Klassenfahrt – Geknutscht wird immer
(Pro7-TV-Eigenproduktion)
Erscheinungsjahr : 2004
Genre : Teenie-Komödie
Regie : Lars Montag
Darsteller: Josefine Preuß, Marlon Kittel
Ich empfehle für: Alle
Inhalt: Ich habe es vor Augen:
Verantwortliche(r): „Hier das Drehbuch. Wir nehmen übrigens den Untertitel „Geknutscht wird immer“. Unsere Marketingabteilung meint, dass dies die werberelevanten U16-Zielgruppe anspricht.“
Verantwortlicher reicht dem Regisseur eine halb bedruckte Seite:
Sohn reicher Eltern kommt in neue Klasse, will sich dort beweisen und legt sich mit der sozial benachteiligten Klassensprecherin an. Auf einer Klassenfahrt entbrennt ein Krieg zwischen beiden. Beide bändeln mit anderen Mitschülern an, um sich gegenseitig eifersüchtig zu machen. Am Ende finden sie in einem emotionalen Finale zusammen.
Übrigens: Fäkalhumor nicht vergessen.
Ach ja, und es wäre nett, wenn der reiche Sohn Golf spielen würde. Ein Streber und Außenseiter, eine Schlampe und ein Macho sind natürlich Vorraussetzung.
Kritik:
Es mutet geradezu sensationell an, was daraus geworden ist:
Darsteller: Die Darsteller sind allesamt wahre Lichtblicke für Produktionen dieser Art. Einziges Manko: Hauptdarstellerin (Josefine Preuß) ist zu alt für ihre Rolle. Besonders gut: Die Lehrer. Alle wichtigen Figuren lassen die nötige Ironie zu ihren Rollen nicht missen und spielen trotzdem ernsthaft.
Plot: Aua. Für die Grundzüge des Plots war anscheinend die Person verantwortlich, die den Untertitel „Geknutscht wird immer“ auf die Menschheit losgelassen hat. Der Abschnitt Inhalt sagt alles: Kotz! Viel schlechter, kopierter und uninnovativer geht es nimmer.
Effekte: Stilistisch hervorragend. Sehr guter, atmosphärischer Soundtrack. Regietechnisch fast schon innovativ zu nennen. Gute Kamera. Übertrifft die meisten Kino-B-Movies um Welten. Gerade die Szenen gegen Ende sind visuell bemerkenswert gelungen.
Anspruch: Mir blieb der Mund sperrangelweit offen stehen:
In der Tat unglaublich, dass eine Pro7-Eigenproduktion in Witz, Niveau, Stil, Dialoge, Atmosphäre und Intelligenz ALLE Kinofilme (gut, ich kenne jetzt nicht wirklich viele: American Pie &Co) mit dieser Thematik um Längen schlägt.
Dem Regisseur bzw. dem Team ist dieses müllige Drehbuch in die Hand gedrückt worden, Teenie-Telenovela, diese haben dann aber ausnahmsweise einmal versucht, einen guten Film daraus zu machen, vlt. um einen Karrieresprung o.ä. zu realisieren bzw. sich zu etablieren.
Der Regisseur hat daher z.B. Kubrick zitiert, nach dem Motto: "Vom Meister lernen, heißt siegen lernen." Und dann kann ein Film fast schon nicht mehr schlecht werden... (Siehe "There will be blood" meiner Meinung nach der beste Film des letzten Jahres, (noch) besser als eine gewisse Comicverfilmung.)
Richtig gelesen, es wird u.a. Kubrick zitiert und das auch noch mit Barry Lyndon (Soundtrack, Kamera) und Uhrwerk Orange (Sexszene). Und nicht nur das, auch fast schon „light-kubricksch“ anmutender Zynismus, Stil und Konsequenz sind anzutreffen.
Habe ich schon von den verschiedenen inhaltlichen Ebenen und der Ironie, die der Film besitzt geschwärmt? Die in manchen Momenten nahezu genialen Dialoge nehmen den Standard-Teenie-Trash und dessen Fäkalhumor gehörig auf die Schippe.
Ein Film, der dadurch eine schöne Reise in die Jugend wird zugleich etwas zu sagen hat.
Den Grundplot vernachlässigt der Film glücklicherweise nahezu völlig, er ist eine lästige Pflichtaufgabe, die aber, so gut es eben ging, erledigt wird.
Gesamtwertung: Mit diesem Film ist die Theorie, dass Pro7 versucht mit grausamen Eigenproduktionen die Zuschauer zu versklaven, um die Weltherrschaft zu erlangen, eindrucksvoll widerlegt.
Ich gebe 7/10 nach hartem Kinomaßstab (genauso viel wie ich „Gladiator“ gegeben habe!). Als deutsche TV-Tennie-Komödie gelingt diesem Film das Kunststück, gleich drei eiserne Regeln umzustürzen:
1. Deutsche TV-Produktionen sind bestenfalls schlecht, falls es sich
2. sogar um eine Pro7-Eigenproduktion handeln sollte, immer miserabel, als
3. Tennie-Komödie sowieso auf jeden Fall für alle Ü16 absolut unerträglich.
Hier hat ein ambitionierter Regisseur mit einem tollem Team aus Scheiße Silber gemacht. Ein schöner kleiner Film, der solch einen Charme besitzt, dass man ihm den lächerlichen Plot spielend verzeiht. Wer den Glaube an das Gute im deutschen Free-TV nicht verlieren will, unbedingt anschauen!
Nicht nur eine, sondern mindestens zwei Klassen besser als American Pie.
Einzelwertungen:
Darsteller : 7/10
Plot : 1/10
Effekte : 7/10
Anspruch : 8/10
Gesamtwertung : 7/10
IMDB (Wertung 5.4)
Nächster Ausstrahlungstermin: Fr., 16.01.2009, 10:05, Pro7