es wurde Zeit, dass er etwas tat.
Nach dem Training würde er wahrscheinlich in einer Taverne noch etwas trinken und dann ein Abendgebet sprechen gehen.
Er war zufrieden mit sich selbst, er hatte seinen ersten Kampf gewonnen und seine Lehrmeisterin stolz gemacht.
Nach drei endlos wirkenden Runden war Lares bereits aus der Puste, obwohl er schlank war schien sein Körper sich nicht daran gewöhnen zu können, etwas tun zu müssen. Das musste er auch noch in den Griff bekommen. Er atmete tief durch, ohne stehen zu bleiben und beobachtete die Kämpfenden auf dem Platz.
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Denn gesamten letzten Tag hatte Ekarius damit zu gebracht weiter Hinweise auf den Verbleib des Medallions zu finden. Das Mädchen, welches das Stück zuletzt gesehen hatte, konnte ihm leider nicht wirklich viel über den neuen Dieb berichten.
Es war schon verwirrend wie sich ein Schmuckstück so mit dem Leben eines Mannes verwickeln kann. Sollte er es wirklich einmal finden können, würde er es für sich behalten. Denn dieses Medallion war für ihn zurzeit etwas Besonderes geworden. Doch war der junge Anwärter außer Stande sich auf die Suche nach dem begehrte Stück zu machen. Er hatte andere Verpflichtungen. Immerhin musste ja irgendwer kehren…
Was eine Arbeit für einen Mann der von sich behaupten konnte eine gute Bildung genossen zu haben. Doch wenn er es recht überdacht war es immer noch besser als die Alternative. Auf der Straße leben wollte er auf keinen Fall.
„Hatschi“, schon wieder musste der junge Anwärter niesen. Das Wetter war heute fürchterlich gewesen. Es war kalt und es regnete schon den ganzen Tag leicht. Ekarius war dann natürlich auch noch für den Dienst vor Tempel eingeteilt. Wenn er hier fertig sein würde für den heuten Tag dann hat bestimmt ein Erkältung in seinem Körper ausgebreitet. Doch irgendwie passte es im Moment zu seiner Lage. Seine Laune und Gemütszustand änderten sich von Tag zu Tag. An einem Tag war er fröhlich und gut gelaunt wie lange nicht mehr und am darauffolgendem war er schon nahezu depressiv. Es gab aber auch nicht wirklich etwas das ihn aufmuntern mochte an diesem Tag.
Ohne ersichtlichen Grund warf der junge Anwärter seinen Besen bei Seite und macht sich auf den Weg zu seinem Bett um etwas zu lesen. Auf Arbeit hatte er nun wirklich keine Lust mehr, außer sie war sinnvoll und interessant.
Ein Abenteuer wäre jetzt genau das Richtige für den jungen Mann.
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Das Niederschlagen galt nahezu als eine Kunst für sich. Allerdings erreichte man im Gegensatz zum Tod nur die Bewusstlosigkeit. Somit glich diese Kunst fast der des Meuchelns, womit man also beide als eine Kunst für sich bezeichnen musste. Die Durchführung begann wie gehabt mit dem Anschleichen. Dabei musste man darauf achten, dass das Opfer nichts bemerkt, dass keine Zweige oder ähnliches im Weg liegen, die Geräusche verursachen konnten, und dass ihn niemand dabei beobachtet. Da es dem Glatzkopf ein wenig blöd war, den Knauf eines Dolches zu verwenden, wollte er bei dieser Thematik einen anderen Weg finden, ein Opfer bewusstlos zu schlagen. Allerdings erzielte man das nur, wenn man vorerst dem Hinweis des Lehrmeisters Folge leistete. Also benötigte Rethus alleinig für den Anfang einen Dolch.
Sein Wissen über den Taschendiebstahl erwies sich nun als hilfreich, da er sich einen Dolch stehlen wollte. Dies bewerkstelligte er an einem einfachen Großbürger im Händlerviertel. Wahrscheinlich beobachtete ihn einmal mehr sein Meister. Also stand Aufpassen als großes Los im Vordergrund. Da die meisten der Großbürger zu ihrer Sicherheit einen Dolch dabei trugen, war das Finden eines geeigneten Zieles ein Leichtes. Im Lichte einer Straßenlaterne befand sich ein fähiges Opfer. Sogleich beschleunigte Rethus seine Schritte. Der Gegenstand, den er brauchte, stak an der Seite des Gürtels. Hinter sich bemerkte er die eiligen Schritte einer Frau. Um nicht sofort Verdacht zu schöpfen, brach er seinen Weg ab und machte vor einem Schaufenster eines Schuhgeschäftes Halt. Als die geringe Gefahr, erwischt zu werden, vorüber war, setzte der Gardist seinen Weg hinter drei Männern fort, die mit begeisternden Gesprächen auf dem Weg zu einer Taverne waren. Vorsichtshalber prüfte Rethus abermals seinen Rücken, der nun allerdings absolut frei schien. Also brach er die Verfolgung der drei Männer ab, um weiter auf sein Ziel zu zugehen. Genau in dem Moment, in dem sich der Gesprächspartner seines Opfers nach hinten drehte, zog der Glatzkopf vorsichtig den Dolch aus dem Gürtel. Noch bevor der andere wieder in Rethus’ Richtung schaute, ging dieser schon wieder neben einer Frau her. Doch schon kurz darauf kehrte der Gardist in eine Gasse ein.
Sehr schön, das erste Ziel war nun bewerkstelligt worden. Jetzt galt es ein geeignetes Opfer zu finden. Mit einer Stadtwache wollte sich Rethus zu Anfang logischerweise nicht anlegen. Auch mit einem einfachen Bürger wollte er keinen Stress. Doch ein Ziel im Armutsviertel oder im Hafenviertel durfte er sich schon messen können. Schon setzte der Schüler seinen Weg gen Armutsviertel fort. Aber schon nach dem fünften Schritt hielt er abermals. Vielleicht war es unklug, sofort jemanden niederzuschlagen. Wenn er irgendwas falsch machte, fügte er seinen Opfern womöglich noch ernsthafte Verletzungen zu. Langsam ging er weiter. Nils erklärte, man musste die weiche Stelle hinter dem Ohr treffen. Rethus fasste sich an seinen Hinterkopf und stellte allerdings drei mögliche Stellen fest: Die Stellen in Richtung Hals hinter den Ohren und genau in der Mitte seines Hinderkopfes zwischen Hals und Schädeldecke. Jedoch erschienen ihm die Stellen etwas unterhalb hinter den Ohren logischer. Trotz dieser sicheren Überlegungen wollte sich der Dieb noch kein Opfer suchen. Die Gefahr selbst dran sein zu können, stand einfach zu hoch. Also musste er erst Zielen üben.
In einer verlassenen Gasse des Armutsviertels hielt er schließlich und ritzte mit einer Falkenklaue zehn Kreuze für den Anfang in die Wand eines Holzhauses. Anschließend schlug er mit dem Knauf des Dolches nach allen zehn Kreuzen.
Nachdem dies geschafft wurde, stellte er nur vier sichere Treffer fest. Das bewies ihm schon, dass er hätte erwischt werden können. Sofort ritzte er die nächsten zehn Kreuze in die hölzerne Wand. Wenn nötig mache er das bis in die Nacht weiter…
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Und zack. Volltreffer! Der Typ lag bewusstlos auf dem steinernen Boden des Hafens. Rethus schien ganz zufrieden mit sich. Nach dem elften Durchgang beim Schlagen gegen die Wand erreichte er bereits acht bis neun sichere Treffer. Seine Zielsicherheit wurde damit bestätigt, bei der er allerdings als Schwertmeister schon Vorkenntnisse mit sich führte. Der Typ, den er gerade niederschlug, spielte aber für den Anfang nur eine einfache Rolle. Schließlich drehte es sich um einen Besoffenen vom Kai.
Rethus durfte man als ziemlich ehrgeizig bezeichnen. Etwas übermütig machte er sich auf ins Armutsviertel. Wenn dies bei einem Besoffenen funktionierte, dann auch bei einem etwas schwereren Opfer.
Die schwach beleuchtenden Gassen ließen die Sicht sehr eingeschränkt. Das gefiel dem Glatzkopf. So erkenne ihn keiner. Jetzt benötigte er nur noch Glück, ein Attentatsziel zu finden.
Hinter der nächsten Ecke fiel ihm ein dicker Mann auf. Jedoch erschien er dem Gardist doch etwas zu schwierig. Hingegen zog ein Mann mit zerlumpten Klamotten Rethus’ Aufmerksamkeit auf sich. Den Dolch hatte der Dieb neben den Falkenklauen gesteckt, um alle drei Geheimwaffen nebeneinander mit sich zu führen. Im Gegensatz zu den Messern fiel der Dolch auf. Dies war der Grund, wieso Rethus nur ungern einen Dolch dabei hatte. Lieber sollte auch dieser versteckt sein, was sich leider als schwieriger herausstellte als gedacht.
Direkt hinter dem Opfer zückte er den Dolch. Dann prüfte er noch einmal seine Sicherheit. Anschließend holte er aus und traf den Mann genau…am Kopf. Verdammt! Er hatte nur mit voller Wucht die Schädeldecke getroffen. Dies reichte unglücklicherweise nicht, um sein Ziel niederzuschlagen. Aber ein Gutes hatte es. Die Wucht reichte aus, um den Mann benommen zu machen. Also schlug Rethus noch einmal zu. Bei dieser Benommenheit war es allerdings egal, wo man den Kerl traf. Hauptsache es handelte sich um den Kopf. Bei diesem zweiten Schlag kippte das Opfer vornüber. Kurz darauf begab sich der Gardist zu seinem Versteck. Scheinbar musste er doch noch einmal zielen üben. Diese Erkenntnis bewies ihm allerdings schon, dass man mit voller Wucht zu schlagen konnte und trotz das Ziel zu verfehlen, jemanden gleichwohl benommen zu machen, um mit einem oder zwei folgenden Hieben nachsetzen durfte, um das Gewollte doch noch zu erreichen. Jetzt musste Rethus nur noch herausfinden, wie man auch ohne einen Gegenstand, jemanden niederschlagen konnte. Die Faust schloss er schließlich aus. Ja klar, es war möglich, auch mit der Faust einen Menschen zur Bewusstlosigkeit zu bringen, aber die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Treffer oder die richtige Wucht, ohne dabei die Finger zu brechen, zu erzielen, blieb bei der Faust eher unwahrscheinlich…
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Früh am morgen hatte Wistler sich schon aufgemacht und hatte nach Arbeit gesucht. doch die alle Handwerker, die er traf hatten Gesellen und hatten keine Platz für einen Tagelöhner. Seine großes Geschick im Umgang mit dem Pflug half ihm hier nicht weiter.
Doch ein Händler auf dem Marktplatz, dem er gegen kleines Entgeld half sein Gespann abzuladen, verwiesen ihn an die Bürgerwehr, die immer Leute suchten, um die Stadt von all dem Übel sauber zu halten.
So ging Wistler zur 12. Stunde zum Anführer der Bürgerwehr und er kundigte sich, ob ein Mann noch zu gebrauchen war.
Dieser schüttelte nur den Kopf.
Du kommst zu spät! Musstest wohl deinen Rausch ausschlafen.
Melde dich morgens zum Dienst...da fällt mir ein komm später wieder.
Wir brauchen noch für die Nachtwache 1-2 Rekruten. Weist du dich zu wehren?
Wistler blickte verlegen auf seine Füße:
Ich besitze zwar ein kleines schmuckloses Messer, aber weis ich nicht im Kampfe damit umzugehen!
Der Anführer betrachtete ihn lange:Naja deine Statur sollte reichen, um deine Feinde einzuschüchern. Wenn du kein Platz zum Schlafen weisst nach deiner Arbeit so geh in den einäugigen Pirat.
Und so wusste Wistler, wo er seine nächsten Nächte verbringen würde und welche Arbeit er verrichten konnte.
Sein Dienst langweilte ihn.Er drehte seine vorgegebenen Runden doch hatte er mehr mit dem Schlaf zu kämpfen als mit irgendeinem Dieb. Doch diese Tatsache sprach für die Sicherheit von Vengard.
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Lares erreichte den Übungsplatz und hielt die Augen nach seiner Lehrmeisterin auf, offensichtlich war sie noch nicht hier, das störte Lares weniger, dann würde er eben selbstständig trainieren und er wusste, womit er anfangen würde.
Ein Paar Runden um den Platz würden seinen Kreislauf in Schwung bringen, seine Muskeln aufwärmen und seine Kondition stärken. Anschließend waren die Techniken mit dem Stab dran und, wenn er dann noch Zeit hatte Liegestütze um die Muskulatur zu stärken.
Lares begann seine Runden im lockeren Trab, wurde aber schon bald etwas schneller, bis er ein Tempo erreicht hatte, dass er länger laufen konnte, ohne Probleme zu bekommen.
Nach fünf Runden Laufen schnappte sich Lares seinen geliehenen Stab, der hoffentlich bald durch seinen eigenen abgelöst wurde, und zog seine Bahnen, einen Schlag oben, einen unten, immer abwechselnd, dann machte er sich daran, imaginäre Schläge zu parieren, oder ihnen auszuweichen. Schwitzend trainierte Lares einige Zeit. Er spürte, dass er seinen Körper bewusster wahrnahm, als bisher. Er atmete schon etwas ruhiger als sonst und sein Puls raste nicht so sehr. Vielleicht lag es am kühlen Wetter, oder Lares machte tatsächlich schnelle Fortschritte. Er vermutete den ersten Grund, hoffte aber auf den zweiten.
Schließlich entschied er, dass die Technik saß und machte sich jetzt an sein Krafttraining.
Seine Arme waren beinahe schon mit der Belastung überfordert, die Lares mit seinem eigenen Körper in der Liegestützposition erzeugte. Das erste mal ging er Richtung Boden, dann wieder hoch. Schon nach drei oder vier Liegestützen rebellierten seine Muskeln, doch Lares machte weiter, mindestens zehn hallte es in seinem Kopf. Unter heftigsten Anstrengungen schaffte er die zehnte Liegestütze. Nun waren die Bauchmuskeln dran. Lares war zwar schlank, aber nicht muskulös, es wurde Zeit etwas dagegen zu unternehmen. Lares mühte sich ab, während er die Übungen durchführte und nun noch mehr Wasser über seine Poren an die Umgebung abgab. Auch sein Atem wurde nun schneller und unter der Belastung entwich ihm das ein oder andere Stöhnen. Aber das Training dienste schließlich einem guten Zweck. Es würde sich auszahlen, da war Lares sicher und biss sich auf die Zähne.
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Den Kopf an den abgestützten rechten Arm gelehnt betrachtete Neraida missmutig die kleinen Kreise, die sie mit der linken Hand immer wieder in eine Wasserschliere auf dem dreckigen Tisch zeichnete. Vor ihr stand ein schwerer Krug aus dunklem, fleckigen Holz, der bereits vor einigen Minuten geleert worden war. Das Wasser hatte schal geschmeckt.
In dem Schankraum um die junge Frau herum ging es hoch her. Wo die nach ihrer Arbeit bereits früh angetrunkenen Hafenarbeiter in der einen Ecke zwei stämmigen Kerlen beim Armdrücken zujubelten, feuerten sie in der anderen eine Gruppe bärtiger Männer beim Wetttrinken an. Zwischen den dicht an dicht stehenden Gästen drängten sich mit überfüllten Tabletten die Schankmägde an den niedrigen Tischen vorbei. Den Lärm in der Schänke hätte Neraida normalerweise als nicht erträglich empfunden, doch war es ihr heute egal. Sie achtete nicht auf das Geschehen und das Geschehen achtete nicht auf sie.
Bisher hatte noch keiner der Kneipenbesucher versucht, sich an ihren Tisch zu setzen, oder sie in irgendeiner anderen Weise zu stören. Nur das schnelle Wegnehmen eines ihrer Stühle hatte die junge Frau aus ihren Gedanken gerissen. Es hatte seine Vorteile in Vengard die Tracht der Stadtgarde zu tragen, die vor allem in den letzten Monden dafür bekannt geworden war, auch mal zu gesellige Kneipenrunden aufzulösen. Nebenbei wusste Neraida auch, dass eine zwar junge, aber im Gesicht narbenträchtige Frau ziemlich abschreckend wirken konnte. Seit die Waffenmagd in die Schänke gekommen war, hatte sie immerhin kein Gerede über ihre argen Narben mitanhören müssen - ihre Tischnachbarn hielten sich in der Hinsicht zurück - doch spürte Neraida die Blicke, wenn sie mit ihren Gedanken mal wieder zu abschweifen drohte.
Wütend schlug die Soldatin mit der Faust auf den Tisch. Sie war wütend, wütend auf sich selbst!
Anfangs hatte es sie nicht hart getroffen, als Ronsen ihr von seinem neuen Knappen erzählte. Eigentlich hatte sie mit viel schwerwiegenderen Folgen ihrer langen Abwesenheit gerechnet, doch nun begann diese Ablehnung immer mehr an ihr zu nagen. Der Paladin hatte ihr keinen Vorwurf gemacht, doch war es trotzdem eine sehr schmerzhafte Angelegenheit, von einem Streiter Innos` abgelehnt zu werden. Es hatte ein paar Tage gebraucht, bis Neraida ganz verstanden hatte, was dies nun für sie bedeutete: Sie war wieder auf sich allein gestellt. Der ehemalige Admiral und neue Herold war nicht mehr ihr Dienstherr, die Verbindung zur Marine des Königs war gekappt. Von Ulrich und seinen Rebellen hatte die Waffenmagd lange nichts mehr gehört, war lange nicht mehr in Reddock gewesen. Es war nicht gerade unwahrscheinlich, dass die tapferen Männer und Frauen bereits von den Orks entdeckt und beseitigt worden sind. Ein weiterer Paladin, den Neraida enttäuscht hatte. An den Gardeführer Cobryn, der sie eh noch nie gemocht hatte, wollte sie gar nicht erst denken und den momentanen Ausbilder und Hauptmann kannte sie noch nicht einmal. Das einzige was sie wusste war, dass sie Iwein lange nicht mehr gesehen hatte und dieser nicht mehr das Amt ausführte. Es war einfach alles mies!
Mit schmerzenden Gliedern und einem wegen der stickigen Luft brummenden Kopf erhob sich Neraida schließlich von ihrem Hocker und warf ein paar Goldmünzen für das Wasser in den leeren Krug. Sogar ihrem Gold musste sie nun wieder nachtrauern, da sie eine für sie große Menge bei ihrer Rückkehr an den Tempel gespendet hatte. Alles mies...
Nicht gerade das Bild der zuversichtlich in die Zukunft blickenden Waffenmagd verkörpernd trottete Neraida mit hängenden Schultern duch die bereits sehr geleerten Straßen in Richtung der Burg.
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So jetzt schien alles seinen Lauf zu nehmen. Zielen üben brauchte der Glatzkopf nun wirklich nicht mehr. Am heutigen Morgen übte er die ganze Zeit, bis er irgendwann fünfmal hintereinander alle zehn kreuze sicher traf. Es wäre lachhaft gewesen, wenn Rethus anschließend sein Ziel verfehlt hätte. Der Idiot aus dem Hafenviertel stellte sich unfreiwillig als ein leichtes Opfer zur Verfügung. Rethus rammte ihm hart den Knauf gegen den Hinterkopf, sodass der Kerl vornüber fiel. Beute besaß er so gut wie gar nicht. Im Gegenteil, der Gardist ließ dem armen Schlucker sogar das bisschen Geld, das er besaß.
Mit dieser absolut zufrieden stellenden Erkenntnis begab sich der Glatzkopf nun ins Handwerkerviertel. Dass er nun eine absolut reelle Chance gegen einen normalen Bürger hatte, war damit voraus zusehen. Hoffentlich schaute ihm auch Nils zu.
Um diese Uhrzeit nahm die Aktivität auf den Straßen noch einmal zu. Ein geeignetes Opfer zu finden, erklärte sich als ziemlich schwere Aufgabe. Etwas ziellos bewegte sich der Dieb in eine Seitengasse. Dort wurde er auf einen Mann aufmerksam, der langsam in dieselbe Richtung ging. Rethus beschleunigte seine Schritte, doch plötzlich bekam er von vier Personen Gegenverkehr. Wenn das nicht reichte, entschloss sich sein Ziel auf einmal, umzukehren. Sogleich suchte der Gardist ein neues Opfer auf, indem er nach links abbog. Wieder begegneten ihm ein paar Stadtbewohner. Während er an einem Hinterhof vorbei lief, fiel ihm ein Mann in den Augenwinkel. Er suchte irgendetwas in einer Tasche. In einem kurzen Zögern schaute er noch einmal zurück. Dann sprang er über die kleine Mauer neben sich. Nachdem er auf seinen Füßen gelandet war, zückte er den Dolch und näherte sich dem Mann. Viel nachzudenken und ungeübtes Handeln folgte nun nicht mehr. Schnell befand er sich hinter Ziel, bewegte den bewaffneten Arm nach rechts und schlug zu. Der Mann lag direkt vor ihm auf dem Boden. Tja, dann wäre diese Thematik auch erledigt…
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Draußen war es bereits dunkel, denn die Tage wurden kürzer und die Nächte länger. Unaufhaltsam senkte sich die Nacht über die Welt hinab, so wie der Winter sich langsam, aber ebenso beständig heranschlich. Ein eisiges Tuch, das sich über die Welt legte, und sie monatelang im Griff hielt. Der Ritter Selerondars goss dampfendes Wasser, in zwei Tassen und stellte eine davon vor Jaldor ab. Dieser wollte sich das dampfende Wasser direkt an die Lippen setzen, doch Grimward unterbrach ihn mit einer harschen Bewegung.
"Nicht doch... erstens wirst du dich verbrennen, zweitens ist das bloß dampfendes Wasser... warte...", er kramte kurz in seinem Reisegepäck herum, welches er achtlos in die Ecke des Zimmers deponiert hatte und zog schließlich einige Umschläge Kräuter heraus. Diese hatte er aus Varant mitgebracht, wo es unter wohlhabenden Leuten durchaus gebräuchlich war, dieses mit Kräutern versetzte Wasser zu trinken. Es schmeckte herrvoragend.
"Willst du mich vergiften?"
"Ach, mach dich nicht lächerlich, das schmeckt köstlich", brummte der Barbier und zerbröselte etwas von den Kräutern sowohl in Jaldors auch in seinen Becher.
"Lass die Kräuter ein paar Augenblicke ziehen", setzte er hinzu und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Er lehnte sich zurück und genoss einige Augenblicke die Stimme, die den jungen Mann und den Ritter Selerondars einhüllte. Stille. Frieden. Sicherheit. All das gaukelte ihm sein Haus vor. Das Haus, welches er nach der Schlacht um Vengard gekauft hatte. Doch auch hier war er nicht wirklich sicher, nicht wirklich willkommen. Die Garde wusste noch immer nichts vom Verbleib des Abtrünnigen Grimward, kannte ihn nur als Gribold. Es gab keinen Platz an dem er sicher war.
"Schickes Haus hast du", Jaldor sagte das jetzt sicherlich zum dritten Mal. Doch Grimward nahm ihm das nicht übel und wusste, dass der junge Mann nicht heuchelte. Er sah es in seinen leuchtenden blauen Augen. Kein Wunder. Jaldor kam von der Straße. Er hatte fast sein ganzes Leben auf der Straße verbracht. Der junge Mann kam aus Ardea, dem ärmlichen und in den letzten Jahren besonders mit Krieg belasteten Dorf an der Küste, welches sich derzeit mal wieder unter der Kontrolle der Gardisten und Feuermagier befand, soweit der Ritter Selerondars informiert war. Beide Eltern waren schon früh verstorben und so hatte er sich als Straßenkind durchgeschlagen, in einem so kleinen Dorf, wo jeder jeden kannte, eine besondere Belastung. Der junge Mann von der Straße sah im Barbier eine Art Vorbild und Grimward erkannte in Jaldor hin und wieder sich selbst wieder, sich selbst vor einigen Jahren, als er gerade in die Garde eingetreten war vielleicht. Als Jaldor versucht hatte, ihn in Ardea zu bestehlen, hatte der Ritter Selerondars den Straßenjungen nicht verprügelt, sondern ihm etwas zu essen gegeben und sie waren ins Gespräch gekommen. Schnell hatte Grimward erkannt, dass Jaldor anders war, als die gewöhnlichen Straßendiebe, dass er ein Opfer des Schicksals war, so wie er ein Opfer des Schickals war. Irgendwie hatten sie sich nie wieder voneinander getrennt. Jaldor war der erste Gefährte den Grimward aufgelesen hatte und der Einzige, dem der Barbier wirklich vertraute, denn sie waren durch ein gegenseitiges Band der Zuneigung aneinander gebunden Sergal ging es nur darum, jene brennen zu sehen, die nicht Innos dienten. Hakan und Nergal suchten das Abenteuer, wollte Adrenalin, welches durch ihren Körper pumpte und wollten mehr Gold verdienen, als sie jemals ausgeben konnten. Theodrick schließlich folgte ihm, weil er keine andere Wahl hatte, er konnte nirgendwo anders hin, hatte Grimward ihn doch vor dem Tod bewahrt indem er einen beträchtlichen Goldbetrag an die richtigen Leute gezahlt hatte. In seiner Heimat war Theodrick trotzdem ein Geächteter. Nein, keinem seiner Kameraden konnte er vorbehaltlos vertrauen... Jaldor bildete die Ausnahme... deswegen durfte er auch das Haus des Barbiers betreten, während die anderen sich in einer naheliegenden Taverne einquartiert hatten.
"Glaubst du, wir werden diesen Nero bald finden?"
Jaldor schlürfte nun vorsichtig an dem heißen Gebräu, dass Grimward ihm serviert hatte.
"Wir werden ihn finden. Ich werde ihn finden... schmeckt`s?"
"Ungewöhnlich... interessant", erwiderte Jaldor und nahm einen weiteren Schluck, "Und wird es sich auch lohnen... all der Aufwand, nur um einen einzigen Mann zu finden, der kaum älter ist als ich und über den du uns fast nichts erzählt hast?"
"Das zu beurteilen, liegt nicht an mir. Aber ohne ihn werde ich nicht aufbrechen."
"Das hast du auch über diesen Dansard gesagt."
Einen Augenblick legte sich eine eisige Stille in das kleine Zimmer. Grimwards Züge verhärteten sich, sein angedeutetes Lächeln erfror.
"Dansard ist tot. Oder zumindest muss ich davon ausgehen. Nero ist nicht tot", antwortete er schließlich, "Er darf nicht tot sein", murmelte er schließlich, eher an sich selbst gewandt und erneut trat eine kurze Stille ein.
"Erzähl mal etwas von diesem Nero", forderte Jaldor dann.
Ein flüchtiges, echtes Lächeln huschte über Grimwards Züge und die eisige Kälte in seinem Herzen wich, als er zunächst einen grozügigen Schluck Kräuterwasser nahm und dann antwortete:
"Weist du... Manchmal, erinnerst du mich ein wenig an ihn."
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Verdammt, wo trieb er sich denn rum, erst große Töne spucken und nun nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort sein. Überhaupt, was fiel dem Kerl ein, Mitternacht zu sagen und dann nicht zu erscheinen? Fynn hatte schließlich besseres zu tun, als sich hier die Beine in den Bauch zu stehen und zu warten.
Überhaupt, wahrscheinlich war es besser, wenn er dem Kerl einfach sagen würde, dass er sich nicht darauf einlässt, dass die Sache gelaufen war und dass er sich einen anderen dummen Suchen solle. Allein die letzte Begegnung…
Der Einäugige zog seinen Mantel fester zu und seine rechte Hand hielt den Kragen geschlossen, es war kalt geworden und eine Brise wehte von der See heran, die Luft war zwar warm, dennoch pfiff diese Böe eisig durch die Ritzen in dem alten Ding, das sich Mantel schimpfte. Doch lange sollte er dieses Kleidungsstück nicht mehr tragen müssen, er hatte bereits vereinbart, einen bekannten Schneider aufzusuchen, der eigentlich jeden zweiten Abend in Darlas Schuppen verbrachte, einer der wenigen angenehmeren Zeitgenossen, immer schick gekleidet, doch den ganzen Abend über machte er nicht mehr, als an einem Humpen Bier zu nippen und die Frauen zu begutachten. Fynn hatte nie mitbekommen, dass er einmal mit einer aufs Zimmer verschwunden wäre.
Der Mann mit der Augenklappe schüttelte den Kopf. Immer noch ließ dieser Dreckskerl auf sich warten, jetzt fehlte nur noch, dass es hier begann zu reg… er hätte es nicht denken sollen, denn, der geneigte Leser wird wissen, was nun geschehen wird, es ergoss sich ein Schwall von oben über den Kopf des verdächtigen Mannes. Glücklicherweise kein Regen. Oder unglücklicherweise? Was sich dort nun über ihn ergossen hatte konnte der einstige Pirat nur ahnen und seine Stimmung wurde nur noch schlechter. Dafür, dass er hier so gequält wurde, würde jemand leiden müssen. Und er war sich schon sicher, wer derjenige war.
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Sie hatte mit Feradir trainiert, versuchte in ihm ein gesundes Selbstvertrauen zu pflanzen, ohne ihn zur Selbstüberschätzung anzustiften oder hatte lange neben Taeris gesessen. Die beiden Freunde hatten entweder geschwiegen oder gesprochen. Es spielte keine Rolle.
Schlussendlich war die rothaarige Kriegerin aber wieder am Hafen gelandet und schaute in die Ferne, während sie wartete.
Zu wessen Spielball war sie dieses Mal geworden? Fragte sie sich zum tausendsten Mal, als sich plötzlich eine Gestalt neben sie setzte.
„Die Nächte werden wieder kalt.“
Murmelte ein Mann und Redsonja glaubte die Stimme zu erkennen, konnte sie jedoch nicht einordnen. Also nickte sie zustimmend und wartete ab.
„Im Norden liegt bald meterweise Schnee.“
Fuhr der irgendwie vertraute Fremde fort und Redsonja entgegnete:
„Es wäre einfacher gewesen, wenn wir rechtzeitig zurückgekehrt wären, aber ich warte auf etwas.“
„Worauf?“
Die Frage kam direkt und ohne Vorwarnung.
„Auf Antworten.“
Erwiderte die Schwertmeisterin, nachdem sie die Frage irgendwie fassen konnte und suchte unter der Kapuze des Fremden nach seinen Augen, wurde jedoch nicht fündig.
„Einige kann ich dir liefern, doch nicht mehr heute.“
„Natürlich, stattdessen verschwindest du lieber irgendwo und lässt mich hier im Dunkeln sitzen. Dadurch demonstrierst du mir einmal mehr deine Überlegenheit. Verschwende nicht deine Zeit damit, sondern nenne mir lieber einen Preis.“
Flüsterte Redsonja, während sie ihre Sinne anstrengte, um herauszufinden, ob sie beobachtet wurden.
„Preis.“ Meinte der Fremde spöttisch, fast beleidigt. „Den könntest du niemals bezahlen. Aber jetzt muss ich los. Wir treffen uns morgen kurz vor Mitternacht auf der Stadtmauer. Du weisst wo.“
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Es war spät in der Nacht, Radhil schlief, die Priesterin hatte aber noch kein Augenzumachen können. Versucht hatte sie es, nachdem sie sich aber einige Stunden nur im bett hin und her gedreht hatte war sie aufgestanden und hatte auch ihr Zimmer verlassen. Vielleicht würde es helfen, wenn sich Selara etwas die Beine vertreten würde.
Es war eine kalte Nacht, fast schon eisiger Wind wehte ihr um die Ohren, außer ihr und einigen Wachen war auch keiner auf den Gassen Vengards zu sehen.
Der Himmel war Wolkenverdeckt, die Priesterin würde es nicht wundern, wenn es noch anfangen würde zu regnen.
Es brachte ja aber alles nichts, nachdem Selara ihre Runde gedreht hatte ging sie wieder auf ihr Zimmer, Sie wollte wenigstens versuchen noch etwas zu schlafen. Seid ihrem letzten Abenteuer hatte die Priesterin da wirkliche Probleme, wenn sie überhaupt mal schlafen konnte plagten sie Alpträume. Ihr war klar, dass so niemals geschehen würde aber sie hatte es erlebt, das war nun mal Fakt und das Erlebte hatte sie einfach noch nicht verarbeitet, wenn sie das jemals schaffen würde.
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Helmbrecht beobachtete aus zusammengekniffenen Augen die zerlumpte Gestalt, welche sich dem Stadttor näherte. Der große, breitschultrige Waffenknecht stand heute am Haupttor Wache. Helmbrecht war etwa 40 Winter alt, hatte bereits graues und ziemlich schütteres Haar und war nicht dafür bekannt, dass er besonders nachsichtig war. Wenn er ein Tor bewachte, so befragte er die Passanten grundsätzlich nach dem woher und wohin und ohne einen guten Grund oder entsprechende Legitimationen wurde niemand eingelassen. Und er konnte sich beileibe nicht vorstellen, dass diese kümmerliche blasse Gestalt, die sich dem Stadttor nährte über das eine oder das andere verfügte.
Helmbrecht trat dem Neuankömmling mit breiter Brust entgegen. "Wer bist du, Kerl, und was führt dich nach Vengard?"
"Mein Name ist Zurbaran.", antwortete der Fremde. "Ich bin Koch und suche hier nach Arbeit..."
"Koch!", unterbrach ihn Helmbrecht mit schallendem Gelächter. "Wenn du ein Koch bist, dann bin ich ein Paladin. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?"
"Aber es ist wahr.", antwortete Zurbaran kleinlaut. "Ich komme aus Ardea und..." Wiederum ließ der Waffenknecht ihn nicht ausreden. Er machte eine abweisende Handbewegung und sagte streng: "Behaupte von mir aus was du willst. Tatsache ist jedenfalls, dass du mir, so abgerissen wie du rumläufst nicht in die Stadt kommst. Wir haben hier schon genug Abschaum, da brauchen wir nicht noch mehr."
"Aber..."
"Kein Aber!" Helmbrecht drohte mit der Faust. "Verschwinde, Kerl! Sonst kriegst du außerdem noch eine Tracht Prügel."
Gwendor
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Zurbaran versteckte sich etwa 100 Schritt vom Stadttor entfernt hinter einem Stein. Er kochte, aber diesmal keine Suppen oder Fleischgerichte, sondern vor Wut. Was bildete sich dieser Kerl am Stadttor nur ein? Er hatte ihm nicht nur den Zutritt verweigert, sondern ihn noch nicht einmal angehört, als er seinen heruntergekommenen Zustand erklären wollte.
Der Wächter hatte den roten Uniformrock eines Innoslers getragen. Waren die Männer die diesem Gott dienten denn genauso hart zu ihm, wie ihr Oberhaupt selbst? Innos wurde in ganz Myrtana als der gute Gott verehrt. Zurbaran gegenüber hatte er sich noch nicht ein einziges Mal von seiner guten Seite gezeigt. Im Gegenteil, Innos hatte keine Gelegenheit ausgelassen ihm kräftig in den Arsch zu treten.
Zurbaran lachte verbittert. 'Ich sollte mich vielleicht mal an den Gegenspieler des Feuergottes wenden, vielleicht zeigt sich dieser ja umsichtiger mit mir', dachte er bei sich. Noch ahnte der junge Mann nicht, dass in diesem scherzhaften Gedanken sehr viel mehr Wahrheit steckte, als man es im Moment noch für möglich hielt.
Jetzt konzentrierte er sich wieder auf seine gegenwärtige Situation. Er wollte in die Stadt, er musste in die Stadt, egal auf welchem Wege.
Ein Bauer fuhr mit einem Ochsenkarren die Straße entlang auf das Haupttor zu. Auf dem Karren hatte er eine große Fuhre Heu geladen. Er würde Zurabarans Versteck in einem Abstand von wenigen Schritt passieren. Das war seine Chance. Der blasse Koch, wartete, bis das Fahrzeug an seinem Stein vorbeigerumpelt war, dann sprang er hinten auf die Ladefläche und verkroch sich im Heu.
Mit angehaltenem Atem lauschte er, wie der Fahrer mit der Stadtwache sprach. "Hallo Achim!" "Grüß dich Helmbrecht! ich bringe hier im Auftrag des Rittmeisters das Heu für die Pferde der Kavalerie." "Ist in Ordnung, Achim, du kannst passieren. Leg beim Rittmeister ein gutes Wort für mich ein, meine nächste Beförderung ist schon lange überfällig." Der Wagenlenker lachte. "Mach ich, Helmbrecht, mach ich!"
Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung und Zurbaran atmete auf. Sein Plan hatte funktioniert. Kaum war der Bauer mit dem Wagen um die nächste Wegbiegung gefahren, da sprang er von der Ladefläche und lief in die Gassen Vengards. Er konnte es kaum erwarten die Stadt zu erkunden.
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