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DraconiZ stand unter totaler Anspannung. Auch für ihn war es kein Kinderspiel die Mauer herauf zu klettern, die immerhin so hoch war wie die Khorinische Stadtmauer. Hoffentlich ging alles glatt und Drake und Spike schafften es genug Verwirrung zu stiften. Zu viel hang davon ab. Denn auch wenn die Tyroth ein sehr friedliches Volk waren, dann waren sie sicherlich ganz und gar nicht davon angetan, dass Pseudohelden über ihre Mauern kletterten und versuchten ihren Rat zu Rede zu stellen und das aus so dummen Gründen. Erst als er sich jede kleine Aushöhlung zunutzte machte und unter höchster Konzentration stand wurde dem Schleichlehrer erst bewusst wie wenig sie eigentlich wussten. Sie hatten keinen wirklichen Beweis was sie taten und keinen blassen Schimmer davon, was sie dort drinnen erwarten würde. Aber sie taten es und nicht zuletzt weil Marius ein wahrhaft meisterhafter Redner war.
Mit einer ruckartigen Bewegung schwang sich DraconiZ über die Zinnen der Mauer, machte sich so klein wie er nur konnte und schaute sich um. Das Feuer, welches Drake erschaffen hatte leuchtete immer noch taghell und alle Wachen liefen kreuz und quer durcheinander. Einen kurzen Moment beachtete der Schmied den Palast selbst und dessen Innenhof, aber wandte sich dann sofort wieder davon ab und bewegte sich ohne einen Laut von sich geben weiter auf den Zinnen. Es wäre unerträglich gewesen zu erfahren, was für ein wunderbares Gebäude er hier entweihte. Der Schwarzhaarige hatte sich in seinem ganzen Leben noch nicht so mies gefühlt und doch tat er das, was man von ihm erwartete. Sollte wirklich der Rat dahinter stecken würde er Rache nehmen. Daher was das einzige was ihm übrig blieb das Gespräch mit den Darath. Mit einer flüssigen Bewegung sprang der Schleichlehrer im nächsten Moment in den Innenhof und rollte sich unten nahe der Mauer ab um den brutalen Sturz zu dämpfen. Einen Moment lauschte der Gardist, ob Jemand seinen Sturz gehört hatte, aber scheinbar waren alle so beschäftigt mit dem Feuer über dem Himmel, dass er sich unbemerkt weiter bewegen konnte. Wahrscheinlich dachten sie, dass die Untoten nun auch über Drachen oder ähnliches verfügten.
Schnell war der Ritter in einer ausreichend großen Aushöhlung in der Mauer verschwunden, die völlig im Dunkeln lag, als eine kleine Gruppe von Soldaten in seine Nähe kam. Diese aber bemerkte ihn nicht und rannte ungestüm weiter. ,, Verdammt Spike setz hier irgendwas in Flammen, damit ich mich bewegen kann“, dachte der Schmied bitter. Es war nicht mehr weit bis zum Tor hin, doch dort standen ein gutes Dutzend Soldaten, die Stellung davor aufgenommen hatten. Wahrscheinlich dachten sie, dass ein Angriff gestartet wurde, was ja auch in gewisser Weise stimmte. Nur wussten sie nicht, dass der Feind schon längst in ihren Mauern war und nur darauf wartete loszuschlagen. DraconiZ spannte sich und beobachtete, so gut er konnte, die noch jungen Soldaten. Er konnte klar die Angst in ihren Gesichtern lesen. Sie hatten noch nicht so viel Erfahrung im Kampf wie jeder einzelne Waffenknecht in Khorinis. Würden die Untoten hier tatsächlich einfallen würde es verdammt schlecht für sie aussehen. Doch darum konnte der Schwarzhaarige sich jetzt nicht scheren. Wenn der Rat die Quelle war, dann würden sie nach dem heutigen Abend gar nichts mehr fürchten müssen. Zumindest fand DraconiZ in diesem Moment gefallen an dieser Vorstellung.
Nach einer Ewigkeit, wie es schien, wurde ein Karren mit Stroh, mitten im Innenhof des Palastes in Flammen gesetzt und der Schleichlehrer meinte für einen Augenblick Spike gesehen zu haben, doch dieser verstand es ebenfalls meisterlich aufzutauchen und im nächsten Moment unsichtbar zu werden. Durch dieses Ablenkungsmanöver kam nun die Chance des Ritters das Tor zu öffnen. Die Soldaten rannten wie wild direkt zur anderen Seite des Innenhofes, wobei nur zwei Soldaten am Tor blieben. Als DraconiZ sicher war, dass sie weit genug entfernt waren, wandte er sich so leise wie möglich aus seinem Versteck und näherte sich der ersten Wache, was auch recht leicht möglich war, so dunkel wie es in diesem Bereich war und so abgelenkt wie die Wache selbst war. Als der Schmied hinter der Wache war packte er blitzschnell den Kopf jener und stieß diesen gegen die Wand, so dass die Wache sofort zu Boden schlug. Er hasste es Menschen unnötig zu töten und so hatte er sich noch in seinem Versteck geschworen, keinen Soldaten zu töten, wenn es nicht anders ging. Als die andere Wache reagieren wollte war es ebenfalls viel zu spät. Mit einem Tritt gegen den Kopf war auch sie fürs erste außer Gefecht gesetzt. Heißer Schweiß lief das Gesicht des Gardisten herunter. Was sollte er nun tun? Einfach das Tor aufmachen? Hinter ihm wurde irgendetwas Weiteres in Brand gesetzt. Der Ritter tat einfach das, was Marius gewollt hatte. Mit wenigen Handbewegungen war das Schloss zur Türe entfernt und mit einem Ruck schwang die große Tür auf. Sofort kamen die Kameraden des Schleichlehrers hinein. Allen voran Marius. ,, Folgt mir“, zischte er der Gruppe einfach zu und trat eine Türe nahe des Tores ein. Die Wachen vor dem Tor waren wohl alle von den Streitern erledigt worden. Es dauerte auch nicht lange bis Spike zu ihnen aufgeschlossen hatte und alle in dem Gang, in den Marius zuvor gelaufen war verschwunden waren.
Wenig später rannten sie wie Wahnsinnige durch die Gänge des Palastes, wobei wahrscheinlich nur Marius selbst wusste, wo sie genau hinmussten. Die Wachen, die ihnen zwischendurch begegneten hatten kaum eine Chance zu bestehen. Die Geübtheit und die Wucht der Angriffe durch die Streiter waren so heftig, dass die einzelnen Tyroth kein Moment zum Überlegen blieb. Wenn sie nicht sofort reagierten waren sie schneller bewusstlos als ein Feuermagier an Innos denken konnte. Schneller und schneller wurde ihr Trab durch die verschiedenen Gänge, die normalerweise so schön waren, dass man sie hätte stundenlang betrachten können. Ihnen blieb kein Augenblick übrig auch nur das größte Detail an einem der zahllosen Wandteppiche oder Bilder zu beobachten. Marius wurde schneller und schneller und das wahrscheinlich, weil er wusste, was sie erwarten würde, wenn sie auf größeren Widerstand als auf vereinzelte Wachposten stoßen würden. Schon wenig später standen sie an einer Weggabelung, wo Marius kurz inne hielt. ,, Sagt nicht ihr wisst nicht wo wir hinmüssen Marius!“, schrie DraconiZ den zwielichtigen Mann an, dem er gegen alle seine Prinzipien folgte. ,, Bleibt ruhig, wir müssen hier links“, erwiderte ihr Wegweiser schnell und rannte, vielleicht auch im einem weiteren Kommentar zu entgehen weiter durch den Gang. Die anderen seufzten laut auf und folgten diesem.
Nach einer weiteren Weile des Marschierens kamen sie an eine verdammt verzierte Tür, die zu einem sehr großen Raum zu führen schien. Doch das Problem war nicht die große Türe, sondern die sechs Soldaten die davor standen und keineswegs so unerfahren aussahen, wie die gewöhnlichen Wachen. ,, Ihr seid verdammt dumm hierher zu kommen. Das ist eure letzte Chance ergebt euch oder..“. Doch weiter kam der Veteran nicht, denn die Gardisten kannten keine Gnade. Blitzschnell ergriffen Wenda, Tomarus, Uncle und DraconiZ ihre Schwerter und stürzten sich ins Getümmel. Spike und Drake machten sich hingegen daran weitere Soldaten mit einer Flammenwand davon abzuhalten zu ihren Kameraden zu stoßen. Wie ein Verrückter schlug der Schmied auf seinen Gegner ein, bis der zu Boden ging und der Ritter diesem mit einem Schlag gegen das Gesicht ausschaltete. Wenig später lagen auch die anderen Wachen bewusstlos am Boden und das Tor zum Thronsaal der Darath wurde aufgestoßen. DraconiZ war froh, dass keiner der Soldaten getötet worden war, sondern nur bewusstlos war und so schnell nicht mehr aufwachen würde.
Der Saal war von mehreren hellen Flammen taghell erleuchtet und als die Gruppe eintrat wandten sich ihnen drei Gesichter zu. Jeder Darath schien von einem anderen Alter und von einer anderen Gesinnung zu sein, soweit der Schmied dies aus den Gesichtern lesen konnte. Sie waren allesamt in kostbarste Magiergewänder gehüllt, die in allen Farben schimmerten. Alle drei saßen auf einem separaten Thron, die am Ende des Raumes aufgestellt waren. Der restliche Raum war mit Bilden, Alchemietischen, Wandteppichen und vielen anderen magischen Instrumenten übersät womit wahrscheinlich nicht mal Drake und Spike wirklich etwas anfangen konnte. Doch das erstaunlichste an diesem Raum war ein riesiger Rot strahlender Kristall an der rechten Seite des Raumes, wo Spike, Drake und Marius die ganze Zeit hinstarrten. Die Kämpfer wurden jedoch von den Darath und deren Blicken angezogen und eingefangen. ,, Dumm seit ihr“. ,, Kühn seit ihr“. ,, Töricht seit ihr“. Nacheinander hatte jeder der Magier seine Meinung zu dem Auftritt abgegeben. Erst ein sehr alter in Rot gekleideter, dann ein Mann mittleren Alters in blau gekleidet und dann ein in schwarz gekleideter noch recht junger Mann. Alle drei Stimmen waren schneidend und flossen durch Mark und Bein der Soldaten. Es kam ihnen fast vor als würden sie tausendfach in deren Köpfen widerhallen. Dennoch löste Uncle sich von der Gruppe und erhob seinen Finger gegen die Magier. ,, Ihr seit es die Tod und Verwüstung unter der Bevölkerung säen, durch eure schwarzen Versuche, die durch alle diese Instrumente bewiesen werden“. Alle Magier sahen den Paladin verachtend an. ,, Er glaubt doch nicht, dass wir uns auf solch eine Unterredung einlassen“, fauchte der Älteste. ,, Verschwinde und danke deinem Gott, wenn wir dich am Leben lassen“, meinte der in schwarz gekleidete Magier abfällig. Doch der Magier, der in der Mitte saß, sah Uncle verständnisvoll an. ,, Lasst ihn reden. Was treibt dich zu der Annahme?“. Doch es war nicht Uncle der nun sprach, sondern DraconiZ stellte sich neben den Lord. ,, Ein Kamerad von uns wurde vom Bösen befallen und das hier in der Stadt und nicht draußen!“, der Ton des Ritters war geradezu unverschämt, doch er kündete nur von der Anspannung, unter der er stand und den Strapazen, die sie durchlebt hatten. ,, Was interessiert uns das? Wir haben wichtigere Belange“, meinte der in Rot gekleidete verächtlich, während der schwarz gekleidete nur seine Augen böse aufblitzen lies. Wieder war es der Mann mittleren Alters, der eine vernünftige Antwort gab: ,, Hört mir zu. Ich weiß nicht wer ihr seid und was geschehen ist. Aber es ist unmöglich, dass in der Stadt etwas solches passiert ist. Diese Stadt ist magisch geschützt“. ,, LÜGNER“, schrie Marius aus der hintersten Reihe. ,, Lasst euch von diesen Heuchlern nicht täuschen. Sie sind das Böse, was dort draußen lauert“. In diesem Moment erhob sich der in Rot gekleidete von seinem Thron. ,, Marius. Ich wusste, dass ich dich wieder sehen würde. Dann sind dies also deine Handlanger“. Im nächsten Moment erhob sich auch der in Schwarz gekleidete. Doch er sagte nichts, sondern streckte seine Hand aus. Schon im nächsten Moment zuckte ein Blitz auf Marius zu, der dessen Kopf nur um Haaresbreite verfehlte. Der Magier in der Mitte hingegen tat rein gar nichts außer den Kopf zu schütteln. ,, Es tut mir leid, aber indem ihr Marius hierher gebracht habt, habt ihr jegliches Gesuch auf Gnade verwirkt“, die Stimme des in blau gekleideten Magiers war nun von einer unnatürlichen Kälte durchsetzt. Im nächsten Augenblick sprang die Tür zum Thronsaal und wie auf Kommando stürmten zwei dutzend Soldaten in den Raum herein. Blitzschnell zogen die Gardisten ihre Schwerter, obwohl sie von diesem Moment an wussten, dass dies nichts helfen würde, während Drake und Spike sich ein erbittertes Gefecht mit dem in schwarz gekleideten Darath lieferten. Die anderen beiden Magier sahen nur zu, wie sich die Situation entwickelte. Anscheinend trauten sie ihrem Kollegen so viel zu, dass er alleine mit den Magiern fertig wurde.
DraconiZ kämpfte mit dem Willen der Verlorenen. Sollte das hier so enden? Enden für etwas, woran er nie geglaubt hatte? Er war nicht schlau aus diesen Darath geworden. Sie kannten Marius und Marius kannte sie. Was hatten sie gemeint was war hier los? Der Schmied bekam keine Gelegenheit darüber nachzudenken. Zu viele Soldaten drängten sie in den Raum heraus. Immer und immer wieder prallten die Waffen der Kämpfenden aufeinander und Zauber wurde durch die Halle geschleudert, wobei der kämpfende Darath in der ganzen Zeit mit der rechten Hand Angriffszauber austeilte und mit der linken Hand Defensive Zauber anwendete und dabei nicht einmal seinen Aufenthaltsort veränderte. Er musste ein wahrhaft mächtiger Zauberer sein. Alle Gardisten stöhnten, da der Kampfeslärm und die Anstrengungen immer unerträglicher wurden. Sie würden nicht mehr lange durchhalten können. Auch wenn die Angreifer ungeübt und nicht gut ausgebildet waren. Die Moral der Streiter Innos war am Boden und sie wollten unter keinen Umständen Unschuldige töten. Hinzu kam die Übermacht der Tyroth. Sie würden kämpfen solange sie konnten und sich dann dem Gericht der Darath hingeben. Etwas anderes hatten sie auch nicht verdient nach der Ansicht des Schmiedes.
Doch dann schien die Erde zu beben und mit einer riesigen Druckwelle wurden viele Wachen durch die Luft geschleudert und kamen hart auf dem Boden auf. Da DraconiZ Gegner ebenfalls hinweggeschleudert worden war, konnte er sehen, was sich nun am rechten Rand des Raumes abspielte. Die Zeit schien still zu stehen. Marius stand mit der erhobenen rechten Hand dort. Sein Gesicht hatte sich zu einer hässlichen Fratze verändert. Dort war nichts menschliches mehr. Nichts Freundliches. Aller Schein, der ihn zuvor umgeben hatte war verflossen und alle im Raum bekamen nun mit, was er wirklich war. Mit einer weiteren Handbewegung gab es eine riesige Stichflamme direkt in der Nähe der Darath, welche aber nicht an sie dringen konnte, da der in rot gekleidete Magier einen Schild heraufbeschwor, der sie schützte. Mit einer weiteren Bewegung der Hand lies Marius den wunderschönen roten Kristall zersplittern und lies eine Flasche aus seinem inneren in seine linke Hand gleiten. Voller Zorn schmetterte der schwarze Darath die beiden Feuermagier weg und er und auch der in rot gekleidete schickten tödliche Zauber auf Marius. Doch dieser grinste nur und verschwand in schwarzem Nebel von diesem Ort. ,, Verdammt wir Narren! Wir hätten wissen müssen, dass seine Macht nicht für immer gefesselt sein konnte“, meinte der Älteste zu seinen beiden Kameraden. Während der in blau gekleidete nur stumm den Kopf schüttelte und zu Boden blickte schaute der Schwarze bestialisch drein. Mit zwei Handbewegungen schmetterte er alle Diener Innos zu Boden, wogegen diese nichts machen konnten. Seine magische Macht war einfach zu groß. ,, Nehmt sie fest und werft sie in den Kerker“, befahl der Blaue daraufhin. ,, Und sorgt dafür, dass sie gut gefesselt werden und nicht wieder freikommen“, ergänzte der Rote böse. Das letzte was der Schmied spürte war ein Schlag gegen die Schläfe und starke Hände die ihn packten und wegtrugen.
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Langsam schoben sich die Augenlider zurück. Mattes Licht drang an Medins Augen. Ein langer, traumloser Schlaf lag hinter ihm. Wirklich traumlos? Er spürte, dass etwas in ihm gekämpft hatte. Es war, als habe eine ganze Schlacht in ihm getobt. Der Schlaf hatte sich seltsam angefühlt, wie der Tod selbst. Die Gedanken überschlugen sich, als die Erinnerung zurückkehren wollte, doch sie schaffte es nicht. Er war aus einem Albtraum hoch geschreckt, hatte ein bisschen Wein getrunken und dann wieder zu Bett gegangen. Doch er lag nicht mehr in seinem Bett. Was war vorgefallen? Eine Blockade herrschte in seinem Kopf.
Erst jetzt blickte sich der Streiter im Zimmer um. Es stand noch ein weiteres Bett darin; sonst war es eher spärlich und dennoch bequem eingerichtet. An einem Tisch in der Nähe saß noch eine Person. Medin erkannte in ihr sofort die Magierin Ed, die dort in ein Buch vertieft abwartete. Meistens ist es nicht gut, wenn man eine Gedächtnislücke hat und der erste Mensch, den man nach dem Erwachen erblickt, ist ein Heiler, dachte der Ritter sofort. In diesem Fall war es zwar eine Heilerin, aber dennoch sollte er Recht behalten.
Die Medica bemerkte, dass der Patient aufgewacht war und rutschte mit dem Stuhl ein wenig näher, das Buch zuvor auf einer Art Sekretär ablegend.
„Wie geht es dir?“ Während dieser Frage drückten ihre Augen ein gewisses Interesse aus, als wüsste sie wirklich nicht genau, wie es Medin gehen würde. Für einen Moment musste Medin selber in sich hineinhorchen. Er spürte so gut wie jeden Muskel seines Körpers, unverletzt und ausgeruht. Dennoch schrak er innerlich zusammen. Seinem Geist ging es gar nicht gut. Der Kopf fühlte sich an, als hätte wäre er durch das Abflussrohr einer Dachrinne gesogen worden. Der Körper war gesund und stark, der Geist jedoch schwächelte.
„Ganz gut“, log er, „ich fühle nur eine merkwürdige Leere in mir“, fügte er der Vollständigkeit halber hinzu. Medin behagte es überhaupt nicht. Auch nicht, als die Heilerin wissend nickte.
„Was ist bloß geschehen? Ich kann mich an nichts mehr erinnern.“ Ed hatte wohl die Möglichkeit ihn mit einer einfach gestrickten Geschichte abzufertigen, doch entschied sie sich wohl für die Wahrheit. Sie erzählte Medin alles. Von seinem Angriff auf Draconiz, dem erbitterten Kampf, den Verletzungen, der Infektion, dem Asthma und einem dämonischen Bewusstsein, das sich des Schmiedes Körpers bemächtigt hatte. Gleich im Anschluss jedoch versicherte sie ihm, dass der Spuk nun vorbei sei.
Der Südländer lauschte ungläubig den Ausführungen. Als Ed geendet hatte, war es so, als brächen sieben Siegel im Kopf des Kriegers. Die Erinnerung an das Geschehene, der Kampf, das Blut, die Höllenstimme in seinem Kopf, alles war wie real vor seinem geistigen Auge. Die Reaktion darauf war weder bestürzt noch wuterfüllt. Es war einfach unmöglich von einem auf den anderen Moment zu realisieren, dass man für eine bestimmte Zeit zu dem geworden war, das man geschworen hatte zu bekämpfen, einen Freund und Waffenbruder beinahe getötet hätte und wer-weiß-was für ein Unheil angerichtet hätte. Er blickte einfach nur stumm vor sich hin.
Stille herrschte in dem Raum. Die erste Keule war hernieder gefahren und Medin verdaute gerade die Auswirkungen. Doch der zweite Hammer schwebte schon wie das Damoklesschwert über ihm, vor dem es kein Entrinnen gab. Von der Straße signalisierte das Scheppern von Rüstungen, dass gerade ein Trupp Soldaten im Laufschritt vorbei eilte. Überhaupt war es ungewöhnlich laut für diese Uhrzeit. Ed blickte nicht aus dem Fenster. Sie schien zu wissen, um was es ging. Und wieder berichtete die junge Magierin dem Rüstungsschmied. Sie berichtete von Marius, den Darath, dem Palast, dem Einbruch, dem Eifer und ihren Zweifeln. Dieser Bericht war um einiges länger und nicht weniger kurios und bestürzend als der erste. Als die Heilkundige geendet hatte, eröffnete ein banaler Gedanke das Feuerwerk in Medins Kopf. Wie konnte man nur so viel Unglaubliches in so kurzer Zeit verschlafen? Wieder überschlugen sich die Gedanken und wanderten zu dem Lärm auf der Straße und wieder zurück zu den Worten Eds. Alles war so töricht sinnlos und dennoch geschah es.
Der Ritter raufte sich das Haar und ließ den Kopf zurück ins Kissen sinken. In diesem Moment waren seine Kameraden also im Palast der Darath, machten sich schwerer Verbrechen schuldig für die Motive eines Lügners und Intriganten. Medin hatte wirklich nicht viel von dem Tag mitbekommen und doch war dieser kurze Abschnitt so richtig mies verlaufen. Wie hatte es dazu kommen können? Wo würde es enden?
„Wir müssen etwas unternehmen.“ Es war Ed, die die nachdenkliche Stille durchbrochen hatte. Medin blickte zu ihr und nickte. Die Auserwählte Innos’ hatte vollkommen Recht. Nur was sollten sie unternehmen? Viel Auswahl hatten sie ja nicht. Ihr einziger Anhaltspunkt waren die Gefährten und Marius, welche den Palast gerade auf den Kopf stellten.
„Wir müssen den anderen zu Hilfe kommen; ihnen da raus helfen, bevor sie zu tief drin stecken.“ Der Südländer fürchtete aber, dass es zu schon zu spät war. „Unsere Freunde haben genau vier Möglichkeiten. Entweder, und das ist die angenehmste von allen dreien, Marius hat Recht und das Unternehmen gelingt, sie besiegen die Darath und bringen diesem Land die Erlösung. Dann werden sie aber trotzdem von der Menge in einer Kurzschlussreaktion nieder gemacht, da diese nach wie vor hinter den Darath steht. Wenigstens hätten sie dann alles nötige getan und sind für eine gute Sache gestorben.“ Zynische Bemerkungen waren nicht die Art des Schmiedes, weshalb auch diese eher durch Zufall den Weg zwischen seinen Lippen hindurch fand. „Oder aber Marius hat Recht und die Aktion scheitert. Dieses Land geht dann weiter dem Untergang entgegen und unsere Kameraden enden als Verbrecher am Galgen.“ Oder schlimmeren… „Wahrscheinlich aber lügt dieser Marius und sie laufen im Palast in eine Falle. Wenigstens die Stadt bleibt dann vor dem Untergang für ein paar Jahre mehr verschont.“ Eine Pause entstand, als Medin die resultierende Option für seine Kameraden unausgesprochen im Raum stehen ließ. „Was aber, wenn Marius lügt und der Plan trotzdem zu seiner Zufriedenheit aufgeht? Dann rennen unsere Gefährten in diesem Augenblick in ihr Verderben und versetzen zusätzlich Tyrien den Todesstoß, denn was immer sie dort drinnen tun werden, es ist nicht gut.“ Wieder hielt der Streiter inne. Die Aufzählung der Möglichkeiten hatte er für Ed wie für sich selbst gleichermaßen vorgenommen. Nach den ganzen Informationen, die auf ihn eingestürmt waren, lag ihm viel daran, dass die Möglichkeiten offen lagen. Verflucht, was hat sie nur dazu bewegt sich darauf einzulassen? Der Gedanke, dass er vielleicht selbst so gehandelt hätte, kam ihm nicht. „Egal was in dem Palast geschieht und egal was für ein verlogener Hund dieser Marius ist oder nicht, uns betrifft es ebenso. Das Beste an dem ganzen ist: Wir haben keine Wahl.“ Mit diesen Worten schloss er den Sturm von Hypothesen ab. Es war Zeit zum Handeln.
„Wir sollten zum Palast und herausfinden, was genau geschehen ist, um uns ein Bild von der Situation zu machen“, schlug Ed vor. „Allerdings werden uns die Tyroth sicher nicht mit offenen Armen empfangen. Nach allem dürften sie ziemlich sauer sein“, fügte sie hinzu.
„Wir sollten Vorsicht walten lassen“, stimmte Medin ihr zu. Hätten Draco und die anderen bloß auch daran gedacht.
Vom Tatendrang gepackt erhob sich der vom Krankenbett. Sofort spürte er die innere Schwäche in sich, doch zwang er seinen Körper sie zu ignorieren. Die Medica schien erst protestieren zu wollen, verzichtete dann aber doch auf den Einwurf. Sie hätte Medin ohnehin nicht von seinem Vorhaben abbringen können, das wusste sie wohl ebenso gut wie er selbst.
Rasch zog der Ordensstreiter erst das Kettenhemd und dann die tyrische Tunika über das Stoffhemd, welches er die ganze Zeit getragen hatte. Schließlich folgten Umhang und Zweihänder auf den Rücken. Die Stahlhandschuhe schnallte er erst einmal am Gürtel fest. Er strahlte ohnehin schon genug von dem Eindruck aus, dass er in eine Schlacht zog.
Ein letzter Blick aus dem Fenster. Die Straße war inzwischen leer. Alles war wohl zu dem Feuerschein geströmt, der aus Richtung Palast kam. Dort war es jetzt wohl am gefährlichsten innerhalb der Stadtmauer. Genau dort wollten sie hin.
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Drake blickte zum Himmel, noch immer war kein einziges Zeichen von Spikes Zauber zu sehen. So langsam wurde es Zeit, doch Drakes Aufmerksamkeit wurde nun von etwas anderem angezogen. Drake sah den Mond am Himmel hängen, und er kam einfach nicht umhin ihn zu bewundern. Er war noch weit davon entfernt eine ganze Scheibe zu Bilden, doch immerhin war er schon zur Hälfte ausgefüllt. Es war eine klare Nacht, daher konnte Drake die Flecken sehen die auf dem Mond zu kleben schienen. Langsam schien Drake zu verstehen warum sein Freund Arxas sich so gerne mit den Sternen beschäftigte. Ohne es zu merken schweiften seine Gedanken ab, und er dachte daran was gerade in Khoris vor sich ging.
Doch plötzlich wurden er wieder auf das hier und jetzt gelenkt, ein Heukarren explodierte in viele brennende Einzelstücke, das musste Spikes Werk sein, und kurze Zeit später öffnete sich auch schon das Tor zum Palast. Marius war der erste der hervor stürmte, und schließlich folgten die anderen und schalteten nach der Reihe die Wachen aus. Schließlich folgten sie dem alten Mann nach, und Marius zeigte ihnen zielsicher den Weg. Lange brauchten sie nicht, und schon bald standen sie vor einer prächtigen Tür die wie erwartet von Wachen bewacht wurde.
Nachdem dieses Hindernis ausgeschaltet war traten die Gefährten endlich in den großen Saal der Magier ein. Drake ließ seinen Blick schweifen und er vermochte wahrlich nicht sämtliche Gerätschaften der Magier zu erkennen. Die Magier selbst schienen sich wohl aus einem Rat der drei Götter zusammen setzen. Drake erkannte einen Mann in einer roten, einen in einer blauen, und einen in einer schwarzen Robe. Drake vermutete dass dies die Götter Innos, Adanos und Beliar symbolisierte, doch er hatte nicht die Zeit seine These weiter zu verfolgen denn die Stimmen seiner Gefährten hohlten ihn wieder in die bittere Realität zurück. Draco brachte die gesamten Anschuldigungen hervor, und wie zu erwarten mischte sich auch Uncle ein. Doch es half nichts, der Rat schien keine Einsicht zu haben. Und so langsam vermutet Drake auch, dass sie einen riesen Fehler gemacht hatte. Als sie in den Raum gekommen waren, war ihm als erstes das seltsame Gefäß aufgefallen, welches in der Mitte stand. Es strahlte eine immense magische Kraft aus, und auch Spike schien dies zu merken. Denn die beiden Magier tauschten einen schnellen Blick. Schließlich eskalierte die Situation als mindestens 2 Dutzend Soldaten in den Raum gestürzt kamen, und der Magier mit der Schwarzen Robe zum Angriff überging.
Drake hatte nun keine Zeit mehr viel zu denken, er musste sich mit all seiner Kraft vor den Angriffen des Magiers schützen. Ständig wich Drake irgendeinem Zauber aus, und immer wieder gelang es ihm nur knapp dem Tod zu entkommen. Spike gelang dies weitaus besser als Drake, daher war er auch der erste der einen Angriff führte. Der Zauber brachte ihren Gegner aus der Fassung, und Drake hatte genug Zeit um seinerseits einen Feuerball abzuschießen. Doch das Geschoss fand sein Ziel nicht, denn bevor es einschlagen konnte, hatte der Magier schon eine Barierre um sich errichtet. Nun konnt er selbst wieder zum Angriff übergehen. Das Spiel begann von neuem, mit dem Unterschied dass Drake immer mehr an Kraft verlor, und auch Spike schien bald am Ende seiner Kräfte zu sein. Eine unerwartete, wenn auch nicht glückliche, Wendung brachte schließlich alles anders.
Eine Druckwelle riss Drake von den Beinen, und auch die Magier des Rates schienen darauf nicht vorbereitet gewesen zu sein. Nun war der einzige der sich noch auf den Beinen hielt, Marius, Drake konnte es nicht glauben. Der Mann dem sie alle ihr vertrauen geschenkt hatten, ausgerechnet er war ein Dämon. Mit einer Geste ließ er das Kristallglas zerspringen und etwas flog in seine Hand, und auch wenn Drake nicht wusste was es war, so war er sich doch ziemlich sicher dass dies nichts gutes verheisen konnte. Der Rat schrie auf, alle versuchten sie den Dämon auszuhalten, doch alle Anstrengung schien vergebens, Marius verschwand in einer schwarzen Rauchwolke, und ließ eine Gruppe, ziemlich dumm aus der Wäsche schauender, Anhänger Innos zurück.
Drake wusste zwar nicht wie er von dem Tronsaal hier in diesen Kerker gekommen war, doch es war nicht besonder schwer sich dies zu erklären. Nun saßen sie alle hier unten im tiefsten Verlies, und keiner schien dem anderen in die Augen sehen zu wollen. Natürlich konnte man keinem Vorwürfe machen, es war eine gemeinsame Entscheidung gewesen, und so mussten sie auch alle die Konsequenzen tragen. Doch Drake hätte von Anfang an auf sein Gefühl hören sollen, er war gewarnt geworden, vielleicht sogar von Innos, doch das schien nun ohne Bedeutung zu sein. Trauer übermannte Drake, nun war alles für ihn verloren, er würde hier schnell sterben oder langsam zugrunde gehen. Doch er durfte sich selbst nicht aufgeben, er war doch auch schon aus schlimmeren Situationen heil heraus gekommen. Er musste die anderen aufmuntern, es schien jedoch niemand an einem Gespräch interessiert zu sein.
Also fing Drake einfach an zu singen. Es war ein Lied das Drake oft in seiner Anfangszeit in Khorinis gehört hatte, meistens wurde es in den Tavernen zum besten gegeben. Drake war kein sehr guter Sänger, aber seine klare tiefe Stimme füllte die gesamte Zelle aus, und alle Blickten zu ihm.
Der Magier besang die Schönheit Khorinis, er formte in ihren Geistern ein Bild von der Insel, einige seiner Zuhörer hatten die Augen geschlossen, als ob sie ihre Heimat wahrlich vor sich sehen konnten. Doch niemandem schien dieses Lied bekannt zu sein, außer Uncle. Er hatte schon vor einigen Tagen ein Lied angestimmt, doch diesmal stimmte er bei Drake mit ein. Gemeinsam sangen sie von Innos, und seiner Geschichte, sie besangen den Mut seiner Anhänger, und trugen das Feuer ihres Gottes zurück in die Herzen ihrer Gefährten. Die beiden ergänzten sich wunderbar und gewöhnte sich auch schnell aneinander, schon bald wechselten sie sich ab, und sangen jeweils verschiedene Parte der Lieder. Drake fühlte sich an die großen Schauspielhäuser in Myrtana erinnert, wo er als Kind einmal gewesen war. Dort gaben sämtliche Barden von ganz Myrthana ihr Lieder zum besten. Natürlich waren Uncle und Drake weit davon entfernt, sich mit den besten messen zu können, wobei Uncle noch um einiges besser war als Drake, aber nichtsdestotrotz schien es den anderen zu gefallen.
Und als die beiden geendet hatten brauste kein Applaus auf, aber dafür schien jeder neue Hoffnung gefasst zu haben. Und das war Drake mehr Wert als jeder Applaus der Welt.
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Zusammen saß man nun schon seit Stunden in dem Kerker der Darath fest. Zu Recht, denn sie hatten sich von Marius täuschen lassen und dem Bösen damit unfreiwillig gedient. Zu Unrecht, weil die Darath mit ihrer Arroganz letztendlich auch eine Teilschuld an allem hatten. Hätten ihre Wachen Uncle nicht den Einlass auf so unverschämte Weise verwehrt, so wäre er wohl nie darauf gekommen ernsthaft an ihren Absichten zu zweifeln.
Zwischendurch hatte ein Lied, das von Drake angestimmt und später von Uncle begleitet wurde, die Hoffnung zurück in die Herzen der Gefangenen gebracht. Nach allem was passiert war, hatte dies wie Balsam auf einer Wunde gewirkt und allen eine friedliche Ruhe geschenkt, die vermutlich nicht mehr lange währen konnte, denn Marius hatte gesiegt und der Untergang Tyriens schien nun besiegelt.
Uncle seufzte verzweifelt und versuchte sich soweit in den Fesseln zu bewegen, dass endlich wieder Blut bis an alle Stellen seines abgeschnürten Körpers kam. >>Würden sie uns doch wenigstens mit unseren Waffen gegen die Dämonen kämpfen lassen. Dann könnten wir unsere Schuld begleichen und wie Ritter in Innos Reich einkehren. Statt dessen werfen sie uns in einen Kerker wo wir auf den Tod warten sollen.<<
Er hatte seine Verachtung für die Darath trotz allem nicht verloren. Sie waren unmenschlich, arrogant und in ihrer ganzen Art noch selbstherrlicher, als er erwartet hatte. Lediglich einer von ihnen schien vernünftig zu sein, doch war er ein Schwächling und ließ sich von seinen Gesellen unterbuttern als hätte er keine Stimme im Rat der Drei.
Es blieb bei der ruhigen und betrübten Stimmung im Kerker. Letztendlich konnte man doch nur darauf warten, dass irgendetwas passieren würde. Zumindest sah Uncle, dessen Fessel fest genug waren, um ihn im Zaum zu halten, keine andere Möglichkeit und weiter murren wollte er vorerst auch nicht.
Dafür beschloss er nach allem was geschehen war endlich einmal wieder ein wenig Schlaf zu genießen. So würde er wenigstens mit vollem Bewusstsein dem Tod ins Gesicht lachen, sollte dieser sich bis zum Palast vorgekämpft haben. So schloss er die Augen und fiel langsam in einen unruhigen Schlaf. All die Geschehnisse um Marius und das was erst noch kommen würde, waren keine gute Grundlage für einen erholsamen Schlaf.
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DraconiZ zurrte und zerrte zum wahrscheinlich tausendsten Mal an seinen Ketten. Doch es brachte absolut gar nicht. Sie waren so feste angezogen und so gut verarbeitet, dass er sie kein noch so kleines Stück bewegen konnte. Der Schmied, der sonst immer sehr gerne von seinem gewaltigen Kraft gebrauch machte, seufzte. Auch dies war nicht das erste Mal das er dies tat. Als Streiter Innos gefangen im untersten Platz des Kerkers. Schlimmer konnte es eigentlich nicht kommen. Doch darauf verließ der Ritter sich nicht, denn die Erfahrung zeigte, dass man so etwas in der Art besser nicht denken sollte. ,, Verdammter Marius. Wenn ich den zwischen die Finger bekomme“, murmelte Uncle, der von noch mehr Ketten als der Schwarzhaarige gehalten wurde in diesem Moment. DraconiZ verzog das Gesicht. ,, Wer war denn davon so begeistert den Rat zur Rede zu stellen?“. Die Kälte in seinen Worten erschreckte ihn fast selbst. ,, Ach und du bist nicht mitgekommen wie?“, fragte Wenda neben ihm, die ebenfalls an Armen und Beinen fest gekettet worden war. ,, Wir sind alle auf eine Lüge hereingefallen und müssen eben nun sehen wie wir hier wieder rauskommen“, ergänzte Spike. Doch der Schmied wollte das nicht hören. Das einzige was er wollte war hier raus und frei sein. Er war noch nie in seinem Leben an einen Ort gefesselt gewesen und es machte ihn beinahe verrückt hier bleiben zu müssen, bis der Rat sie rief und verurteilte. ,, Ich will hier raus!“. Mit einer ruckartigen Bewegung bäumte sich der Schleichlehrer ein weiteres Mal auf. Doch es war vergebens. Die Ketten wurden weder brechen, noch sich bewegen. ,, Lass es Draco. Das bringt doch nichts“, sprach Tomarus von einiger Entfernung. Der Streiter schnaubte. Er war wütend. Wütend auf alles und jeden hier. Wütend auf seine eigene Dummheit. ,, Die Darath sollten mal erst ihre Unfähigkeit in den Griff bekommen, bevor sie uns verurteilen“, geiferte er weiter. Stille folgte. Endlose Stille wie schon die vielen Stunden zuvor. Es war die Unfreiheit und die Stille die den Ritter von innen auffraßen.
Auch nach einigen weiteren endlosen Augenblicken der Stille hatte sich die Situation nicht verändert. Wasser tropfte von der Decke herab, die Gitterstäbe und die Ketten blieben stahlhart und unüberwindbar und mehr und mehr wurde ihre Moral zunichte gemacht. Sie würden hier nicht mehr herauskommen ohne, dass ein Darath es wollte. Auch die Möglichkeit, dass Medin und Ed ihnen zur Hilfe kommen konnten war lachhaft. Der Palast wurde wahrscheinlich nun von hunderten Soldaten bewacht, die alle den Befehl hatten jeden Eindringling auf der Stelle zu töten. Wie es wohl Medin in diesem Moment ging? Waren sie noch unversehrt oder waren auch sie schon auf dem Weg in den Kerker. Alles war zermürbend. ,, Mich würde verdammt interessieren, was Marius in diesem Moment macht“, warf Drake mit einem Mal in den Raum und zerschnitt die Stille. ,, Der sammelt wahrscheinlich gerade seine Truppen um die Stadt anzugreifen“, entgegnete Wenda diplomatisch bevor DraconiZ etwas erwidern konnte. Drake machte ein komisches Gesicht, sagte aber nichts mehr. Was sollte man auch dazu noch sagen? Wenn die Stadt fiel würden sie es erst merken wenn man dazu herab lies den Kerker zu durchsuchen und dabei feststellte, dass dort noch ein paar Menschen waren, die bis dahin sicherlich halb verhungert waren.
Eigentlich hätte der Schwarzhaarige in dieser Situation gerne zu Innos gebetet. Doch nach dem was er getan hatte traute er sich selbst das nicht mehr. Er war verloren. Verloren in diesem verdammten Kerker nach seiner Hirnlosen Tat, wobei das schlimmste daran war, dass er sich selbst in diese Situation gebracht hatte und eigentlich nur auf sich selbst wütend sein konnte und auf Niemanden sonst.
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Bei Innos, wie konnten sie nur in eine derart beschissene Situation geraten? Alles war die Schuld dieses Marius gewesen, der sie offensichtlich allesamt gelinkt hatte. Hätten sie doch bloß auf Ed gehört ... verdammt, wer hatte diesen Typen eigentlich zu ihnen geschleppt? Uncle war das gewesen – wie hatte der sich nur so schnell von ihm überzeugen lassen können? Das Temperament des Lords ging Tomarus inzwischen gehörig auf den Geist, wäre der Hauptmann nicht so ein Hitzkopf, der sich wegen jedem Fliegendreck lautstark aufregte, hätte er nie auf Marius gehört, mehr noch, Marius hätte ihn wahrscheinlich überhaupt nicht bemerkt. In Tomarus brauste eine Wut auf den Lord auf, der er auf kurz oder lang Luft machen musste. Warum zur Hölle mussten sie gerade jetzt in diesem stinkigen Loch feststecken, gefesselt und bewegungsunfähig, alle auf einem Haufen?
»Wie konntest du nur auf diesen Betrüger reinfallen, du Hornochse?«, platzte es schließlich aus Tomarus heraus. Sein unmissverständlicher Blick fiel dabei auf Uncle, und wie es nicht anders zu erwarten war, explodierte dieser auf der Stelle.
»Was?! Du wagst es, deinen Vorgesetzten einen Hornochsen zu nennen? Du wirfst mir vor, diesen ... ICH GLAUB’ ES HAKT!«
»Zumindest säßen wir nicht hier, würdest du nicht andauernd so explodieren wie jetzt und damit die Aufmerksamkeit aller möglichen Leute auf dich ziehen ... solcher Leute wie Marius zum Beispiel.«
Der Lord war innerhalb kürzester Zeit tiefrot geworden. Irgendwie musste Tomarus leicht grinsen; sein kleiner Vorwurf hatte genau das bewirkt, was er erwartet hatte, und jetzt ging’s rund in diesem Rattenloch von einem Kerker.
»NA WARTE, WENN WIR HIER HERAUSKOMMEN, DANN KANNST DU DICH AUF WAS GEFASST MACHEN ... «
Tomarus lehnte sich, soweit es ihm möglich war, zurück, und wartete, bis Uncle-Bin seinen ersten Schreianfall hinter sich hatte.
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Er schrie und schrie und als er selbst schon fast glaubte, dass er nicht mehr wild durch die Gegend schnauzte, da belehrte ein lauter Wutschrei den Lord eines Besseren. Ja, er war schon eine Person, die manchmal etwas zu aufbrausend war. Natürlich nur ein klitzekleines Bisschen, denn im Grunde war er doch ein liebenswerter Mensch voller Güte und Reinheit und von Vorbildfunktion für Kinder, Könige und den edlen Adelsmann von heute, gestern und morgen. Es dauerte eine Weile, bis Uncle diese Zeilen begriff und seine drohende Faust, die gegen den armen Schreiber ausgestreckt war, zurückzog.
>>Ich bin ein Diener meines göttlichen Herren und wenn Innos nicht gewollt hätte, dass die Darath eine Lektion bekommen, so hätte ich nicht mein Schwert gegen sie gezogen. Leugnest du etwa die göttliche Vorhersehung, die uns Paladine lenkt, Tomarus?<<, platzte es schließlich aus ihm heraus, als er sich fast schon wieder beruhigt hatte.
Endlich herrschte wieder für einen Augenblick Stille im Kerker. Während die Magier sich kopfschüttelnd räusperten, versuchte der Rest der Gefährten sich durch geschicktes Kopfabwenden aus der Affäre zu ziehen. Nun hieß es Uncle gegen Tomarus – Feilchen um Auge – Faust auf Zahn. Na ja, zumindest hätte es so geheißen, wären da nicht einige ziemlich beengende Ketten, welche die beiden voneinander abhielten.
Tomarus wollte gerade etwas erwidern, da öffnete sich die Zellentür und ein großer Mann mit edler Rüstung, die noch nicht viele Kämpfe überlebt hatte, aber allein durch ihre Kunstfertigkeit Respekt verdiente, betrat den Raum. Er warf einige kurze, abschätzende Blicke auf die Gefangenen und lehnte sich dann über Uncle.
>>Wenn ich ein Ei hätte, so würde ich es über euren Kopf aufschlagen und es braten, Herr Paladin.<<, höhnte er und provozierte einen Tritt, der leider durch die Ketten gebremst wurde. >>Wenn sie Eier hätten, Herr Kerkerwächter, so würden sie meine Fesseln lösen und im Kampf gegen mich antreten – Mann gegen Mann.<<, antwortete Uncle und in einem Anfall von Galgenhumor entglitt ihm ein müdes Lachen.
Dann klatschte es und Uncles Kopf, der schon rot verfärbt war, wurde nun von dem noch dunkleren Muster eines Handabdruckes verziert. >>Ruhe jetzt oder wir sorgen für Ruhe!<<, murrte der Wärter und verließ die Zelle. Fast hätte Uncle einen weiteren Wutanfall bekommen.
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Das Patschen ihrer Schritte hallte in dem engen und mit knöcheltiefem Wasser gefüllten Gang von den rohrartig geformten Steinwänden wieder. Ed und Medin waren noch immer außer Puste. Medin, weil er konditionell doch noch geschwächt war und Ed, weil sie an eine hastige Flucht ganz und gar nicht gewöhnt war. Trotzdem lief das Duo weiter. Sie liefen der einzigen Chance entgegen, die ihnen blieb. Ein winziges Licht am Ende des Tunnels. Wie waren sie doch wieder in den Ärger hineingeraten…
Ihr Vorhaben, herauszufinden, wo ihre Kameraden nun waren, hatte ja von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. In den Straßen hatte helle Aufruhr geherrscht und an zwei Stellen in und um den Palast waren Feuer ausgebrochen. Zweifelsohne das Werk der Fehlgeleiteten. Dennoch waren die Magierin und der Ritter bis zum Palast vorgedrungen, wo die Menschendichte schlagartig angestiegen war. Überall rannten Soldaten umher. Der Krieger hatte gewusst, dass es töricht war, doch war ihm zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit geblieben. So hatten sie versucht Einlass in den Palast zu erlangen. Doch sofort hatten sie sich einem aufgebrachten Offizier der Wache gegenüber gesehen, zusammen mit einem schwer bewaffneten Tyrothtrupp. Ein erklärendes Gespräch war nicht möglich gewesen. Verhaftet hatte man sie, verhaftet wegen Landesfriedensbruch, Verbrüderung mit dem Feind, Beihilfe zum versuchten Mord an den Darath, Vergreifen an Landeseigentum, nächtlicher Ruhestörung…, die Liste war so lang gewesen. Umso kürzer war die Antwort Medins ausgefallen. Es war ihm sofort bewusst gewesen, dass sie nur außerhalb des Kerkers nützlich sein konnten. So Leid es ihm unter anderen Umständen getan hätte, tat es ihm in dieser Situation nicht Leid, dem Offizier den Schwertknauf in den Magen zu rammen. Ed ebenfalls geistesgegenwärtig reagiert und mit irgendeinem Zauber allgemeine Verwirrung gestiftet. Zumindest genug, damit die fortan gesuchten in alles andere als einladende und ziemlich düstere Seitengassen (die Tatsache allein, dass es düstere Gassen in Tyrien gab verwunderte ihn) eintauchen konnten. In einer fremden Stadt als Verbrecher gesucht zu sein ist keine gute Ausgangsposition um die eigenen Freunde zu retten oder die Stadt vor dem Untergang zu bewahren. Doch das Schicksal meinte es wenigstens einen Moment lang gut mit den beiden Flüchtigen. Durch Befragung mehrerer nicht sahnender Bürger hatten sie sich schon bald ein grobes Bild der Geschehnisse, das aus dem Palast nach außen gesickert war. Die schlimmste aller Befürchtungen hatte sich als wahr erwiesen. Draco und die anderen sind gefangen worden und Marius ist mit einem mächtigen Artefakt im Nichts verschwunden.
Medin war wenig später das Herz in die Hose gerutscht, als sie auf einmal vor Hauptmann Feydieth gestanden hatten. Einen Moment hatte er befürchtet gegen den Retter kämpfen zu müssen, doch hatten sie Glück. Der Hauptmann schien wohl durch bestimmte Informationsquellen gepaart mit der Geschichte, die ihm die beide in Kurzfassung darlegten, die Geschehnisse weitestgehend durchschaut zu haben. Wenn es stimmt, so hatte er begonnen, dann hält sich Marius außerhalb der Mauern auf. Als er ihnen dann noch einen geheimen Weg durch die Kanalisation vor die Tore der Stadt gewiesen sowie versprochen hatte, alles in seiner Macht stehende für die gefangenen Gefährten zu tun, hatte der Ritter ihm kurz aber aus tiefster Seele gedankt. Noch war nicht aller Tage Abend.
Die Lichtkugel von Ed warf das Licht stets einige Meter in das muffige, übermannshohe Abflussrohr voraus. Keiner der beiden Anhänger des Feuergottes sprach ein Wort, sondern schritt in eigene Gedanken versunken den von Feydieth beschrieben Weg. Was das wohl für ein Artefakt ist, dass sich in Marius’ Händen befindet? Höchstwahrscheinlich die Tränen Innos’. Mit der Zeit hatte alles darauf hingedeutet, dass sie sich in der Stadt befunden hatten. Was stand dieser nun bevor? Die Tränen Innos’ waren zweifelsohne ein wichtiges Artefakt, dessen Entwendung katastrophal war. Doch was hatten die Tränen konkret bewirkt? Der Kämpfer hatte das ungute Gefühl schon bald eine Antwort darauf zu bekommen.
Die Gedanken wanderten weiter. Was war mit Draco, Wenda, Uncle, Spike, Tomarus und Drake? Vermutlich saßen sie in irgendeiner dunklen wie feuchten Zelle, die verblüffende Ähnlichkeit mit dem Abflussrohr besaß, in dem die von der Gruppe getrennten Gefährten nun liefen. Würden die Gefangenen dort bis ans Ende ihrer Tage dort verrotten oder würde man sie bestrafen? Egal was davon zutraf, wenn Feydieth nichts erreichen konnte, dann würde das Ende ihrer Tage ziemlich nah sein, ebenso wie es das Ende dieser Stadt, dieses Volkes und dieses Landes zu sein schien.
Der Schmied seufzte. Was war hier nur schief gelaufen? Sie waren doch bloß aufgebrochen die Tränen Innos’ zu suchen. Natürlich war eine solche Expedition mit hohem Risiko verbunden, aber mit so was war nun nicht zu rechnen gewesen. Es war so ziemlich alles schief gelaufen, was hätte schief laufen können. Die Ankunft, der Zustand des Landes, die Kämpfe mit den Untoten, nun der Konflikt mit den Tyroth. Das schrie doch förmlich nach einem Gegenspieler und alles deutete auf einen Mann hin. Marius. Medin war ihm als einziger der Gruppe noch nicht begegnet. Das wirst du nachholen, schwor er sich selbst, und dann gnade Innos diesem Marius.
Er wäre einfach weiter gelaufen, wenn ihn die junge Magierin nicht auf die Leiter aufmerksam gemacht hätte, die an der Seite des Tunnels in einem Schacht nach oben führte. Laut Feydieths Beschreibung musste das der gewünschte Ausgang sein. Medin stieg voran. Eine ungewöhnliche hohe Leiter, an deren Ende eine eiserne Luke den Kletterer empfing. Nur unter Einsatz sämtlicher Kräfte gelang es ihm den schweren Deckel nach oben zu stemmen und schließlich zur Seite klappen zu lassen. Vorsichtig steckte er den Kopf aus der Öffnung hinaus. Ein frischer Luftzug begrüßte ihn, Tageslicht ließ ihn blinzeln. Es schien niemand in der Nähe zu sein. Sich an den Rändern der Öffnung aufstützend schob er sich vollständig heraus und half anschließend Ed selbiges zu vollbringen.
Sie blickten sich um. Das Duo befand sich in einem kleinen Waldstück nahe der Flanke des Gebirges, in dessen Flanken und Furchen die Stadt ein oder zwei Meilen weiter östlich eingebettet war.
Der Wachhauptmann hatte berichtet, dass Marius von Zeit zu Zeit in der Nähe der Berge gesichtet worden war, weshalb sich die beiden kurze Zeit später auf dem Weg zu selbigen befand. Irgendwo da vor uns muss er sein, dachte Medin und der Mut schwand ihm. Die Suche nach der berüchtigten Nadel im Heuhaufen wäre vergleichsweise einfach gewesen. Der Ritter schickte stumm ein Stoßgebet zum Himmel. Nur Innos selbst war wohl in der Lage einen solchen gewaltigen Zufall zu senden, der dem Vorhaben Erfolg brachte.
Mit zunehmender Entfernung zur Stadt wurde auch die anfangs frische Luft immer dicker. Kein Windhauch streichelte mehr die Baumwipfel und ein vermoderter Geruch lag in der Luft, als nähre man sich einem Moor. Weit und breit existierten aber keine Anzeichen für ein solches.
„Hier liegt etwas Böses in der Luft.“ Es war Ed, die die ersten Zweifel offen aussprach. Auch Medin, der kein Gespür für irgendeine Art der Magie besaß, hatte ein mulmiges Gefühl. Beide sollten mit ihren Vorahnungen Recht behalten.
„Runter“, zischte Medin der Magierin zu und presste sich sofort auf den Boden. Er hatte zuerst die Feinde ausgemacht, die sich auf einer Lichtung vor ihnen befanden. Einen Moment zögerte er, bevor er den Kopf über das farbmatte Gras hob, in dem sich die beiden Menschen versteckt hielten. Vor ihnen befanden sich mehr als zwei dutzend Untote. Skelette, Zombies, Dämonen, alle waren sie vertreten und bis auf letztere mit verrotteten Waffen und Rüstungen bestückt. Beim Anblick eines der Dämonen, der Medin am nächsten stand, schrak er unwillkürlich zusammen. Etwas in seinem Kopf regte sich furchtsam und sträubte sich mit aller Kraft dagegen noch einen Moment länger in Gegenwart mit dieser Kreatur zu verbringen. Mit etwas Mühe unterdrückte er aber die Frucht und konzentrierte sich wieder auf die Untoten. Sie marschierten langsam vorbei, in eine Richtung. Was hatte das schon wieder zu bedeuten? Der Ritter kam gar nicht dazu diese Frage auszusprechen, denn schon traf ihn die Erkenntnis. Tyrien!
„Sie wollen die Stadt angreifen. Wir müssen die Tyroth waren!“ Kaum hatte er die Worte geraunt, wollte er aufspringen und zum Kanaldeckel zurück rennen, als Ed ihn zurück hielt.
„Das bringt doch nichts! Die Wache wird uns lieber einsperren als uns zuzuhören, bis es zu spät ist. Außerdem bezweifle ich, dass wir es vor den Schergen Beliars bis in die Stadt schaffen.“ Die Magierin hatte Recht. Doch irgendetwas mussten sie tun. Auch hier war es die Heilerin, die den passenden Plan hatte. „Die Truppen scheinen alle aus einer Richtung zu kommen. Wenn wir den Ursprung dieser Armee ausfindig machen können, treffen wir vielleicht auch auf Marius.“ Wieder stimmte der Südländer der Klosterbewohnerin zu. Das war wohl das Beste, was sie aus der Lage machen konnten. Mit Schultern und Kopf lehnte er sich an einen umgestürzten Baumstamm und schnallte die Stahlhandschuhe von seinem Gürtel los und streifte sie über die Hände. Lieber zu früh als zu spät war hier die Devise.
Mindestens zwei Stunden schon streiften die beiden Menschen durch das Unterholz in die Richtung, aus der die Armee der Untoten kam, stets darauf bedacht von ihnen nicht entdeckt zu werden, was bis jetzt sogar geklappt hatte. Medin war sich jedoch nicht mehr sicher, ob die seelenlosen Kämpfer sie angegriffen hätten, schienen sie doch stumm einem Ziel entgegen zu streben. Verflucht, mit jeder Minute schnürt sich der Strick um Tyriens Kehler enger. Der Streiter wurde unruhig. Alles andere was sie hatten war Zeit und trotz ihrer Eile verbrauchten sie viel zu viel davon. Stress zehrte an den Nerven des sonst so kühlen Kriegers. Zum Glück sollten diese aber nicht länger auf die Folter gespannt werden. Der Wald lichtete sich und gab den Blick auf den Fuß der Bergkette frei, die sich im Halbkreis von der Stadt weg in Richtung Westen erstreckte. Die beiden Gefährten hielten inne und tauchten hinter einem verdorrten Busch ab, von dem sie dennoch einen guten Blick auf die Szenerie hatten. Etwa hundert Fuß vor ihnen tummelten sich ein halbes dutzend schwer bewaffneter Skelette. Anders als ihre Kollegen, denen die Magierin und der Gardist bis jetzt begegnet waren, machten diese keine Anstalten zur Stadt zu marschieren, sondern blickten wachsam aus den leeren Augenhöhlen in die Umgebung. Es dauerte einen Moment, bis Medin erkannte, dass sie eine Art Höhleneingang bewachten. Genanntes Objekt war mit einer ummauerten Eisentür umschlossen und wirkte alt und dennoch gut erhalten. Wie so vieles in Tyrien, dachte Medin mit Wehmut. Befand sich dort etwa Marius? Ed musste sich wohl dieselbe Frage gestellt haben. Die Gefährtin fuhr mit der Hand in den Ärmel ihrer Robe und verfiel augenblicklich in eine konzentrierte Starre. Nicht einmal die geschlossenen Augenlider zuckten. Auf des Kämpfers Stirn wollten sich schon Sorgenfalten abzeichnen, als wieder Leben in die Magierin kam.
„Marius ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dort drinnen. Ich konnte zwar nicht bis zu ihm vordringen, da es dort von magischen Wesen nur so wimmelt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich seine Aura gespürt habe.“ Beeindruckend. Die junge Medica schien sich eines Zaubers bedient zu haben, mit dem man magische Existenzen aufzuspüren vermochte. Jetzt mussten sie sich entscheiden, was zu tun war. Noch einmal blickte Medin zu den Skeletten hinüber. Ein offener Kampf zu zweit gegen diese Gegner war schon so gut wie aussichtslos, aber in der Höhle oder was immer hinter der Eisentür auch war, lauerten bestimmt noch mehr unangenehme Zeitgenossen. Das war einfach zum Haare raufen. Die unverschämte Ursache allen Übels war nur wenige Minuten von ihnen entfernt und dennoch kamen sie nicht an ihn ran.
„Es hilft einfach nichts! Wir brauchen Hilfe; wir müssen zurück zur Stadt“, stellte Medin fest. Ed nickte, doch schien sie genau so wie er zu wissen, dass sie keine Zeit dazu hatten. Doch hatten sie eine Wahl?
So schnell es ging machten sie sich auf de Rückweg. Die Tatsache, dass die Zeit gegen einen lief, setzte in den Körpern genug Adrenalin freizusetzen, um eine hohe Geschwindigkeit die ganze Strecke über durchzuhalten. Das Gelände jedoch relativierte diesen Vorteil wieder. Die beiden mussten immer noch darauf achten den Untoten auszuweichen und das Gestrüpp klammerte seine knochig wirkenden Zweige an die beiden Eilenden wann immer es konnte. Eds Robe war auch nicht für Waldläufe geschaffen, weshalb es die Feuermagierin besonders schwierig hatte.
Die Sonnenstrahlen drangen nur noch spärlich von der Seite in den Wald hinein - das Licht war deutlich zurückgegangen. Die Nacht nahte. Als die beiden Gefährten schließlich den hinter einem Gestrüpp verborgenen Eingang zur Kanalisation erreichten, sahen sie durch eine Lücke in den Bäumen eine Rauchfahne. Jetzt, da ihr eigener Atem nicht mehr das lauteste Geräusch war, hörten sie auch fern den Kampfeslärm. Innos lass uns nicht zu spät kommen!
Hastig stiegen sie die Leiter hinab. Sofort drang das muffige Wasser wieder in das in den letzten Stunden getrocknete Schuhwerk ein, doch das kümmerte die beiden nicht. So schnell es ging rannten sie den Gang zurück, bis sie völlig außer Atem den Keller des verlassenen Hauses erreichten.
Nicht auf das Stechen in der Lunge achtend durchschritt Medin den leeren Wohnraum der Behausung und stürzte nach draußen. Zu seiner Bestürzung waren Draco und die anderen nicht hier. Von dem Wall jedoch, der einige Straßen weiter lag, drang Kampfeslärm heran. Am liebsten hätte der Ritter den Tyroth bei der Verteidigung geholfen, doch bestand die einzige Chance wohl darin, Marius unschädlich zu machen. Dazu brauchten sie Hilfe.
Als Ed schwer keuchend aus dem Haus trat, blickte sich Medin noch einmal um. Die anderen waren immer noch nicht in Sicht. Verflucht, Feydieth, was dauert das nur so lange? Erst jetzt fiel ihm ein, dass er der kleinen Magierin den Weg hätte ersparen können. Sie hätte bestimmt auch beim Ausgang im Wald auf die anderen warten können, während Medin sie herführte, doch in der Hektik war sie einfach mit gerannt.
Die beiden Gefährten standen vor dem Haus, keine Meile von der Schlacht entfernt und warteten auf den Rest ihrer Gruppe, während der Kampf um Tyrien in die entscheidende Runde gegangen war. Die kommenden Stunden mochten über das Schicksal Tyriens, seines Volkes und der kleinen Gruppe entscheiden, die ursprünglich bloß losgezogen waren ein Artefakt ihres Herren zu finden.
Geändert von Medin (05.06.2006 um 21:02 Uhr)
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Ruhe bewahren. Das war nicht nur ein gängiger Aussagesatz, sondern auch eine Lebensphilosophie, eine Art sein Leben zu führen. Diese hatte sich der junge Innos Diener während seiner Zeit im Kloster recht schnell angeeignet. Denn in der Ruhe lag die Kraft. Jaja, das klang doch schon ganz schön, solange man nicht angekettet in einem versifften Drecksloch seine Zeit verbrachte, aus Gründen die einem keineswegs passten, unter Umständen die nicht schlimmer oder kurioser hätten seien können. In solchen Situationen, in denen ein wichtiges Unterfangen ganz und gar anders verlief wie geplant, und dies im negativen Sinne, fragte sich der Mensch als erstes: Wieso?
Wenn er es sich so recht überlegte, wäre ein 'Warum?' etwas natürlicher als ein 'Wieso?' oder gar einem 'Weshalb?' gewesen, doch er benutzte keines von beiden, er fragte sich wieso?
Wieso war er hier? Hier auf dieser vom Tod geplagten Insel, in dieser wunderschönen Stadt mit den wundersamsten Dingen die er jemals zu Gesicht bekommen hatte, in diesem Kerker, wo es roch wie aus Beliars Arschritze, wenngleich er sich nicht anmutete zu wissen wie diese tatsächlich roch. Aber das war jetzt auch egal, er war zornig, er fühlte sich schlecht, er war gar kurz vor dem explodieren...doch dann kamen ihm die Eindrücke die er in der Stadt sammeln konnte wieder in den Sinn. Die Prachtbauten, die gegliederten Straßen die als hervorragendes Verkehrsnetz wie auch als Kunstwerk deren Bewohner dienten, die Handwerkerzünfte, die Geschäfte, die Tavernen, der Speis und Trank, die gelassenen Menschen und die Frauen...bei dem Grundgütigen die Frauen! Wie schön...wie bezaubernd...ach das waren alles keine Worte für diese einzigartigen Geschöpfe. Nein, nein, keinesfalls. Es war wie ein Meer aus Perlen, Diamanten sogar, jede Frau ein eigenes Kunstwerk, eine eigene Schönheit um die sich die Barden streiten sollten ein Lied darüber zu schreiben. Und er hatte schon einiges gesehen was ihm den Atem in Sachen Aussehen stocken ließ, sei es nun im positiven oder negativen Sinne. Wenn man sich nur mal in Khorinis umsah, musste man schon genau suchen um sich an etwas Schönheit erfreuen zu können. Nicht nur waren die Bauten recht schlicht und praktisch gehalten, zumindest die im Hafen- und Handwerkerviertel, sondern auch die Frauen waren einfach...schlicht und praktisch gehalten. Natürlich gab es Ausnahmen. Manch eine Frau hatte es ihm auf der Insel in seinem Gemach einsam werden lassen, ihn gar zu Träumereien verlockt, andere hingegen hatten ihn raschen Schrittes ins Kloster Reiß aus nehmen lassen. So war er auch nicht sonderlich traurig darüber den ganzen Tag lang von Innos Dienern beziehungsweiße von zu klein geratenen Dienerinnen und dergleichen umgeben zu sein. Es verschaffte eine angenehme und entspannte Atmosphäre.
Tyrien jedoch war anders. Diese Stadt ließ ihn wieder Träumen. Es waren spontane Tagträumereien der Art, die sein Leben und seine Zukunft gänzlich verändern konnten, wie sie es schon vorher getan hatten. Die Überlegung ansässig zu werden war ebenso wenig abwegig wie ein Besuch im örtlichen Bordell, welches er jedoch bisher nicht ausfindig machen konnte. Danach zu fragen war ihm seines Standes wegen auch nicht wirklich möglich gewesen. Doch allein der Gedanke ein Bordell mit Dirnen Tyriens...bei Innos, bei einem so viel weltlicher Schönheit an einem Fleck war alles Geistliche vergessen, und zwar ganz und gar. Dieses Volk und ihrer Stadt hatten ihn voll und Ganz in ihren Bann gezogen, denn worauf auch immer er seinen Blick hat fallen lassen, es war schön, gar wunderschön gewesen.
Umso grimmiger wurde er dann nachdem er von dem Maulen einer seiner Leidensgenossen aus seinen Schmachten wieder zurück in die Realität geholt wurde, vielleicht zehn Zentimeter von einer kleinen, braunen, stinkigen Wasserpfütze entfernt. Obwohl er sich nicht sicher war ob das auch wirklich noch Wasser war.
Er hatte daraufhin eigentlich vor seinen Unmut mit einem Fluch oder zwei Luft zu machen, doch ehe er seine Gedanken in Worte fassen konnte, nahm er die Stimmung seiner Gefährten war, zügelte sich noch einen Moment und gab derweilen lieber noch einen mit Vernunft beseelten Spruch ab. Nicht das es geholfen hätte. Selbst Spike war die Tatsache, dass alle selbst an ihrer Misere Schuld trugen, scheiß egal. Aber es war eines Magiers angemessener als ein lauthalser Fluch. Diese überließ er lieber den anderen. Uncle Bin und Tomarus schlugen sich beispielsweise gar nicht mal schlecht. Doch diesen schenkte er nur anfangs Beachtung, er kehrte zu dem 'Wieso?' zurück, das immer noch unbeantwortet blieb.
Er war hier, weil Innos ihm mit einer Vision beschenkte. Er war hier weil er nach der Träne Innos suchte. Und er war hier um das tote Land wieder aufleben zu lassen, indem er es von dem Bösen befreite.
Doch wieso war er nun hier in dieser Zelle?
Er musste zugeben, nun, da alles andere verlief wie geplant, wollte er nicht länger darüber nachdenken. Seine Gedankengänge und halbdurchdachten Pläne machten ihn in Gewisserweise etwas Schande. Denn der Grund weshalb er all die Zeit lang noch kein Bordell gefunden hatte, war nicht etwa weil er sich in der Stadt kaum zu Recht fand oder das es gar keines gab, sondern weil er mehr über die Darath und deren Magie erfahren wollte, die ihn (neben den Frauen) über alles hinweg faszinierte. Denn sie hielt den Untot von den Stadtmauern fern, sie ließ die Stadt in goldenem Glanz erstrahlen und sie war nebenbei auch das mächtigste was er an seinem Körper bisweilen spüren dürfen. Den Kampf gegen den Schwarzgekleideten Magier würde er so schnell nicht vergessen. Mit welcher Leichtfertigkeit sie letztlich besiegt worden waren hinterließ bei dem Hohen Feuermagier staunen und entsetzen zugleich. Er wollte mehr erfahren, doch dazu war es nun zu spät. Es war ihm nicht länger möglich. Er war sich ja nicht einmal mehr sicher ob er jemals wieder hier rauskommen würde.
Erneut wollte der junge Mann munter drauf los schimpfen, doch wurde von dem lauten Toben Uncle Bins davon abgehalten. Dieser war schon verärgert genug für alle Gefangenen zusammen. Damit wollte Spike keineswegs in Konkurrenz treten.
So fragte er sich lieber ein drittes Mal nach dem 'Wieso?'. Marius, ein Mann den er bei ihrer letzten Besprechung kennen gelernt hatte, war ihnen mit irgendwelchen Verschwörungstheorien gekommen. Natürlich hatte der Innos Diener Misstrauen gegen ihn gehegt, wer auch nicht, doch lag sein Fehler dabei nicht etwa darin ihm vertraut zu haben, das hatte er zu keiner Zeit, viel mehr hatte er ihn unterschätzt, ihn als harmlosen Irren, wie es sie überall auf der Welt gab, abgetan. Seine Worte waren zwar zu einfach, zu 'schlecht' gewählt um sie von Vorneherein als falsch abzutun und sein Verhalten, sich direkt an irgendwelche Neuankömmlinge zu wenden, keinesfalls ungewöhnlich für verzweifelte Seelen wie auch Spinner zugleich, doch seine Augen unterschieden sich von seinem restlichen Erscheinungsbild. Sie waren keineswegs ehrlich, einfach und ehrbar wie er den Menschen um ihn herum erschien. Sie waren anders...sie zeigten dem Magier auf unheimliche Weise auf, dass mit dem Mann etwas ganz und gar nicht stimmte. Als er in dessen Augen nach seiner 'Verwandlung' wieder sah, war es nicht das dämonische Erscheinungsbild das sein Herz zum Stillstand brachte, sondern der blanke Wahnsinn der in seinen Augen glitzerte. Weder die Führer Tyriens noch deren Soldaten, welche nach seinem Leben trachtete, konnten auch nur annäherungsweise solche Furcht in dem Innos Diener aufkommen lassen.
So hatte sich Marius letztenendes als größere Überraschung herausgestellt. Dieser hatten ihn jedoch nicht interessiert und er tat es auch nun nicht. Spike wollte ihn viel lieber schnell wieder vergessen. Er hatte Marius als günstige Gelegenheit wahrgenommen die Darath zu sehen, ihnen gegenüberzustehen. Er wollte wissen was diese Magier waren, wie sie waren und ob es sich lohnte von ihnen lernen zu wollen. Wie das erfolgen hätte sollen hatte er jedoch nicht sonderlich bedacht, gab sich mit einem 'das wird schon irgendwie' zufrieden. So geschah es auch, jedoch komplett anders als gedacht. Und nun saß er hier, vor den Darath entehrt wenn man das so sagen konnte, ohne echte Hoffnung dem Kerker wieder entfliehen zu können und er konnte sich nicht einmal etwas strecken, geschweige denn in seine Robentasche greifen um sich einen Sumpfkrautstängel anzustecken.
"So ne verdammte scheiße!"
Er war nun zu frustriert um sich erneut irgendwelche Gedanken über sein Auftreten zu machen. Er saß hier im Dreck, genauso wie die anderen. Hier spielte der Stand keine Rolle. Es fühlten sich alle mies. Nichtsdestotrotz hielt das seine Mitgefangenen nicht davon ab einen Moment erstaunt zu ihn herüberzuschauen.
"Ja, oder nich?"
Eine Antwort entfiel, viel lieber wandten sich Uncle Bin und Tomarus wieder ihrem Streitgespräch zu und die anderen versuchten ihr bestes sich dabei herauszuhalten. Wenig später jedoch wurde dieses von einem Wachmann unterbrochen und nach einem kleinen Wortgefecht der Ursprung der angehobenen Lautstärke mit einem kräftigen Schlag ruhig gestellt. Zumindest vorerst.
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Wie konnte man eigentlich so lange und so viel rumbrüllen? Tomarus fand den Lord inzwischen richtig amüsant. Doch gerade, als Uncle wieder eine kurze Pause einlegte, hörte Tomarus vor ihrer Kerkertür Schritte und machte die anderen darauf aufmerksam. Als sie sahen, dass es einer der Darath, nämlich der mittelalte, in Blau gekleidete, war, dachte Tomarus schon, nun würden sie ihrem Henker vorgeführt werden – doch erstaunt stellte er fest, dass der Magier allein gekommen war. Auch sah er keineswegs wütend, böse, enttäuscht aus – im Gegenteil.
»Kommt, wir müssen uns beeilen, um unentdeckt zu bleiben ... «
Tomarus staunte nicht schlecht. Daher musste der Magier ihn wie die anderen ein zweites Mal auffordern, ihm zu folgen, bis sie schließlich aufstanden. Der Mann führte sie durch die engen Gassen des Kerkersystems, sie mussten fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten. Wenda schloss schließlich zu ihm auf und fragte das, was ihnen wohl allen auf der Seele brannte:
»Warum ... helfen Sie uns jetzt plötzlich?«
»Ich glaube euch, dass ihr Marius nicht bereitwillig bei seinem Vorhaben unterstützt habt – dafür hat er es einfach schon zu oft probiert, als dass ich solche Reingefallenen wie euch nicht erkennen würde. Nur leider sind meine beiden Kollegen ... nun ja, einerseits schon etwas senil, und andererseits jung, unerfahren und viel zu temperamentvoll. Daher sollten wir sehen, dass wir unentdeckt bleiben ... es ist nicht mehr weit.«
Mit möglichst leisen Schritten folgten sie dem Magier, der sie zielsicher durch die vielfach verschlungenen Gänge führte, bis sie schließlich in einiger Entfernung das letzte bisschen Tageslicht ausmachen konnten. Nach einigen Augenblicken traten sie hinaus ins Freie, auf eine kleine Plattform, die unterhalb der sonstigen Stadt, wie in einer Art Burggraben, lag. Es schien tatsächlich ein Burggraben zu sein, der den Palast schützte; links und rechts von ihnen war Wasser. Nur direkt vor ihnen begann ein weiterer Tunnel. Der Magier zeigte auf diesen.
»Dieser Gang führt euch ein gutes Stück vom Palast weg, wo ihr erstmal in Sicherheit seid – also, macht was draus. Versucht besser nicht, noch einmal bei uns einzubrechen ... «
Die Gruppe nickte und bedankte sich bei dem Magier, dann verabschiedeten sie sich und eilten in den Tunnel hinein. Sie konnten nur hoffen, dass dies nicht noch eine Falle war ...
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Uncle war kaum in den Tunnel hineingeklettert, da hätte er beinahe einen der Tyrother übern Haufen gerannt. Es war Fjödre, Filligan oder wie dieses Type eben hieß, die sie einst vor den Untoten außerhalb der Stadt gerettet hatte. Den Augenblick, in dem Uncle zögerte die Waffe sie ziehen, gelang es dem tyrischen Hauptmann zu erklären, dass er im Auftrag Medins und der Magierin Ed hier auf sie wartete.
Scheinbar war Feydieth –der Mann hatte sich inzwischen noch einmal vorgestellt- auch derjenige gewesen, welcher den blau gekleideten Magus überreden konnte, die Gefangenen zu befreien. So schuldete Uncle dem Mann mehr oder weniger ein „Dankeschön“, das ihm aber nicht über die Lippen kommen wollte.
Alle hintereinander rannten sie nun durch eine Kanalisation, die fast noch muchtiger war, als der Kerker der Darath. Hier war der Fäkalgeruch nicht mehr störend, sondern unerträglich und wenn man den Kampfeslärm bedachte, der gedämpft durch die Erde bis zu ihnen herab drang, so konnte man fast Angst bekommen, dass zwischen den Kothaufen eine untote Ratte ihr Unwesen trieb.
Der Lord hatte den Lärm schon vernommen, bevor sie sich in den Tunnel gezwängt hatten, aber erst jetzt machte er sich Gedanken darüber. Marius war nun also zum Angriff übergegangen und würde die Stadt überrennen. Warum der Magier sie nun befreit hatte, dass konnte sich Uncle noch immer nicht vorstellen. Er musste einen triftigen Grund gehabt haben und wenn Felix sie zu Ed und Medin führte, so würden diese sicher mehr wissen.
>>Danke, für ihre Hilfe bei der Befreiung aus dem Kerker.<<, hechelte Uncle, dessen Muskeln sich erst erwärmen mussten. Nach den Stunden in Fesseln war die plötzliche Hektik nicht unbedingt das, was sein Körper erwartet hatte. >>Bedankt euch bei euren Gefährten, Paladin.<<, antwortete Finkreg und in seiner Stimme war ein Hauch Zorn zu spüren. Scheinbar sah er sich mehr aus der Lage heraus gezwungen ihnen zu helfen, als aus Überzeugung.
Doch Uncle, in seiner Weisheit, verzieh ihm und rannte weiter. Hinter ihm folgte der Magier Spike und darauf die anderen. Sie alle erfüllt von Freude darüber, dass sie aus dem Kerker in die Kanalisation fliehen konnten. Ja, was für eine Freude., dachte Uncle und fand wieder Gefallen am Denken.
Plötzlich bog Friedrich ab und blieb an einer Leiter stehen, die etwa 4 Meter in die Höhe reichte und am Ende den freien Blick auf den Abendhimmel gestattete. >>Hier hinauf!<<
Keiner zögerte auch nur einen Augenblick dem tyrischen Hauptmann weiterhin zu folgen und kurz darauf hatten sie die Kanalisation verlassen und fanden sich in einem Stadtteil wieder, der beunruhigend leer schien.
Die Menschen sind fort, um zu kämpfen oder in den Häusern Schutz zu suchen. Dieser Gedanke schwebte für einen Moment in allen anwesenden Köpfen. Dann trieb die Eile sie wieder an und sie bewegten sich zielstrebig auf jenen Stadtteil zu, in dem sie einst eine gute Unterkunft bekommen hatten.
Bald hatten sie das Haus erreicht und endlich wieder standen alle, die einst zusammen in die Stadt gekommen waren, wieder beisammen. Erst jetzt wurde Uncle bewusst, dass Medin wieder bei Verstand war und einen gesunden Eindruck machte. Als Frieder vorhin erwähnt hatte, er würde von Ed und Medin kommen, da war dem Lord gar nicht in den Sinn gekommen, dass dies die Gesundheit des Südländers bedeuten könnte.
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Das ging ja relativ flott. Gerade als er sich mit dem Hungertod in einer stickigen Zelle angefreundet hatte, hatte der Blaugekleidete Magier sie aus dessen Gewahrsam befreit. Der Kerl wurde ihm immer unsympathischer. Erst steckte er sie ins Verließ und nun hatte er es sich auf einmal anders überlegt. Nicht das er nicht froh darüber war, aber das war einfach kein normales Verhalten. Der Kerl war einfach merkwürdig. Schon beim ersten Aufeinandertreffen erinnerte er ihn stark an die Blaugekleideten Magier die er von Khorinis her kannte.
Anstatt sich über die Eindringlinge aufzuregen und etwas Dampf zu machen, hockte er da und wollte über die näheren Umstände ihrer Ankunft wissen. Da kamen sie angestürmt, schafften sich einen gewaltsamen Weg ins Gemach der obersten Instanz in Tyrien und er wollte ein Kaffeekränzchen mit ihnen halten. So vernünftig es auch von ihm war, es war absolut lächerlich. Ein Herrscher sollte Ehrfurcht erwecken, einen fürchterliche Zorn besitzen sollte man ihm den ihm gebührenden Respekt nicht entgegenbringen und nicht den einfühlsamen, verständnisvollen Hirten mimen. Das passte einfach nicht. Genauso wie das Blau seiner Robe.
Aber selbst Gestalten wie diese waren immer wieder nützlich, wären sie doch ohne ihn noch immer in ihren Ketten während über ihren Köpfen eine wilde Schlacht tobte. Die Gruppe Innos Diener schlugen aber genau den Entgegengesetzten Weg ein. Das war doch einmal eine gute Idee, wie er fand. Sie waren derweil auf jede Menge Leute getroffen. Ganz davon zu schweigen dass sie dort unten wortwörtlich in der Scheiße steckten, war das nicht zwangsläufig eine ungewöhnliche Sache. Allerdings hatte er mit keinen von ihnen gerechnet. Der Magier verabschiedete sich, nur um den Platz frei für die Ankunft des Hauptmanns der Wache zu machen. Dieser gab den entscheidenden Anstoß dazu von der Schlacht ihren Kameraden entgegen zu fliehen. Sie stürmten sozusagen in die andere Richtung. Als sie sich schließlich auf den Weg zum Kanalisationsrohr machten, was seine Stimmung etwas weiter drückte war es dort doch kaum besser als im Kerker, trafen sie sogleich auch auf ihre Gefährten. Der Hauptmann hatte zwar gesagt, sie sollten den beiden zueilen, doch wurden die Rollen allem Anschein nach kurzfristig vertauscht. So bestritten sie den Weg durch die Kanalisation gemeinsam. Die aufkeimenden Gespräche zwecks der 'Wiedervereinigung der Gefährten' erstickten rasch wieder in ihrem Keim als der stechend beißender Fäkalgeruch an ihre Nasen drang. Spike jedenfalls war nicht mehr Reden zu Mute.
Er wollte hier schnellstmöglich weg. Nicht etwa weil hinter ihm ein Kerker und Wachmänner lauerten, die ihn gerne wieder unter sich wussten oder weil über ihm ein tobender Kampf wütete, wobei sich der Magier nur denken konnte wer die angreifende Partei bildete, sondern weil draußen im Freien etliche Untote Wesen auf ihn warteten mit denen er sich allemal lieber abgab, als mit diesem Ekelerregenden Gestank dort unten.
So kam es, das er der Erste war der Frischluft schnuppern durfte. Kaum hatte das bisschen Gestrüpp am ende des Tunnels sehen können, schon war er losgespurtet um der verpesteten Luft zu entgehen. Auch wenn dort draußen im wahrsten Sinne des Wortes der Tod lauerte musste er sich wenigstens nicht darüber Sorgen machen, dass ihm sein Hirn von irgendwelche giftigen Dämpfen verätzt wird, wenngleich er sich Derartiges nicht vorstellen konnte. War wohl auch besser so.
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Der Tag der Rache war gekommen. Marius würde für seinen Verrat büßen und sie würden endlich erfahren was es mit den Tränen Innos’ auf sich hatte, denn höchstwahrscheinlich war es das gewesen, was der Bastard mit sich genommen hatte. DraconiZ konnte in diesem Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen, außer das der Dämon zur Rechenschaft gezogen werden musste. Mit einem Ruck kam der Schmied aus dem Gang nach draußen hoch und sah sich umgeben von Bäumen und weiterer Vegetation. Doch auch diese war infiziert wie die ganzen Untoten hier. Die Vegetation hatte längst ihr kräftiges Grün verloren und schien mehr tot als lebendig zu sein und doch war da noch der Hauch der Tyrothmagie, der sie am Leben hielt. Bald schon waren auch die Begleiter des Ritters aus dem Gang herausgeklettert und begannen sich ebenfalls zu orientieren. Als Medin herauskam kam der Schleichlehrer nicht umhin ihn zu mustern. Er konnte es noch immer nicht ganz glauben, dass er wirklich geheilt war und dass die Feuermagierin Ed es in so kurzer Zeit geschafft hatte solch einen Dämon auszutreiben. Doch gleichzeitig war er froh, dass es ihm wieder besser ging und das nicht nur weil sie jeden Mann dringend brauchten. ,, Ich schwöre bei dem Schwert in meiner Hand und Innos, dass ich Marius zur Rechenschaft ziehen werde“, verkündete der Streiter, als alle anderen sich umgesehen hatten. ,, Der wird bereuen mich getäuscht zu haben“, steuerte Uncle bei. Bald schon hatte jeder einzelne seinen Beitrag dazu geleistet und alle waren sich einig, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würden um den Dämon zu stoppen. Auch wenn sie genau wussten, dass es so oder so keine andere Möglichkeit gab. Ohne weitere Worte zu verlieren und in stiller Übereinkunft schritten sie so leise wie nur möglich durch den Wald um nicht unnötig Untote oder Dämonen auf sich zu ziehen. Wobei das Leise-Sein nicht besonders gut funktionierte. Zumindest nicht für die Ohren des Schleichlehrers. Doch daran würde er im Moment herzlich wenig ändern können und so hielt er lieber den Mund als irgendeinen Kommentar in der Richtung abzugeben.
Fast bedrohlich lag der Wald vor ihnen. An jeder Ecke konnte irgendetwas lauern und langsam wurde der Ritter das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden. Er spürte es fast schon körperlich, dass hier irgendwas lauerte. Irgendetwas verdammt großes oder es waren einfach unglaublich viele. Als er einen Blick zu Drake hinüber warf, sah auch der Feuermagier nicht so aus, als fühlte er sich wohl. Wahrscheinlich fühlte er die Anwesenheit der Untoten und Dämonen wirklich körperlich. Dennoch musste das ja noch nicht heißen, dass sie auch angegriffen wurden, beruhigte sich der Schmied. Vielleicht waren die Wesen einfach zu dumm um zu bemerken, dass sie sich weiter und weiteren ihrem Meister näherten oder vielleicht hatten sie nur den Befehl die Stadt anzugreifen und auf nichts anderes zu achten. Wie der Schwarzhaarige sich auch innerlich zu beruhigen suchte, es passte einfach nicht. Das Böse war hier und es konnte jeden Moment losschlagen. Doch wenigstens waren sie vorbereitet. Die Magier hatten schon unlängst ihre Runen griffbereit und alle Streiter hatten ihre Schwerter gezogen. Doch wenn die Magier ihre Magie benutzten würden, dann würde der Wald schneller als sie gucken konnten in Flammen aufgehen und sie ebenfalls. Sie mussten einfach sehen, dass sie hier schnell wieder herauskamen.
Atemlos erreichten sie das Ende des Waldstückes. Erleichterung machte sich in der Gruppe breit. Nun wo sie nicht mehr im Wald gefangen waren, konnten die Feuermagier ihre volle Zerstörungskraft einsetzen und die Dienerkreaturen von Marius in ihre Schranken verweisen.
,, Dort drüben in der Höhle ist er“, Medins Stimme war recht leise, doch jeder konnte sie verstehen und als er auf den Aufenthaltsort des Dämonen zeigte, war allen klar, dass es schon bald losgehen würde. Schon bald würden sie dem mächtigen Magier gegenüber stehen und sich mit ihm messen. ,, Ich sollte euch danken Ritter. Ihr habt meinem Meister geholfen die Tränen in seinen Besitz zu bringen, wie er es vorausgesagt hatte und nun helft ihr mir meinem Herren einen großen Dienst zu erweisen“. Ungläubig guckte DraconiZ auf den kleinen Mann, der in einiger Entfernung stand und um den sich ein einige Untote ringen. Der Gardist wusste nicht genau woher, aber er kannte diesen kleinen Mann irgendwo her. Er strahlte keine besondere Gefahr aus und doch war irgendetwas unglaublich Kaltes und Grausames in seinem Blick. ,, Was verleitet einen Tyrier sich der Sache von Marius anschließen?“, meinte Spike anstelle des Schmiedes zu dem kleinen Mann, der immer näher kam. Es war Augenscheinlich, dass er zu Marius Knechten gehörte, wenn er sich mit Untoten umgeben konnte. ,, Macht Magier. Ich werde der höchste General meines Herren sein, wenn er erst Herrscher über diese Insel ist“. Der kleine Mann bleckte die Zähne und machte einen wahrhaft Ekel erregenden Eindruck. Doch wo der Schwarzhaarige diesen kleinen Mann betrachtete, fiel ihm plötzlich ein woher er ihn kannte. ,, Ihr wart es, der mir in Khorinis das Buch über die Tränen gegeben hat verdammtes Scheusal! Ihr habt uns im Auftrag Marius’ erst hierher gelockt“. Der kleine Mann begann fürchterlich zu lachen, wobei sein Gesicht nicht wie bei den meisten Menschen schöner wurde, sondern noch abscheulicher. ,, Mein Meister wusste, dass ihr es schaffen würdet in die Stadt zu kommen und er wusste, dass ihr euch eine solche Situation nicht entgehen lassen würdet. Dies reicht aber nun auch. Marius wird mich fürstlich entlohnen, wenn ich ihm eure Köpfe bringe“.
Im nächsten Moment stürzten sich die Untoten, die in Begleitung des kleinen Mannes waren auf die Gruppe und ein harter Kampf entbrannte, noch bevor sie Marius zu Gesicht bekamen. Während Feuermagie die Untoten versengte und Schwerter ihre Körper so lange peinigten, bis sie ihre restliche unheilige Energie ausgehaucht hatten. DraconiZ hingegen bewegte sich so schnell und effektiv wie möglich an den Untoten vorbei und griff den kleinen Mann an. Niemand würde ihn so einfach täuschen. Wenn sie hier sterben würden, dann wäre es die Schuld des Schwarzhaarigen. Er war es gewesen, der Medin davon erzählt hatte und den Stein überhaupt ins Rollen gebracht hatte und nicht einmal daran gezweifelt hatte, dass das Buch ein Vorwand gewesen war um sie hierher zu holen. Auch wenn der kleine Mann recht wehrlos aussah, so war es keinesfalls. Denn als er merkte, dass der Schmied sich näherte blitzten seine Augen unheimlich auf und er begann sich zu verändern. Nicht nur das er immer hässlicher wurde, er wurde auch immer größer und unmenschlicher. Scheinbar versammelte er alle schwarze Energie, die er in sich hatte, und zeigte sein wahres Gesicht.
Als der Ritter schließlich vor ihm stand war er von einem der Wesen, die sie in der kleinen Häuseransammlung mit dem Brunnen angegriffen hatten, nicht mehr zu unterscheiden. Zumindest für den Streiter nicht. Sprechen konnte er nun wahrscheinlich auch nicht mehr, denn er gab keinen einzigen Laut mehr von sich und stürzte sich auf den Schwarzhaarigen.
Doch dieser lies sich nicht in die Defensive drängen. Er würde Vergeltung üben für diesen Trick sie hierher zu locken und den Dämon nicht ungestraft davonkommen lassen. Immer wieder wirbelte Valien durch die Luft und fügte dem Untier Wunden zu, die zwar nicht besonders tief waren, aber die es insgesamt schaffen sollten den Dämon zu schwächen. Doch es klappte nicht, wie der Schmied es sich gedacht hatte. Denn anstatt langsam nachzulassen, begann der Dämon nur umso heftiger auf ihn einzuschlagen. Weiter und weiter wurde der Ritter in Bedrängnis gebracht und kam doch in die Defensive, so dass er sich mit blitzschnellen Ausweichmanövern und Rollen behelfen musste. Immer wieder versuchte der Ritter einen Angriff zu starten, doch er kam nicht dazu. Dieser Möchtegerngeneral war wesentlich kräftiger, schneller und ausdauernder als die Dämonen, denen sie vorher begegnet waren. Langsam aber sicher hätte der Schmied einsehen müssen, dass er nicht gewinnen konnte, doch das tat er nicht. Er lies sich von seinem Zorn lenken und war die ganze Zeit fest davon überzeugt, dass er dem Ungeheuer gewachsen war und schließlich siegen würde.
Er war Streiter Innos und so war es seiner Aufgabe solcherlei Getier zu bezwingen. Egal welchen Preis dies fordern mochte.
Schließlich kam es wie es kommen musste. Einem rechten Prankenhieb konnte der Schleichlehrer noch ausweichen, aber der linke Schlag der noch folgte fegte ihn von den Beinen und lies ihn zu Boden gehen, während sein Schwert in unerreichbare Ferne fiel. Gerade als der Schmied den erneuten Angriff erwartete und schon zwei seiner Dolche gezückt hatte um dem Biest noch einmal nachzusetzen wurde der Dämon von einem Feuerstrahl umgeworfen. DraconiZ dankte still, demjenigen der ihm geholfen hatte, steckte die Dolche zurück und rollte sich auf dem Boden bis zu seinem Schwert. Als er wieder aufsprang und zu dem Monster herüber ging war dieses immer noch blind von der Attacke und der Schleichlehrer brachte es so schnell es ging zu einem Ende.
Dennoch fühlte er sich keinen Deut besser als das Biest zu Boden ging und sich nicht mehr regte. Noch einen Moment betrachtete er dies Wesen und wurde sich dann des anhaltenden Kampfeslärmes gewahr. Der Kampf war noch längst nicht gewonnen. Wieder raffte sich der Ritter auf und eilte zu den anderen herüber um die Untoten wenigstens etwas zu dezimieren und den Weg zu Marius frei zu machen.
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Uncle kannte den kleinen hässlichen Mann im Gegensatz zu manch anderem nicht. Nein, er mochte keine Leute, die klein und hässlich waren und als der Kerl sich wenig später noch in einen deutlich größeren Dämon verwandelte, da war die Asympathie perfekt.
Doch während des Kampfes konnte Uncle nicht viel denken und sah sich statt dessen gezwungen zu handeln. Er wütete wie ein Berserker in den Reihen der Untoten und ließ all den Frust, den er in der Stadt gesammelte hatte über sein Schwert in die untoten Körper gleiten.
Hinter ihm gaben die Feuermagier ein tödliches Spektakel zum Besten, das Uncle beeindruckte, aber die wandelnden Leichen in stinkende Haufen verwandelte. Doch so gut der Kampf begonnen hatte, sosehr machte sich wenig später die Übermacht des Bösen bemerkbar.
Draconiz kämpfte wild entschlossen gegen den Dämon, aber langsam schien er zu schwächeln und Uncle, der versuchte ihm zur Hilfe zu eilen, wurde von etwa 3 Skeletten davon abgehalten bis zu seinem Gefährten vorzudringen. Den anderen erging es nicht anders und so musste bald ein jeder von ihnen um sein Leben kämpfen und konnte dabei nicht mehr auf den Sieg hoffen.
Uncles Gegner ergänzten sich mit tödlicher Präzision perfekt. Jeder der drei Skelette führte ein altes Schwert und einen rostigen Schild. Eines von ihnen hatte sogar den Helm eines tyrischen Soldaten auf dem Schädel. Selbiger sah fast genauso aus, wie derjenige, den Feydieth auf seinem tyrischen Soldatenkopf trug.
Da preschte das Skelett mit Helm nach vorn und schlug die Klinge mit einem gewagten Streich von rechts-oben in einer leicht geschwungenen Kurve nach unten. Uncle, der nach hinten nicht ausweichen konnte, weil ein Feldstein den Tritt unsicher machte, parierte den Schlag und ehe er auf den nächsten Schlag der anderen Untoten reagierte, trat er dem Skelett mit aller Kraft in den Schritt.
Der Beckenknochen des Monstrums knackte gefährlich, brach und zersplitterte in viele kleine Teile. Der Lord hatte jedoch genug Schwung in den Tritt gelegt, um diesen nun nicht mehr auffangen zu können. So stolperte er nach vorn in den zusammenstürzenden Knochenhaufen seines Gegners und stand nun direkt zwischen den anderen beiden, die sich auf ihn gestürzt hatten.
Sein Pech war auch sein Glück, denn die unheilige Magie, welche die Wesen lenkte, hatte nicht damit gerechnet, dass der Lord so handeln würde. So mussten sich beide erst dem Soldaten zuwenden. Diese Zeitspanne reichte gerade noch, um einen weiteren Sprung nach vorn zu wagen und schon griffen die beiden wieder an.
Als Uncle so mit dem Rücken zu ihnen stand und sein Ende kommen sah, da spürte er sengende Hitze in seinem Rücken. Als er sich umsah, da war von beiden Skeletten keine Spur mehr vorzufinden. Diese Feuermagier sind wahrlich Gold wert., dankte er Innos.
Nun konnte der Hauptmann sich endlich wieder auf den Weg zu Draconiz machen. Zumindest wollte er das, aber als er sah, dass sein Gefährte den Dämonen gerade besiegt hatte, da eilte er lieber den anderen zu Hilfe, die in schlimmerer Situation verhindert waren.
Langsam aber sicher wendete sich das Kampfesglück zugunsten der Gefährten. Seit dem Tod des Dämons, der als Anführer der Gruppe gewirkt hatte, verloren auch die anderen Untoten etwas an Kraft und waren damit leichter zu bezwingen. Endlich hatten sie wieder Aussicht auf Erfolg und nur noch ein kleiner Rest von Feinden konnte sie von jener Höhle abhalten, in der Marius seinen teuflischen Plan vollenden wollte. Bei Innos, wir werden dich stoppen.
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Erschöpft ließ Medin die Klinge zurück in die Scheide fahren. Sie würde nur kurz ruhen dürfen. Alle Skelette lagen zusammen mit ihrem Befehlshaber danieder gestreckt am Boden. Letzterer hatte durch seine Großer-Dämon-im-kleinen-Mann-Nummer zwar ziemlich beeindruckt, Fragen befriedigt und neue aufkommen lassen, was aber dann auch schon alles gewesen war. Draco hatte es vollbracht dieses hässliche Geschöpf zu seinem Gott zurück zu schicken, postwendend sozusagen, während sich Streiter und Magier im Kampf wie noch nie zuvor ergänzt hatten. Eine ganz schöne Sauerei hatten sie hier veranstaltet, würden doch Generationen von Archäologen kommender Epochen an dem großen durcheinander geschleuderten Haufen von Knochen zu rätseln haben. Dieser war aber wirklich ein Produkt großartiger Teamarbeit, zu der jeder Einzelne beigetragen hatte. Das war es, was den Ritter mit Stolz erfüllte; Teil einer Gemeinschaft zu sein, die mit der Bedrohung zusammengewachsen war, sich auf jedes einzelne Mitglied verlassen konnte und mit jeder neuen Herausforderung über sich selbst hinaus wuchs.
Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass schon ziemlich viel Zeit verstrichen war. Zu viel Zeit. Nachdem sich Medin einen dieser eklig kleinen Ohrknochen eines Skeletts (welche sich im Schädel eines der Gegner befunden hatten) aus dem Haar gefischt hatte und auch die anderen nicht mehr von solchen Kleinigkeiten aufgehalten wurden, wandte man sich dem Höhleneingang zu. Die Eisentür wirkte sehr mächtig und ging nahezu fugenlos in den gemauerten Rahmen über, welcher einem Brecheisen keine Chance ließ. Einen Schlüssel hatten die Abenteurer bei den Besiegten nicht gefunden, was wohl in Ermangelung eines Schlosses auch wenig weiter geholfen hätte. Der Südländer entledigte sich eines Stahlhandschuhes und tastete die Tür ab. Keine zwei Sekunden der Berührung vergingen und die Hand zuckte zurück. Erschrocken starrte er auf seine Finger. Es hatte sich so angefühlt, als hätten sich die Zahnreihen eines Dämons in das Fleisch gegraben, doch war kein Schaden zu erkennen. Vorsichtshalber zog er den Handschuh wieder an.
„Scheint mit einem Schutzzauber belegt zu sein“, warf einer der Magier ein.
„Kann man ihn brechen?“
„Selbst wenn, wird die Tür weiterhin einem magischen Verschlusszauber unterliegen, den wir wohl nur mit Hilfe der Darath brechen könnten“, lautete die Antwort auf des Schmiedes Frage. Dieser blickte nachdenklich auf die Tür. So nah und doch so fern.
„Was würde Marius machen, wenn er hier rein wollte?“
„Wahrscheinlich hat er sich teleportiert.“
Diese Tür war doch aber nicht zum Spaß da und auch nicht für selben bewacht! Schließlich machte die Fantasie des Kriegers die mangelnden Kenntnisse in molekularer Chemie wett.
„Vielleicht ist diese Tür keine so unüberwindbare Barriere, wie sie uns glauben machen will.“ Medin hatte eine Theorie und brauchte einen Beweis. Mit wenigen Schritten eilte er zu dem Knochenhaufen, schnappte sich eine Elle und stand kurze Zeit wieder vor der Tür. Wie einen Stein warf er den Knochen gegen die Pforte, doch passierte er sie ohne Widerstand.
„Diese Tür scheint untote Materie passiere zu lassen. Allein das lebende Fleisch auf unseren Knochen hindert uns daran sie zu durchschreiten.“
„Na toll und wie schälen wir uns nun die Haut von den Knochen“, kam der verärgere Einwurf von Uncle, dem es wie den anderen gar nicht gefiel so untätig in der Nähe von Marius zu sein.
„Einen Moment noch!“ Mit einer Handbewegung gebot der Ritter dem Lord und Hauptmann Stille; eine unter anderen Umständen höchst schändliche Handlung. Die Miene seines Vorgesetzten außer Acht lassend eilte er noch einmal zu dem Haufen und pickte sich vier gleichlange Knochen heraus. Diese hielt er wie einen Bilderrahmen aneinander, so dass eine quadratische Öffnung entstanden war. Hoffentlich stimmte die Theorie. Den Knochenrahmen hielt er nun an die Eisentür.
„Möchte jemand die Hand durchstecken?“ Draco erklärte sich dazu bereit. Tatsächlich, es funktionierte! Die Hand glitt wie durch eine Wasserschicht hindurch. Die Theorie stimmte!
„Die Quellen der Magie, die diese Barriere dauerhaft aufrechterhalten befinden sich wohl in den Rahmen eingelassen, wodurch man Öffnungen schaffen kann. Ansonsten wäre es den Schergen von Marius auch nicht möglich Waffen oder ähnliches mit hindurch zu tragen“, erklärte Medin, der unter anderen Umständen sogar von sich selbst überrascht gewesen wäre. Innos meinte es wohl gut mit ihm.
„Sollen wir jetzt die ganze Nacht damit zubringen einen mannsgroßen Rahmen aus Knochen zu basteln?“ Der Einwand war berechtigt, doch vermutete Medin, dass das überflüssig sein würde.
„Ich denke nicht, dass Marius diesen Zauber auch von innen aufrechterhält. Er braucht die Kraft für seine Armee. Mit ein bisschen Glück ist diese Tür doch nicht so ungewöhnlich, zumindest nicht von der anderen Seite her. Wenda, hältst du das mal bitte?“ Er gab das Quadrat aus Knochen in die ruhigen Hände der Barbierin, welche ihn wieder an die Tür hielt. Diesmal war es Medin, der den ganzen Arm hindurch steckte. Innos lass kein Zähnebewehrtes Maul auf der anderen Seite sein! Die Barriere fühlte sich tatsächlich wie eiskaltes Wasser an. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte tastete er im Ungewissen.
„Etwas weiter nach links“, dirigierte er die Ritterin, die darauf hin den Rahmen verschob. Auf einmal spürte er es in seiner Hand. Eine Klinke! Ein Klacken kündete vom öffnen des Schlosses und langsam schwenkte sich die Tür nach innen. Kurz huschte ein Schmunzeln über das Antlitz des Streiters, doch wurde er sich sofort wieder des Ernstes der Lage bewusst.
Als die Tür vollständig aufgeschwungen war (und das ohne weiteres zu tun der Eindringlinge) blickte ihnen gähnende Schwärze entgegen. Ein dunkles Loch, was förmlich nach schwarzer Magie roch und von Ausgeburten dieser wohl nur so wimmelte. Auf ins Vergnügen! Die Waffen wurden gezogen und einer nach dem anderen betrat den Gang, in dem gut zwei Männer nebeneinander aufrecht stehen konnten. Die Wände waren aus gewachsenem Fels, jedoch glatt gehauen, wie es kein Steinmetz vermocht hätte. Wahrscheinlich ein Werk des Todesgottes. Der Stein war schwarz und reflektierte kaum Licht. Langsam tastete sich die Gruppe weiter vor, als ein fürchterlicher Knall ertönte, gefolgt von einem metallischen Scheppern. Sofort war es dunkel. Nachdem wohl jeder der Abenteurer zusammengeschrocken war, wurde ihnen gewahr, dass die Tür ins Schloss gefallen war. Erst nachdem drei Lichtkugeln über ihren Köpfen schwebten war wieder etwas zu erkennen. Doch das Licht war matt. Die Wände schienen es zu schlucken und nicht mehr preisgeben zu wollen. Hoffentlich hatten sie nicht noch mehr Überraschungen. Medin würde den Teufel tun sie zu berühren.
Mangels Zeit wie Perspektiven entschlossen sie sich weiter zu gehen. Nur ein paar Meter vor und hinter der Gruppe wurde der mit seltsamen Runen verzierte Boden erleuchtet. Ansonsten umgab sie tiefste Schwärze. Je weiter sie in de Berg Hineinschritten, desto mulmiger wurde Medin. Zweifel nagten. War Marius überhaupt hier oder vergeudeten sie bloß die kostbare Zeit, während die Tyroth ihr Leben ließen? Was für ein Spiel wurde hier überhaupt gespielt? Spielte die Höhle selbst mit ihnen? War es ein Spiel der Götter, auf deren Brett die Reisenden nur einige wenige von unzähligen Figuren waren? Wurde hier das berühmt berüchtigte Bauernopfer erbracht?
Letzterer Verdacht erhärtete sich, als kurze Zeit später die Wände nicht mehr glatt waren, sondern von unzählbaren… Dingern geschmückt wurden. In der einen Nische befanden sich grässliche Entstellungen von Schädeln, denen Knochenauswüchse aus den unvorstellbarsten Regionen entsprangen. In der nächsten befanden sich Knochen auf der Klaue eines Dämons aufgespießt, der Rest von selbigem fand sich in der nächsten Nische als eine Art Kunstwerk in drei Dimensionen verteilt wieder. Weiterhin schmückten hässlichste Formen verschiedener Zombies und anderer unkenntlicher Gestalten das Gruselkabinett. Zudem waren die Wandabschnitte dazwischen mit seltsamen Zeichnungen und Gravuren versehen. Diejenigen, die man im schwachen Schein der Lichtkugeln entziffern konnte, stellten grausame und sehr realistisch dargestellte Rituale dar. Nun war kein Zweifel mehr da. Hier waren sie definitiv richtig – im Reich eines schwarzen Magiers. Das waren wohl alles Ergebnisse mehr oder minder geglückter Experimente. Sein ganzer Wissensschatz schien auf den endlosen Wänden niedergeschrieben zu sein und ergab wahrscheinlich auch nur für ihn ein ganzes Bild. In Medin keimte Furcht auf Grund der ihm sich bietenden Anblicke auf, die alles in den Schatten stellten, was der Krieg dem jungen Südländer bisher schon präsentiert hatte. Verflucht, jeder ist ein Lügner, der behauptet hier drinnen keine Angst zu empfinden, schoss es ihm durch den Kopf. Doch die Frucht durfte sie jetzt nicht aufhalten. Dafür stand einfach zu viel auf dem Spiel. So war es der Wille, der die Furcht, die ihn verzagen lassen wollte, überspielte, zusammen mit der Entschlossenheit dem Albtraum ein Ende zu machen.
Einige Zeit waren sie durch die „Allee des Schreckens“ (wie Medin den Gang insgeheim getauft hatte) gewandelt, bis sie vor eine große steinerne Pforte traten. Auf Bemühungen Medin und Dracos hin tat sich nichts. Sie war fest verschlossen. Hier mangelte es zwar nicht an Knochen, doch bezweifelte Medin, dass derselbe Trick ein zweites Mal funktionieren würde. Stattdessen entdeckten sie einen Schriftzug über der Tür. Medin konnte sie nicht lesen, Draco passte ebenfalls. Zweifellos musste das der Schlüssel sein, doch waren die Buchstaben einer fremden Sprache entsprungen. Einer nach dem anderen beschaute sie sich, doch erst, als einer der Feuermagier vor die Tür trat, leuchtete die Zeile in hellem Gold auf.
„Keine Ahnung warum, aber ich kann sie lesen“, erlöste Ed die schon verzagenden. „Da steht: „Dreifaltigkeit musst du erlangen, zu öffnen die Pforte der Darath“.“ Die Worte schwebten förmlich im Raum. Was mochten sie bedeuten? Die Schwerter ruhten schon lange wieder in den Scheiden, als endlich ein Lösungsansatz in Sicht kam.
„Diese Anlage scheint ursprünglich von Darath vergangener Epochen erbaut worden zu sein, bevor sie Marius entweiht hat. Die Darath sind…“
„… drei Magier“, vollendete Draco den von Tomarus begonnenen Satz. „Also können nur drei Magier die Tür öffnen, wenn ich die Dreifaltigkeit in diesem Zusammenhang richtig deute.“
„Aber wir sind drei Magier des Feuers“, gab Drake zu bedenken. „Die Darath gehören unterschiedlichen Magieschulen an.“
„Wir dürfen uns nicht von solchen Kleinigkeiten aufhalten lassen“, erwiderte Uncle trotzig. Ob er es auch so gemeint hatte? Auf alle Fälle hatte er in dem Punkt Recht, dass man eben mit drei Feuermagiern auskommen musste. Diese begannen nun die Tür zu untersuchen.
„Seht nur!“ Es hatte nur ein paar Sekunden gedauert, bis die Auserwählten drei kreisrunde Öffnungen in den Tür gefunden hatten. Anscheinend offenbarte sich diese Tür nur Magiern.
„Wo führen die Öffnungen hin“, wollte Medin wissen.
„Kann ich nicht erkennen“, erwiderte Spike. „Es scheinen Rohre zu sein, die sich in der Tür winden. Wohin kann man nicht sehen.“ Gleichzeitig schien den drei Magiern eine Idee zu kommen.
„Wenn sich diese Tür nur uns Erwählten offenbart, dann muss man sie auch mit Magie öffnen.“ Kaum hatte Ed diese Worte ausgesprochen, berieten sich die drei Magier, um danach jeweils vor einer der Öffnungen Stellung aufzunehmen. Sie geboten den Streitern zurück zu treten. Nach kurzer Konzentrationspause schließlich schossen Flammen aus den Händen der Magier in die Rohre. Wie gebannt starrte Medin auf das Spektakel. Auf einmal glühten bisher unsichtbare fremdartige Runen auf der Tür auf, ein Zischen war zu vernehmen. Irgendein magischer Mechanismus musste durch das Inferno in Gang gesetzt werden. Staub rieselte von der Tür wie der Schnee, der im Winter von den Dächern Khorinis’ geweht wurde. Dann endlich öffneten sich die beiden Torflügel und gaben den Blick frei. Noch immer von dem Rätsel und deren Lösung beeindruckt schritten die Abenteurer hindurch. Hinter der Tür führten kunstvoll gehauene Stufen in eine große Halle hinab.
Als die Gefährten schließlich in der Halle standen, klappte so manchem die Kinnlade runter. Die Lichtkugeln erhellten nur einen kleinen Bereich, doch genügte dieser, um zu erkennen, dass dieser ganze Tempel ein einziges Kunstwerk. Der Boden unter ihnen war gerade zu übersäht mit Gravuren, die so kunstvoll ihre Linien schwangen, dass man wohl lange gebraucht hätte, um die Motive zu erkennen. In regelmäßigen Abständen befanden sich ebenfalls reich verzierte Säulen, die schier endlos in die Höhe ragten. Die Decke dieser Halle reihte sich bestimmt in dieses Bild ein, doch war sie von hier unten gar nicht zu sehen, denn trotz der Lichtkugeln hüllte sie sich in die Dunkelheit. Die Eindrücke in Medin überschlugen sich. Dieser Halle war von so atemberaubender Schönheit und doch so unverkennbar von Boshaftigkeit durchdrungen. Es gab keine konkreten Anhaltspunkte für die Bosheit – sie lag einfach in der Luft. Sie verdickte die Luft, die der Schmied einatmete und ließ die Lungenflügel vibrieren.
„Ihr habt es also tatsächlich geschafft.“ Die Stimme donnerte von den Wänden wieder und ließ sie all ein wenig zusammen fahren.
„Marius!“ Es war Draco, der die Stimme so nannte. So klang also der berüchtigte Marius, dachte sich Medin.
„In all seiner schrecklichen Schönheit. Ich gebe zu, dass ich euch unterschätzt habe. Ihr habt die drei Prüfungen dieses uralten Darathtempels bestanden. Die Eingangspforte, die Gänge der Furcht und schließlich die Darathpforte. Wie konnte ich ahnen, dass gleich drei Magier unter euch sein werden, als ich meinen Schüler, den ihr bereits kennen gelernt habe, euch das Buch habe zukommen lassen. Das wird euch aber nun auch nicht mehr helfen.“ Die Stimme, die von dem Zufall berichtete, kam von überall. Zufall, oder war es vielleicht Vorsehung?
„Wo versteckst du dich, elender Feigling?“ Es war Uncle, dem die Wut aus der Seele sprach. Als Antwort erntete er ein kaltes und durchdringendes Lachen.
„Ihr seid so weit gekommen und seid dennoch törichte Narren. Warum habt ihr euch nicht einfach auf eurer Schiff gesetzt und seid wieder in eure Heimat gesegelt? Warum habt ihr Tyrien nicht einfach seinen Schicksal, mir, überlassen?“ Verflucht, wo kam die Stimme bloß her? Sie mussten Zeit schinden.
„Und dir dieses Land überlassen? Was ist denn, wenn du es vollständig unterworfen hast? Sind andere Reiche nicht dein nächstes Ziel?“ Medin hätte schwören können, dass dieser Schuft belustig schmunzelte. Doch wo? Marius ging nicht auf die Herausforderung ein.
„Du fragst dich verzweifelt, wo ich bin? Du bist Medin, richtig? Deinen Geist habe ich mit meiner Magie schon einmal gebrochen, um die Saat des Misstrauens zwischen euch zu sähen…“
„… was dir deutlich misslungen ist!“ Inzwischen war auch Medin rasend vor Wut. Dieses Schwein war also dafür verantwortlich, dass er um ein Haar Draco umgebracht hätte.
„Ich habe in den Jahrhunderten, die ich lebe schon so viele wütende Menschen gesehen. Die meisten starben durch mein zutun. Du wirst da keine Ausnahme bilden.“
„Jahrhunderte? Wer…. Was bist du?“
„Was ich bin oder was ich war?“ Aus der Stimme war jegliche Einschmeichelung verschwunden, der die Gefährten erlegen sein mussten, als sie in den Palast eingedrungen waren. Sie war einem boshaften Hohn gewichen. Wieder lachte sie auf. „Einst war ich ein Mensch. Ja, ich war ein Tyroth und sollte sogar Darath werden. Doch man hinterging und verbannte mich…“
„Also suchtest du Trost bei Beliar, welcher dich ebenfalls hinterging!“
Einmal mehr lachte Marius. „Du bist viel zu naiv. Ich schloss einen Pakt mit dem Gott der Finsternis. Ewiges Leben und die Fähigkeit, eine wahrhaft gewaltige Armee auszuheben, gewährte er mir, wenn ich dafür die Geisel der Untoten über Tyrien bringe. Solange habe ich darauf hingearbeitet und nur die Tränen Innos’ hielten mich auf. Daher bediente ich mich nach Jahrhunderten des alleinigen Kampfes eurer Hilfe. Ihr habt mich wirklich nicht enttäuscht.“ Spottendes Gelächter folgte. Medin jedoch war hellhörig geworden.
„Die Tränen, wo sind sie?“ Das Gelächter verstummte, ein grässliches Brummen ertönte, bevor wieder die Stimme Marius’ in der Halle erklang.
„Dort, wo ihr sie nie erreichen könnt.“
„Das wollen wir doch mal sehen!“ Selbstbewusst und fast wie aus einem Mund sprach ein jeder der Gruppe diese Worte aus. Medin war selbst davon überrascht.
„Holt sie euch, wenn ihr könnt. Doch eher werdet ihr zu meinen Dienern! Eure Lebensfäden enden genau hier!“ Kalte Bestimmtheit lag in der stimme des Feindes, kein Lachen war mehr zu hören.
„Marius!“, schrie Medin, doch keine Antwort ertönte. Stille, in der ganzen Halle.
Sekunden verstrichen, doch kamen sie Medin wie eine Ewigkeit vor. Alle starrten in die Dunkelheit, um irgendetwas auszumachen, doch sahen sie nur in Beliars Schwärze.
Auf einmal ertönte ein leises Geräusch, als würde etwas Hartes auf dem steinernen Boden greifen. Sofort riss Medin Trolltöter aus der Scheide und wandte sich der Richtung zu. Wieder Stille. Da war nichts, nicht mehr. Da, ein Schatten! Kurz hatte er im Augenwinkel etwas hinter einer der Säulen huschen sehen. Doch als sich die Blicke auf die Stelle hefteten, waren dort wieder nur die Stille und die Dunkelheit.
Wieder verstrichen die Sekunden im Stile der Ewigkeit. Das Herz schlug Medin bis zum Hals. Auf einmal spürte er, wie Staub auf seine Schulter rieselte. Ein Rauschen ertönte in der Halle. Flügelschläge!
„Bei Innos, was für ein Monster“, flüsterte Medin. Alle Streiter hatten ihre Waffen gezogen. Die Gefährten waren Rücken an Rücken enger zusammen gerückt. Medin starrte nach oben. Von wo würde er bloß kommen?
Als er ihn sah war es bereits zu spät. Senkrecht von oben schoss der Gegner aus der Dunkelheit der Halle herab und landete in der Mitte der Gruppe. Die hässliche Fratze entblößte die Zähne mit einem Grinsen, bevor das Ungetüm die Hand hob. Eine gewaltige Schockwelle entfaltete sich, riss sie alle von den Füßen. Ein jeder wurde einige Meter hinfort geschleudert.
Medin schmeckte winzige Steinchen zwischen seinen Zähnen, als er sich vom Boden wieder aufrappelte. In einiger Entfernung stand der Dämon Marius, bereit zum Angriff. Der wahre Kampf um das Schicksal Tyriens hatte begonnen.
Geändert von Medin (07.06.2006 um 10:23 Uhr)
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Immer noch hatte die Magierin den Gedanken im Hinterkopf, weshalb ausgerechnet sie diese Runen hatte lesen können. Zwar kannte sie einige aus Büchern, aber trotzdem war es schon ein großer Zufall hier, so weit ab von ihrer Heimat und auch von Khorinis, eine fremde Schrift einfach entziffern zu können. Aber im Augenblick hatten sie alle wirklich wichtigere Dinge zu tun. Dieser Tempel war einfach gigantisch groß und die Blicke verloren sich schnell. Selbst ihre magischen Lichter erhellten nur einen Bruchteil dessen, was das Bauwerk wirklich war. Und ebenso immens wie die Halle war auch ihr Besitzer. Nichts war mehr übrig geblieben von dem einstig menschlichen Wesen, kein junger Mann, der versuchte die Paladine mit seinen schönen Worten einzuwickeln. Weder Geschick, noch Vorsicht lag jetzt in dem, was er von sich gab. Er sprach offen über all seine Pläne. Wahrscheinlich aus überzogener Selbstsicherheit, dachte sich Ed. Aber nicht nur seine Wortwahl hatte sich geändert, ebenso seine Stimme an sich. Sie wirkte nicht mehr wie die eines jungen Tyroth, jetzt war sie bedrohlich, dunkel und hallend. Was auch immer geschehen war, für die Gefährten wäre es auf keinen Fall von Vorteil. Ein Windzug überzog die Paladine und Magier, die alle dicht gedrängt aneinander standen. Schnell überdachte die Magierin noch einmal die Fakten, die sie über die Tränen Innos’ kannte. Alles deutete darauf hin, dass sie nur von Erwählten des Feuers gefahrlos getrunken werden konnten. Aber das bedeutete auch, dass sie für Marius absolut nutzlos sein mussten. Es sei denn, er hätte eine Möglichkeit gefunden, sie zu benutzen, ohne dabei ihren tödlichen Wirkungen zu erfahren. Aber wie es aussah, hatte er ohnehin zig Möglichkeiten durch sein Bündnis mit Beliar. Wenn das ihm auch noch dazu verhalf die Tränen zu trinken, dann standen sie vor einem wirklich gewaltigen Problem. Einem, aus dem Ed keinen Ausweg sah, denn damit würde Marius praktisch unbesiegbar sein. Die Kraft der beiden Götter vereint überstiegen die der drei Magier bei weitem. Selbst der hohe Rat des Klosters wäre im Vergleich dazu schwächlich. Wie sehr die Magierin es doch bereute überhaupt mitgekommen zu sein. Es war einfach töricht von ihr gewesen, sich auf das Abenteuer einzulassen, ebenso wie der Sturm auf den Palast der Darath. Aber im Gegensatz zu dem konnte sie sich nun nicht entziehen. Egal was auch passieren würde, eine hohe Chance auf einen Sieg rechnete sich Ed nicht aus, nicht einmal ein Unentschieden. Der einzige Hoffnungsschimmer für sie war, dass Marius ein schlechter Alchemist war und das, was er aus den Tränen machte, nicht funktionierte. Im Angesicht der Tatsache, dass Marius aber ganze Dämonenheere erschaffen konnte war die Aussicht darauf sehr gering. Leicht seufzend blickte die Magierin sich zu ihren Kampfgefährten um, wie sie selbst hatten wohl auch die anderen Zweifel, was ihren Sieg anging. Dennoch waren die Paladine ein Vorbild an Mut und auch in dieser ausweglosen Situation hatte sie ihr Kampfgeist wohl nicht verlassen. Aber Marius ließ auch nicht sonderlich lange auf sich warten. Sein Hohn drang noch zu ihnen, als ein weiteres Geräusch alles überdeckte. Ed blickte gebannt in die Tiefen der Halle, aber außer Schwärze konnte sie nichts erkennen. Schnell wurde ihr aber klar, dass sie an der falschen Stelle nach Marius suchte. Ein dunkles Rauschen durchzog die Luft über der kleinen Gruppe und alle blickten gebannt in die Höhe, aber nichts außer Dunkelheit war dort zu erkennen. Spike kam auf die Idee ihre Lichtzauber zu verstärken, allerdings hatte auch das keinen sonderlich starken Effekt. Dann durchfuhr die Halle erneut ein Windstoß, fast so, als würde der Kranich der Magierin auf riesenhafte Größe angewachsen sein und durch den Saal fliegen. Aber das war mit Sicherheit kein Tier, was dort gerade los geflogen war. Etwas rieselte von oben herab, aber als Ed gerade nachsehen wollte, was es war schoss aus dem Dunkel ein gigantisches Ungetüm auf sie herab. Was immer es auch war, die Schatten hatten es bisher verborgen und auch jetzt konnte die Magierin es kaum erkennen. Eines stand aber fest, wenn sie dort einfach stehen bleiben würden, hätten sie keine Chance. Die Gruppe stob auseinander, aber so blitzschnell, wie das Ungetüm von der Decke gestürzt war, krachte es auch hinter ihnen auf den Boden, zerschlug die reich verzierten Fliesen und ließ seine weiten Flügen auf die Erde klatschen, so dass alle durch die Wucht des Aufpralls und der Flügelschläge davon geschleudert wurden.
Die Magierin schlidderte eine ganze Weile über die kalten Bodenplatten, bis sie schließlich gegen eine Säule prallte. Ein wenig benommen schüttelte Ed den Kopf und sah sich um. Ihr magisches Licht erhellte nicht viel, aber durch die beiden Zauber von Spike und Drake konnte die Magierin in einiger Entfernung den Dämonen hocken sehen. Er grölte verächtlich und erhob sich. Seine Flügel schlug er dabei weit auf und bekam dadurch monströse Ausmaße. Es war kein Zweifel mehr daran, dass das nun Marius war, ob nun in seiner echten Gestalt oder nicht, es war egal. Wenn er so stark war, wie sein Äußeres es vermuten ließ, dann waren sie ohne Hilfe von den Tyroth wohl verloren. Aber so schnell würden sie nicht aufgeben. Aussichtslose Situation hin oder her. Jetzt waren sie hier und mussten das Beste daraus machen, sie müssten ihr Bestes geben. Vielleicht würde Innos sich dann erkenntlich zeigen und ihnen Hilfe schicken. Zumindest hoffen wollte Ed darauf. Aber jetzt war es Zeit zu kämpfen. So schnell sie konnte rappelte die Magierin sich wieder auf und eilte dem Dämon entgegen. Die Ritter waren schon wieder auf den Beinen und rannten bedrohlich mit ihren Schwertern auf Marius zu. Der aber lachte nur lauthals und parierte die Schläge von Uncle und Wenda zur selben Zeit mit seinen Pranken. DraconiZ und Medin versuchten sich von hinten an den Dämon heranzumachen und ihm ihre Schwerter in den Rücken zu rammen. Aber DraconiZ Schwert glitt vom Schuppenpanzer am Rückrad ab und Medin wurde vom Schwanz des Ungetüms zu Boden geschleudert. Jedoch sprang er ohne zu Zögern wieder auf und versuchte erneut sein Glück. Allerdings war es auch diesmal nur von wenig Erfolg gekrönt. Zwar durchdrang Medins Schwert den Panzer wohl an einer Stelle, aber mit einem Ruck riss Marius sich herum und schlug mit seinen ausgespannten Flügeln alle, die im Weg standen, erneut von den Füssen. Diesmal musste auch die Magierin wieder dran glauben und knallte auf den kalten Stein. Im Augenwinkel erhaschte sie ein loderndes Flammenmeer, das sich schnell in Richtung Marius ausbreitete und ihn mit voller Wucht traf. Drake und Spike hatten sich zusammengetan und ihre Infernozauber zu einer Stichflamme gigantischen Ausmaßes verschmolzen. Der Dämon jaulte vor Schmerz laut auf und stolperte eine Schritte zurück und flog dann wieder in Richtung der Decke davon. Wieder versammelten sich alle beieinander und berieten kurz was sie tun könnten. Körperlich war ihnen Marius um Längen voraus und bisher schien er nur mit ihnen gespielt zu haben. Kombiniert gab die Infernoflamme eine wirksame Waffe gegen den Dämon, aber ihre Reichweite war viel zu gering, um sie einsetzen zu können, ohne dabei sich selbst in zu großer Gefahr zu begeben. Auf Eds Drängen hin ließen die Magier in alle Richtungen einen Hagel kleiner Feuerpfeile zischen und auch der Paladinlord unterstützte sie nach Kräften mit seiner Magie. Aus weiter Ferne hörten sie ein lautes Murren, ganz offensichtlich hatten einige ihrer Geschosse das Ziel gefunden. Als sie die ungefähre Richtung ausgemacht hatten intensivierten die Magier ihre Attacken und schon bald durchzog ein kräftiger Windstoß gefolgt von einem Rauschen den Raum. Drake, Wenda und Tomarus rannten zur rechten Seite davon, Medin, DraconiZ und Ed zur Linken und Spike und Uncle direkt vorne weg. Und wie schon zuvor brach Marius mit einem riesigen Knall auf den Fleck, wo die Gefährten gerade noch gestanden hatten. Splitter der Fliesen flogen der Magierin um die Ohren und ein tiefes Brüllen kam vom Dämon. Mit rasender Geschwindigkeit sprang Marius in großen Schritten Uncle und Spike nach, offenbar hatte er die anderen aus den Augen verloren. Drake und Ed aber bedeckten den Rücken und die Flügel des Ungeheuers mit zwei Feuerstürmen, die auf dem Schuppenpanzer zerplatzten und in unzählige kleine Flammen zersprangen, die sich in die Schuppen einbrannten. Wieder ein lautes Brüllen, diesmal aber schmerzverzerrt und klagevoll. Aber es hatte nicht geendet. Spike entflammte direkt vor dem Dämon erneut seinen Infernozauber und versengte ihm die Front. Uncle stürmte während dessen, sein Schwert zum Schlag bereit, in Richtung der rechten Pranke und vergrub seine Klinge tief in die Schuppenhaut des Dämons. Die restlichen Streiter machten es dem Lord gleich und rannten auf Marius zu.
Offenbar war dieser von der Wehrhaftigkeit seiner Gegner dermaßen überrascht, dass ihm kein Plan einfiel, um aus der prekären Lage herauszukommen. Ein lautes Heulen gab er von sich und rannte wutentbrannt sowohl Uncle als auch Spike um, ohne dabei den Feuerzauber zur Kenntnis zu nehmen. Die anderen halfen ihren Gefährten wieder auf die Beine und sahen sich wieder vor einer schwarzen Wand aus Finsternis. Wenn das so weiter ginge hätte Marius gewonnen. Er könnte sich immer und immer wieder im Dunkeln verstecken, seine Kräfte regenerieren, während die Paladine und Magier vor ihm wie auf einem Präsentierteller säßen. Es musste irgendetwas passieren, damit sie ihn doch sähen. Und wie durch Zufall schoss Ed der kleine Apfel von Tinquilius durch die Gedanken. Die ganze Zeit war sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, nach einem Ausweg zu suchen oder einem Angriff aufzuweichen. Jetzt war es aber an der Zeit selbst zum Angriff überzugehen und dazu würde sie selbst den Dämon aufspüren. Kurz entschlossen schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Alles war verschwommen, bei so viel Magie an einem Ort war es wahrlich kein Kinderspiel herauszufinden, was Marius war und was nicht. Hinzukam, dass die Lichter von Drake und Spike sie aufblinzeln ließen. Aber dort war er. In einer entfernten Ecke hockte Marius wie eine riesige Fledermaus und wartete nur darauf auf sie hinabzustürzen. Ed schrie auf und deutete mit den Fingern in Richtung Dunkelheit. Verwirrt sahen Spike und Drake sie an und erneut kreischte die Magierin. » FEUERT! DORT IST ER! « Ihren Händen entsprang ein riesiger Feuersturm und rauschte durch die Lüfte und zog dabei eine Russspur hinter sich her. Bruchteile von Augenblicken später folgten dem Zauber zwei derselben Art und ein lautes Brüllen hallte zu ihnen herüber. Drauf gefolgt ein lauter Knall, fast so, als wenn ein Troll von einem Berg gestürzt wäre. Wieder schloss Ed ihre Augen und suchte nach dem Dämon, aber erneut störten die tanzenden Lichter der beiden anderen Magier ihre Konzentration. » DORT! «, schrie sie los und zugleich stiegen vielfach Feuerbälle in die Luft. Nicht alle trafen ihr Ziel aber Marius’ Fauchen gab ihnen zu verstehen, dass zumindest ein paar getroffen hatten. Aber diesmal ließ er es nicht ungesühnt an den Gefährten vorüber gehen. Laut brüllend schoss der Dämon auf sie zu und schlug mit seiner Pranke große Stücke aus dem steinernen Boden und warf die Gruppe auseinander. Die Paladine aber rappelten sich schnell wieder auf und stellten sich zwischen Marius und den Magiern. Zugleich stürmten sie auf ihn zu und hieben und stachen auf ihn ein. Mit jedem Schlag und jedem Stich zersplitterte mehr und mehr vom Panzer des Dämons, aber seine Macht war noch längst nicht erschöpft. Er legte seine Flügel und Arme vor sein Gesicht und breitete sie mit einem gewaltigen Schlag aus, der alle Streiter davon fegte, als wenn sie kleine Staubkörner wären. Inzwischen hatten die Magier ihr Ziel aber wieder anvisiert und ließen einen Hagel aus Feuerbällen und Feuerpfeilen auf Marius niedergehen. Dieser aber erwiderte den Angriff mit einer Anzahl leuchtend grüner Geschosse, die blitzschnell auf die Magier zukamen. Spike konnte ihnen behände ausweichen, Drake stürzte sich bei Seite und entkam dem Geschoss nur knapp. Ed allerdings saß sich zwei dieser giftgrünen Bälle gegenüber. Ihr Feuersturm war die einzige Möglichkeit, bei der ihre Überlebenschancen höher als null waren. Mit voller Kraft ließ sie über ihrem Kopf den Feuerzauber anwachsen und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen die Magie des Dämons. Kurz vor ihr prallten die Geschosse aufeinander und zerbarsten in hunderte kleiner Magiesplitter, die auf die Magierin niedergingen, aber auch in Richtung Marius zurückflogen. Dieser aber verschwand wieder in der Dunkelheit und grölte verhöhnend zu ihnen herüber. » Mit euren lächerlichen Zaubertricks werdet ihr mich niemals schlagen können und eure Schwerter werden zerbrechen, ehe sie wirklich Schaden anrichten werden. Gebt auf und ich werde ein schnelles Ende für euch bereit haben. Dann werden eure Körper sich in die Reihen meine Armeen eingliedern. Zweifelsfrei werdet ihr die besten meines Dämonenheeres sein. « Ein unheimliches Glucksen gab Marius dann von sich und seine Stimme verstummte. Ein leiser Knall, als wäre er gelandet und dann Stille. Ihre Gefährten hatten einen schützenden Ring um die gestürzte Magierin gebildete und hielten nach allen Seiten Ausschau.
Aber es war vergebens. Niemand konnte durch diese Dunkelheit mit bloßem Auge auch nur das Geringste erkennen. Wieder flackerten die magischen Lichter von Drake und Spike grell auf, auf diese Weise konnte Ed sich unmöglich konzentrieren. Ganz ohne Licht kämen sie aber auch nicht aus, denn die Paladine waren darauf angewiesen, das zu sehen, was sie angriffen. Plötzlich erinnerte sich die Magierin an das Tüchlein aus dem Antiquitätenladen der Tyroth. Schnell kramte sie durch die Taschen ihrer Robe und fand es schließlich. Mit zweifelnden Blicken der anderen Verband sich Ed die Augen und alles um sie herum wurde Dunkel. Selbst das magische Licht der beiden Magier drang nicht hindurch. So würde es gehen. Bei der starken magischen Aura, die Marius hatte, bräuchte sie ihn nicht zu sehen, um zu wissen wo er sich aufhielt. So würde sie ihren Freunden eine weitaus größere Hilfe sein. Ganz reflexartig drehte sich die Magierin in die Richtung, aus der sie Marius’ Präsenz spürte. » DA HINTEN! «, rief sie laut und Drake und Spike ließen die Luft um vor ihnen mit ihren Geschossen verbrennen. Ein tiefer Schmerzensschrei wehte zu ihnen herüber. Und Ed achtete gebannt, in welche Richtung Marius versuchte zu entkommen. Jetzt waren sie am Zug. Eilig huschte Ed in die Dunkelheit, immer gefolgt von den anderen. Seltsamerweise stampfte der Dämon nun allerdings über den Boden, statt ihnen durch die Lüfte zu entkommen. Erneut gab Ed die Richtung an, welcher sogleich zahlreiche Feuerzauber folgten. Nun setzte Marius allerdings erneut zum Angriff über. Sprang mit einem riesigen Satz auf sie zu, durchbrach dabei eine steinerne Säule, die ihm im Weg stand und landete direkt vor ihnen auf dem Boden. Uncle brüllte zur Attacke und die Ritter folgten Ihm. Mit seinen Klauenbewehrten Pranken schlug Marius gegen die Klingen der Streiter und hielt sich wacker. Dennoch schien er mit jedem Hieb ein Stück zurückzuweichen. Kaum merklich, aber immer wieder. Dann holte er weit uns und riss die Paladine zu Boden und wandte sich dann den Magiern zu. Wieder blitzte es giftgrüne Magie, geantwortet von den Feuermagiern mit einer Salve aus Feuerbällen, die in einem riesigen Spektakel auf der Hälfte der Flugbahn mit Marius’ Geschossen zusammenstießen und in einem wilden Funkenmehr auseinander stoben. Aber der Dämon setzte nach und ein Zauber, ganz ähnlich dem Inferno, durchzog die Dunkelheit und brannte tiefe Risse in die steinernen Bodenplatten. Die Magier konnten der Stichflamme, welche ebenso grün war, wie die anderen Geschosse, eben noch ausweichen. Glücklicherweise waren die Paladine wieder zur Stelle und konnten sich von der Seite auf das Ungetüm stürzen. DraconiZ schnitt eine tiefe Wunde in die großen Flügel, Wenda fügte ihm eine tief Wunde mit einem Stich zu und Tomarus, Uncle und Medin schlugen mit aller Wucht auf den Brustpanzer des Dämons, der darauf begann zu bersten. Wieder brüllte Marius und sprang zur Seite um den Schwerthieben der Streiter auszuweichen, die inzwischen wieder von den Magiern an ihrer Seite verstärkt wurden. Nun aber tat sich es an Marius Panzer, offenbar flammte er hellt auf, so als würde innerlich ein Feuer lodern und auszubrechen versuchen. Der Dämon hielt sich den Schädel und rannte von dannen. Aber durch die Flammen war er wie eine gigantische Fackel und selbst ohne Ed konnten sie ihn nun verfolgen. Irgendetwas quälte den Dämon ungemein und sein Versuch zu entkommen war offensichtlich. Mit großen Schritten stampfte Marius voraus und kam schließlich vor einer Tür zum stehen, die im Vergleich zu ihm winzig wirkte. Er war einen Blick über die Schulter, aber die Paladine und Magier waren ihm zu dicht auf den Fersen. Was auch immer sich in dem Raum hinter der Tür verbergen mochte, in seiner derzeitigen Gestalt konnte Marius keinesfalls dorthin gelangen. Mit dem Rücken zur Wand stellte sich der Dämon den acht Gefährten entgegen. Ein Regen von seinen giftgrünen Feuerbällen kam ihnen entgegengeschwirrt, gefolgt von einer weiteren grünen Stichflamme. Die drei Magier geboten dem ihrerseits mit ihren Infernozaubern Einhalt und schützten die Streiter vor den nahenden Flammen. Noch einmal überflog Marius die Gruppe und attackierte sie von hinten. DraconiZ und Wenda wichen zur Seite aus und schlugen tiefe Wunden in den Rückenpanzer des Ungetüms, während der Rest der Gefährten sich mit aller Kraft dem Untier entgegenstemmte.
Klingen blitzten hell auf und schlugen die schweren Schuppen vom Körper des Dämons. Mit einem festen Hieb seiner Pranke zerschlug der Dämon die Fliesen am Boden und ließ eine Staubwolke aufsteigen. Laut hustend stolperten alle blind durch den aufgewirbelten Staub. Marius aber sprang in Richtung Tür davon, immer wieder laut aufheulend. Ed, die immer noch die Augen verbunden hatte und so vor dem Staub geschützt war, verfolgte den Dämon und stellte ihn, noch bevor er weit genug kam. Mit einigen Feuerbällen übersäte sie ihn, bis auch der Rest der Truppe wieder einsatzbereit war und sich ihren Attacken anschloss. Alle drei Magier schossen nun mit aller Magie, die ihnen zur Verfügung stand, und trieben das Ungetüm gegen die pechschwarze Wand. Nun kamen die fünf Streiter zum Zug und versetzten Marius etliche Stiche und Hiebe. Wie es den Anschein hatte standen sie kurz vor einem Sieg und jeder von ihnen trug mit all seiner Kraft dazu bei. Ein markerschütternder Schrei durchzog den Raum und ließ die Magierin zittern und stolpern. Ihre Gefährten kämpften unentwegt weiter, als das seltsame Feuer im Inneren von Marius nun auf einmal noch stärker zu lodern begann und die feinen, roten Linien sich zu tiefen Rissen in seinem Panzer verbreiteten. Noch ein lauter Schrei aus Marius Maul und eine gigantische Druckwelle fegte alle zu Boden. Ed, die ohnehin schon lag, rappelte sich schnell auf und sah sich einem knienden Marius gegenüber, völlig ohne Schuppenpanzer, seine Flügel zerbröckelten und seine Reißzähne zerfielen. Er war nun weder geflügelter Dämon, noch junger Mensch, nur noch ein Mischwesen aus beidem, das aber kurz vor seinem Ende stand. Entschlossen rannte die Magierin auf Marius zu und hielt ihre Hand mit weit gespreizten Fingern vor den Dämon, denn soviel war sicher. Ein Mensch war er keinesfalls und schon gar nicht ein Geschöpf des Feuergottes. Die Luft um die Hand der Magierin begann zu flimmern und augenblicklich quoll ein Flammeninferno hervor, das Marius völlig einhüllte und seinen Körper langsam zu glimmender Asche verbrennen ließ. Nun war es endlich vorbei. Zumindest dachten sie das, denn von Fernem hörte die Magierin lautes Marschieren, offenbar skelettierten Krieger des Dämons. Niemals würden sie es gegen die Überzahl schaffen, vor allem nicht nach diesem Kampf gegen Marius. Das würde ihr Ende sein, aber Ed wollte nicht aufgeben. »Noch einmal stürmt, noch einmal, liebe Freunde! «, rief sie laut heraus und zusammen mit ihren Gefährten sah sie der Gefahr entgegen. Es waren unzählige Skelettkrieger, die auf sie zukamen, von allen Seiten und mit rasender Geschwindigkeit. Aber von einem Moment auf den anderen zerfielen die Knochenbataillone zu großen Staubwolken und überdeckten die Gefährten mit einem Staubregen. Jetzt waren sie letztlich doch noch davon gekommen, hoffte Ed insgeheim. Die Streiter schauten argwöhnisch durch die Gegen, ob sich nicht doch noch ein Skelett irgendwo versteckt hielt und Drake und Spike versuchten mit ihren Zaubern noch mehr Licht in die Sache zu bringen. Ed für ihren Teil untersuchte die Tür. Erstaunlicherweise war sie nicht verschlossen und die Magierin konnte ihrer Neugierde nicht widerstehen und ging hinein. Hinter der schwarzen Tür fand sie einen kleinen Raum mit allerhand Büchern, Gläsern, Skelettstücken und unheimlichen Aufbauten. Zwischen diesem ganzen Gerümpel stand auf einem kleinen Podest aufgebart ein reich verziertes Gefäß, das ganz offensichtlich nicht hierher gehörte, sondern in den Palast der Darath. Es mussten die Tränen Innos’ sein und als der Rest der Gruppe gefolgt war, stimmten alle überein, dass man sie zurückgeben sollte. Beim Hinausgehen ließ die Magierin noch einmal ihre Blicke über die Utensilien in diesem seltsamen Labor streifen, wobei ihr Blick auf ein Säckchen fiel, das in einem Regal lag. Zuerst blinzelte Ed und rieb sich dann verwirrt die Augen, denn das Säckchen schien sich zu bewegen, oder vielleicht war es auch das Drumherum, was sich bewegte. Als sie näher trat und danach greifen wollte durchfuhr ihre Hand ein seltsames Gefühl, was so, als wäre sie langsamer geworden und dann wieder schneller. Sie nahm das Säckchen, öffnete es und sah hinein. Ihre Augen weiteten sie, als sie sah, was dort drin war. Kein Wunder, dass Marius es ausgehalten hatte dem Fluch der Tränen zu widerstehen. Das Säckchen war gefüllt mit schwarzen Erzstücken. Wie lange hatte die Magierin danach gesucht, wie viele Bücher durchgelesen und nun hatte sie endlich etwas davon in ihrem Besitz. Sie verstaute es sicher in der Brusttasche ihrer Robe und eilte dann ihren Gefährten nach. All die Anstrengungen hatten sich schlussendlich dennoch gelohnt. Aber hoffentlich hatte der Tod Marius’ auch den gleichen Effekt auf alle Dämonenheere vor den Toren von Thyrien. Ansonsten würden sie wohl nur noch eine in Trümmern liegende Stadt vorfinden. Bei aller Macht der Darath war es unwahrscheinlich, dass die Stadt dem standhielt. Ed trottete erschöpft hinter den anderen hinterher und verteilte die letzten ihrer Heiltränke und Wachmacher. Was würde sie vor den Toren erwarten?
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Schon bald waren die Tore von Tyrien wieder in Sichtweite. Sie hatten es tatsächlich geschafft das Böse von diesem Ort zu verbannen und einen mächtigen Diener Beliars zurück zu seinem Herren zu schicken. Marius war tot und mit ihm waren die Schrecken und die Verderbnis von der Insel verschwunden. Man konnte schon beinahe sehen, wie die komische Schicht sich von den Bäumen verzog und langsam wieder Pflanzen aus dem Boden erhoben. Mehr und mehr wurde diese Insel wieder das Paradies was es einst gewesen war. Besonders verwundert war der Schwarzhaarige als er einige Hasen gesehen hatte, die sich wohl aus ihrem Verstreck gewagt hatten jetzt nachdem die Untoten zu Staub zerfallen waren aus dem sie gekommen waren. Doch den größten Schatz den Ed in Händen hielt und weswegen sie zur Stadt zurückkehrten waren die Tränen Innos’. Sie waren es warum sie sich hierher hatten locken lassen und sie würden es sein die auch weiterhin die Stadt beschützen würden. Sie gehörten den Darath, denen sie schon genug Schaden gebracht hatten. Es gebührte ihnen einfach nicht, dass sie die Tränen behielten und für sich selbst nutzten, wenn die Darath bessere Dinge damit vollbringen konnten.
Schon bald standen sie ein weiteres mal vor den dicken Stadtmauern, die aber dieses Mal nicht annähernd so gut bewacht waren wie, als sie das letzte Mal davor gestanden hatten. Noch als sie diese Stadt verlassen hatten, hatte der Schmied ein verdammt schlechtes Gefühl gehabt, doch nun wo sie mit allen Acht Mitstreitern wieder vor der mächtigen Pforte standen hatte er wahrlich keine Angst mehr. Sie hatten das was sie angerichtet hatten wieder gut gemacht und brachten dem Magierrat sein kostbarstes Artefakt zurück. Wenn sie ihnen jetzt nicht vertrauten, dann würden sie es nie tun. In diesem Moment schwang die Tür ohne ihr zutun auf und Feydieth oder Finkreg, wie Uncle ihn gerne nannte, kam ihnen entgegen. ,, Bei Beliar, Innos und Adanos. Ihr habt Marius bezwungen und seid noch am Leben. DraconiZ grinste, wie viele andere der Gruppe dem Hauptmann entgegen und guckte sich und seine Kameraden an. Man sah ihnen auf jeden Fall die Anstrengung und den Kampf an. Alle sahen mehr oder minder geschunden aus und alle sahen sehr sehr erschöpft aus. Auch wenn es auf eine schöne Art erschöpft war. ,, Innos hat gesiegt“, meinte Spike mit einem Lächeln zurück. ,, Ich habe gehofft, dass ihr wiederkehrt und doch habe ich nicht wirklich daran geglaubt. Umso erfreuter bin ich euch zu sehen. Wenn ihr wollt könnt ihr euch noch etwas ausruhen, bis der Rat der Darath euch empfängt“. Doch die Gruppe verneinte einstimmig. Sie wollten erst die Sache mit dem Rat klären und die Tränen Innos abgeben, bevor sie sich entspannten. So schritten sie zusammen an dem Hauptmann vorbei in die Stadt hinein. Diese hatte sich zwar nicht verändert seid Marius tot war, doch passte sie nun viel besser ins Bild der Umgebung. Sie war nun kein Außenposten in einer verlorenen Steppe mehr, sondern eine schöne Stadt in einer schönen Umgebung. DraconiZ wünschte ihr von Herzen das es noch lange Zeit so bleiben würde.
Es war schon fast komisch, als sie ohne jeglichen Widerstand und ohne eine Bemerkung in den Palast der Darath eintraten. Die Magier mussten gefühlt haben, dass Marius nicht mehr existierte und gewährten ihnen daher diesmal freiwillig eine Audienz. Bald schon nahm sich einer der Soldaten, den sie bei ihren Einbruch niedergeschlagen hatten und der daher ziemlich brummig dreinschaute, ihnen an und führte sie. Dieses Mal hatte die Gruppe genügend Zeit um die Pracht dieses Bauwerkes zu betrachten. Die Wandteppiche, die aus einem wunderschönen Stoff gewebt waren, die vielen Bilder die die vergangenen Darath aus vielen Epochen zeigten und noch einige weitere wichtige Persönlichkeiten, die Skulpturen, bei denen man dachte, man würde wahrhaftig einem lebendigen Menschen gegenüberstehen und viele weitere Kunstwerke. Es war einfach traumhaft einfach nur durch das Bauwerk zu laufen und seine ganze Pracht zu begutachten. Alle Diener Innos waren total entspannt und waren froh einfach nur Frieden hier zu haben. Auch wenn sie bald den Magiern ein zweites Mal gegenüberstehen würden. Doch davor hatten sie keine Furcht. Schließlich hatten sie sich nach bestem Gewissen und Ehre verhalten.
Nach einer Weile wurde die Tür aufgestoßen und sie standen vor den drei, in unterschiedliche Roben gekleideten, Magiern. ,, Wir haben euch schon erwartet. Tretet näher“, verkündete der Jüngste nun mit einer völlig anderen Stimme als er noch zuvor gehabt hatte. Aller Zorn und Hochmut waren aus ihr gewichen. ,, Es ist gut, dass ihr kommt. So zeigt ihr ein weiteres Mal, dass wir euch vertrauen können. Ich habe mich nicht geirrt. Ihr habt tatsächlich Marius besiegt“, ergänzte der in blau gekleidete Magier ruhig und freundlich. ,, Ich hätte niemals gedacht, dass ihr es tatsächlich schaffen würdet, aber die Veränderungen um die Stadt herum preisen eure Tat tausendfach“, verkündete der Älteste im Bunde. Die Gardisten hörten sich die Worte still an. Sie waren schon fast erschrocken über das was gesagt wurde. ,, Es war wahrlich nicht leicht, aber wir haben schließlich gesiegt“, meldete sich Drake zu Wort und DraconiZ ergänzte: ,, Denn Innos muss uns gewogen gewesen sein“. Noch einige Male ging das Gespräch so hin und her und auch der letzte Zweifel wich, dass die Darath sich dumm benehmen würden. ,, Hoher Rat wir sind hier um euch die Tränen Innos zurück zu geben“, meinte Ed nachdem einen Moment Stille eingetreten war und hielt sie dem Blauen hin. Dieser ergriff sie und musterte den Behälter. Ein paar Mal hielt er sie noch hin, lies seine beiden Kameraden diesen ebenfalls mustern, bis die beiden nickten. ,, Wir benötigen sie nicht mehr. Marius ist gebannt und wir werden von nun an Sorge dafür tragen, dass wir besser mit dem Volk zusammenarbeiten und uns nicht mehr vertragen. So sollt ihr die Tränen nehmen. Wir brauchen sie nicht für unseren Neuanfang“. Mit einer Handbewegung kamen Acht gleich große Phiolen herangeschwebt, in die der Magier je den Anteil eines jeden hereinfüllte. Als er fertig war schwebten zu jedem der Acht Mitstreiter eine dieser Philolen, welche jeder nach einem kurzen zögern nahm und sicher verstaute. ,, Wir sind uns einig, dass ihr damit gut umgehen werden und sie weise einsetzt“, erläuterte der schwarz gekleidete gelassen, während der Rote ergänzte: ,, Möge Innos eure Gedanken weiterhin leiten“.
Einige Zeit später lag DraconiZ in einer Badewanne in einem Haus in Tyrien und lies die Strapazen der letzten Tage einfach hinter sich. Die Entspannung war einfach nur vollkommen. Die Ruhe, was herrliche Wasser die Umgebung. Einfach alles hier war so unglaublich gut, dass man nichts anderes konnte als Ruhe finden. In seiner rechten Hand befand sich der Behälter mit den Tränen. Was er wohl damit anstellen würde? Ed hatte mal irgendetwas von einer Schwertweihe erzählt. DraconiZ nahm sich vor die Feuermagierin noch einmal danach zu fragen, wenn die Zeit angebrochen war. Doch nun würde er sich erstmal nur noch seine Ruhe widmen um neue Kräfte zu sammeln.
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Er saß allein auf dem Bett in dem ihm einst zugewiesenen Zimmer und dachte nach. Über die Dinge die vergangen waren und die Dinge die noch kommen mochten. Seine Gedanken kreisten vor allem um den Kampf mit dem Menschendämon Marius, ein äußerst mächtiger Handlanger des dunklen Fürsten. Es war das erste Mal das er die Macht Beliars wirklich zu respektieren lernte. Der Untot, der ihn in den letzten Tagen und denen darüber hinaus etliche Male das fürchten lehrte, war ein Zeugnis dessen macht, doch lag die Kraft der Untoten in ihrem früheren Leben allein. Beliar hatte ihnen lediglich neues Leben eingehaucht. Marius jedoch hatte seine ganze Macht direkt von dem Gottesbruder bezogen. Eine Macht, die ihn und seinen Gefährten fast das Leben gekostet hatte. Sein Herz raste immer noch bei dem Gedanken an die so wahrscheinliche Niederlage, der sie trotzen, und schlussendlich den Sieg nach Hause trugen. Nein, noch nicht. Noch waren sie nur bis Tyrien gekommen. Die Heimreise stand ihnen noch bevor. Eine Reise, die er auch wirklich bestreiten wollte…? Wollte er denn wirklich wieder zurück?
Einen Moment lang zögerte er noch. Wäre an diesem Ort nichts geschehen, hätte er niemals den Weg ins Herz des Untots gewagt, dann, ja dann wäre er hier geblieben. Auf dieser Insel, diesem Juwel der Meere, das nun endlich von dem langen Schatten des Bösen befreit wurde. Die Fratze Marius’ und die kugelrunden Augen die sie beherbergte beschäftigte ihn noch immer, zu sehr um sie auf die schnelle zu vergessen, zu sehr um an diesem Ort nicht immer daran erinnert zu werden. Der Schatten hatte einige dunkle Flecken auf dem Juwel hinterlassen. Flecken, die niemals mehr verschwinden würden.
Spike seufzte für einen Moment, als ob er einen Schlussstrich ziehen wolle, und versuchte die Strapazen die hinter ihm lagen auch dort zu lassen.
Er wollte sich entspannen. Wieder lächeln, breit grinsen können. Alles vergessen und wieder zurück ins Kloster, sein sorgenfreies Leben fortführen. Nichts stellte ihn mehr zufrieden als ein nett hergerichtetes Zimmer, mit bequemem Mobiliar in denen er sich fallen lassen und dabei genüsslich an einen Sumpfkrautstängel ziehen konnte. Genau das hatte er jetzt auch vor. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten. So kam es ihm zumindest vor. Wie lang waren sie eigentlich schon auf dem Eiland? Er wusste es gar nicht, hatte die Tage nicht gezählt. Jedenfalls kam es ihm ziemlich lang, zu gleicher Zeit aber auch relativ kurz vor. Ehe er sich davon jedoch verwirren hat lassen können, steckte er sich einen Stängel an und entzündete ihn mit einem kleinen Feuerpfeil. Schon sein erster kräftiger Zug drohte ihn von den Füßen zu hauen, glücklicherweise saß er aber schon und so ließ er sich einfach nach hinten in das weiche Bett fallen. Eine Weile lang beließ er es dabei einfach die Augen zu schließen und entspannt den Duft des glimmenden Krauts zu genießen. Dann begann er wieder damit an dem Stängel zu ziehen, erhob sich langsam und wandte sich zu dem kleinen Nachttisch neben ihm. Die kleine Phiole mit den Tränen Innos verweilte dort schon eine ganze Weile. Er hatte die Gelegenheit bei ihrer Audienz mit den Großmagiern Tyriens genutzt um über den Nutzen des Artefakts näheres zu erfahren nachdem die anderen ihre Wege gegangen waren. Der Jüngere wie auch der Ältere waren nicht sehr gesprächig, wollten ihm nur verraten, dass es ihm als Feuermagier als einziges möglich war die Träne zu trinken ohne dabei den Tod zu finden. Über die Wirkung hielten sie sich bedeckt und selbst der Blaugekleidete Magier, der die Geschichte des Artefakts noch einmal herunterbetete, meinte nur dass es ihm neue Kraft verleihen könne. Viel half ihm das auch nicht weiter. Die Skepsis, die Angst vor dem Ungewissen, hatte man ihm nicht nehmen können und so hatte er noch immer nicht den Mut gefunden sie zu trinken, dieses so wertvolle Geschenk auch zu nutzen.
Er zog noch einmal kräftig an dem Stängel und verengte seine Augen zu schlitzen ehe er das Gefäß schließlich mit seiner rechten Hand umschloss. Obwohl es eine Hinterlassenschaft seines Herrn war, fühlte er sich unwohl dabei. Er zog ein weiteres Mal an dem Stängel und warf ihn dann aus einem nahe gelegenen Fenster. Wenn das was die Darath ihm sagten der Wahrheit entsprach, und daran besaß er keinen Zweifel, so hatte er eigentlich nichts zu befürchten. Also entledigte er sich dem Verschluss der Phiole und kippte sich mit einem Ruck die Flüssigkeit in den Mund. Es schmeckte...salzig. Äußerst salzig, sodass er es rasch herunterschluckte. Im selben Moment bereute er es sogleich, nicht einfach ausgespuckt zu haben. Ein Schmerz, ungleich allem anderen was er bisher erfahren hat müssen, ließ ihn zu seinem Leidtragen den genauen Verlauf der Flüssigkeit in seinem Körper nachfühlen. Wie es anfänglich langsam seiner Speiseröhre hinunter kroch und schlussendlich seinen Weg in den Magen fand. Alles was die Träne berührte fühlte sich an, als würde es sich langsam auflösen. Er konnte nicht einmal mehr Schreien. Es kam kein Laut aus ihm heraus, so sehr er sich auch bemühte. Mit weit aufgerissenen Augen hielt er sich Bauch und Hals, versuchte aus dem Zimmer zu gelangen, Hilfe zu holen. Der Schmerz jedoch raubte ihn jedwede Kontrolle über seinen Körper. Er fiel unweit der Tür auf seine Knie, strampelte wie wild, verkrampfte sich, versuchte wieder aufzustehen, doch versagte kläglich als ihn der Schmerz erneut zu übermannen drohte.
Nun, da seine eigene Stimme verstummt, erhob sich eine alte, ihm leidlich bekannte aufs Neue aus ihrem Schlaf. Der lauthalse Schrei in seinem Innern schien seinen Kopf zum zerbersten bringen zu wollen. Es war ein schwacher Trost nicht der einzige zu sein, diese Schmerzen spüren zu müssen.
"Dieser Gott sei verdammt, genauso wie du dummer Narr!"
Ungeachtet der Stimme hob er sich unter gewaltigen Anstrengungen tränend wieder auf die Beine und öffnete die Tür. Ein weiterer Schrei der Stimme brachte ihn jedoch wieder auf seine Knie.
"Arrrgh...du hörst wohl nie auf mir auf den Geist zu gehen! Wann wirst du endlich anfangen zu begreifen!?"
Verschwitzt und verweint krabbelte er unter unsäglichen Schmerzen hinaus auf den Gang, hämmerte gegen den vom Teppich bedeckten Boden. Sie mussten ihn hören, sonst war sein Leben verwirkt…vom eigenen Gott genommen.
"Da kannst du mal sehen wie gut es 'dein' Gott und Herr wirklich mit dir meint! Und jetzt muss ich mich auch noch dazu herablassen dein armseliges Leben zu retten! Pah! Vielleicht beginnst du ja so endlich mal etwas zu lernen..."
Seine Sicht fing nun auch noch mit jedem Wimpernschlag an schlechter zu werden. So verstärkte er sein hektisches Klopfen, doch auch aus seinen Gliedern wich stetig die Kraft. Bald war es nur noch der Schmerz der ihm die Gewissheit gab noch am Leben zu sein. Das und die leise aufkommenden Stimmen, die jedoch sogleich wieder verstarben als die lang ersehnte Ohnmacht über den jungen Mann hereinbrach.
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Es war nun schon Stunden her, seitdem sie bei den Darath waren. Das Geschenk, was die Magier ihnen gemacht hatten, war mehr als nur großzügig, denn sie hatten ihren Staatsschatz an Fremde gegeben. Jeder von den acht Gefährten hatte eine kleine Phiole mit den Tränen Innos’ bekommen und der Wert war wohl unschätzbar. Wenn der Mythos um die Herkunft stimmte hielt Ed im Augenblick etwas in der Hand, das mit den Tränen eines Gottes gefüllt war. Ein sehr beeindruckendes Gefühl, geradezu Ehrfurcht erregend. Was nun damit zu tun wäre wusste die Magierin zwar, aber ihr waren auch die Folgen nur zu gut bekannt, die die Tränen haben konnten. Selbst Marius hatte den Fluch der Tränen nicht umgehen können, dabei waren seine Fähigkeiten gigantisch. Und selbst der Einsatz des schwarzen Erzes hatte es ihm nicht ermöglicht, die negative Wirkung der Tränen gänzlich zu stoppen, sondern sie nur zu verlangsamen. Zwar war der Magierin durchaus bewusst, dass sie als Erwählte des Feuers zumindest rein theoretisch die Tränen ohne Gefahr trinken konnte. Dennoch blieb ein kleiner Restzweifel übrig. Stunden hatte sie nun damit verbracht zu meditieren und sich der Situation klar zu werden. Die Darath schienen einen großen Erfahrungsschatz zu haben und aus den Büchern wusste Ed, welche Wirkungen die Tränen auf Feuermagier haben konnten. Hin und her überlegte die Magierin, aber letztlich kam sie zu dem Schluss, dass sie von dem Trank trinken würde. Wenn Marius nur durch seine Macht und das schwarze Erz so lange am Leben blieb müsste für alle anderen der Tod sofort eintreten. Wenn sie sich also irrte und die Darath und ihre Bücher ebenso, dann würde sie vermutlich überhaupt nichts mehr davon mitbekommen. Kurz entschlossen schnappte Ed sich die Phiole, entfernte den Deckel und lugte ins Innere. Die Flüssigkeit sah nicht besonders aus, kein Funkeln, kein magischer Strudel, nichts. Sie setzte an und trank die Tränen mit einem Zug. Ein brennendes Gefühl durchfuhr ihre Kehle und setzte sich weiter fort bis hinunter in ihren Magen. Es war ein etwas unangenehmes Gefühl, aber sogleich durchströmte die Magierin eine wohltuende Hitze, die jede Faser ihres Körpers durchdrang. Ihr war fast so, als würde sich ihr die ganze Welt offenbaren, aber als Ed ihre Augen öffnete war es in der Tat so. Jeder kleine Funken Magie, egal wie schwach er war offenbarte sich ihr. Sie fühlte wie die Darath in ihrem Palast umhergingen, die unzähligen Bewohner, wie sie ihrem geschäftigen Treiben nachgingen. Jedes kleinste Detail, jede Fassette war nun der Magierin sichtbar. Ganz offensichtlich war das eines der Geschenke von Innos an die Magierin. Aber mit ihren neuen Fähigkeiten spürte sie auch ihre Gefährten und auch wie einer von ihnen schwächer wurde. Es war Spike, der sich in nicht allzu weiter Entfernung von ihr befand. Seine Aura verblasste ein wenig und seine Bewegungen waren untypisch wackelig. Was immer auch mit ihm passierte, es gab ein Problem. Ed sprang von ihrem Bett auf und eilte auf den Flur hinaus und dort lag ihr Ordensbruder auch, lang gestreckt auf dem Boden, als wäre er gestürzt. Die Medica beugte sich über ihn und fühlte nach dem Puls des Magiers. Am Leben war er auf jeden Fall, nur hatte irgendetwas sein Bewusstsein geraubt. Mühsam wuchtete Ed Spike hoch und brachte ihn zurück in sein Zimmer. Und auf dem Boden lag auch der Auslöser für das Ganze, zumindest vermutete Ed das. Eine Phiole, ganz ähnlich derer, die sie selbst von den Darath bekam, war es und sie war vollständig leer. Vermutlich hatte Spike davon getrunken und wurde von der Kraft der Tränen überwältigt. Aber er war ein Feuermagier, töten könnte ihn das sicher nicht. Sie legte ihren Ordenbruder auf sein Bett und fühlte über seine Stirn. Ein wenig könnte sie der Heilung nachhelfen, aber vermutlich entfalteten die Tränen gerade ihre Wirkung. Die Medica hielt ihre Hände ein Stück weit über den Körper von Spike und begann mit der Prozedur. Leicht schimmerten wieder goldene, konzentrische Kreise aus ihren Handflächen. Es dauerte nicht lange und sie war fertig, aber entgegen ihrer Erwartungen verspürte Ed bei diesem Mal keinerlei Erschöpfung. Bisher hatte jede magische Heilung sie viel Kraft gekostet, aber nun war es fast so, als hätte sie nicht mehr getan, als ein magisches Licht herzuzaubern. Ein wirklich erstaunlicher Zaubertrank waren diese Tränen. Nicht nur hatten sie der Magierin ein besonderes Gespür geschenkt, jetzt war ihre Ausdauer auch noch gesteigert. Allmählich wurde ihr bewusst, weshalb man den Magiern aus längst vergangenen Tagen solche riesigen Kräfte und Fähigkeiten beimaß. Es stimmte alles, die Tränen waren keine Legenden, sie waren keine Mythen, sie waren Realität. Und auch ihre Wirkung war real. Es war beeindruckend, es war fantastisch, es war unbeschreiblich. Sie müsste sich erst einmal ihrer Fähigkeiten bewusst werden, wer wusste schon, welche Überraschung sie noch für Ed bereithielten. Die Magierin ließ sich auf einen nahe gelegenen Sessel fallen und bewunderte ihre neuen Kräfte. Spike würde wieder gesund werden, das spürte sie deutlich, seine Aura erstarkte wieder. Nicht mehr lange und er wäre wieder auf den Beinen. Ed war furchtbar neugierig darauf, was die Tränen für Spike als Geschenk bereit hielten, hoffentlich erwachte er bald und könnte es ihr erzählen.
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Es war ein unruhiger Schlaf, wenn man es denn überhaupt als solchen bezeichnen konnte. Er fühlte sich unwohl und doch nahm er nichts war. Er fand sich lange Zeit in einer beklemmenden Leere wieder, die er nicht verstand und sobald er die Augen wieder öffnete alles vergessen würde. Er wusste es ohne zu wissen, spürte es ohne zu spüren. Es war eine vollendete Tatsache im Bewusstsein verankert. Merkwürdig dass er sich dennoch daran erinnerte. Vage. Die Sekunde als er aufschnellte, als er erwachte und ein kleiner Rest Dunkelheit vor seinem inneren Auge verweilte und sich in sein Gedächtnis einbrannte. Er wusste nicht was er davon zu halten hatte. Allein der Gedanke daran war beunruhigend, machte ihn nervös, verwirrte ihn.
So benötigte er einige Zeit um seinen matten Blick von dem Bettlacken abzuwenden. Dann drehte er sich zunächst einmal, noch etwas träge, zu allen Seiten um. Es war niemand hier. Einige Zeit lang saß er einfach nur da, aufrecht in seinem Bett und versuchte zu verstehen was mit ihm nun eigentlich geschehen war. Ein Traum war es nicht, auch wenn er es als einen solchen gerne gesehen hätte, waren die Schmerzen doch zu intensiv, zu einprägsam gewesen um einfache Einbildung hätte seien können. Ihm musste also irgendwie geholfen worden sein. Glücklicherweise. Der Hohe Magus atmete einmal tief durch. Es war also doch eine schlechte Idee gewesen mit den Hinterlassenschaften der Götter herumzuspielen. Doch verstand er nicht, hatten die Großmagier etwa Unrecht gehabt? Scheinbar. Verdammt, er wäre beinahe draufgegangen! Diese verblödeten Idioten konnten ja nicht einmal ihr eigenes Reich vor dem Untergang bewahren aber ihm wollten sie etwas von den Tränen Innos erzählen. Er war wohl von der Scheinmacht der Drei zu sehr geblendet worden um ihre letztendlich Unfähigkeit erkennen zu können.
Er schüttelte enttäuscht verachtend den Kopf und rüttelte damit seine müden Glieder wieder etwas wach. Die Gelegenheit nutzend schlüpfte er sogleich auch aus seinem Bett. Gerade als er sich aber der offenen Tür zuwenden wollte trat eine kleine Gestalt in roter Robe herein. Es war Ed, vermutlich auch der Grund weshalb er wieder auf beiden Beinen stehen konnte. Er lächelte leicht und wollte sie grüßen, doch sie kam ihm zuvor und fragte ihn wie er sich denn fühle. Ungewöhnlicherweise sah sie nicht besorgt, sondern viel mehr aufgeregt aus. Nicht nur das, sie schien auch in äußerst guter Verfassung zu sein, mit einer guten Laune, die nur die wenigsten Menschen zu Tage legen konnten.
Sein Lächeln weitete sich etwas als er ihr versichern wollte, dass er sich ganz normal fühle. Doch kein Wort verließ seinen Mund. Verwirrt räusperte er sich einen Moment und versuchte es erneut. Wieder kam kein Laut hervor. Nervös und leicht entsetzt versuchte er es aufs Neue, strapazierte seine Stimmbänder aufs äußerste, doch nur die Lippenbewegungen zeugten von seinen Bemühungen. Der leicht verunsicherte Blick seines Gegenübers half ihn auch nicht sonderlich sich wieder zu beruhigen. Ein letzter Versuch schlug ebenfalls fehl. Er konnte nicht mehr sprechen. Man hatte ihm seine Stimme geraubt. Nein, nicht irgendwer, es waren die Tränen gewesen, die Tränen eines Gottes, die Tränen seines Gottes. Er ließ sich wieder auf das Bett fallen und schwieg. Etwas anderes blieb ihm ja auch gar nicht übrig. Er konnte sich nicht einmal darüber aufregen, er würde seine tobende Stimme ja doch nicht vernehmen können und sich stattdessen als Witzfigur zur Schau stellen. Der Heilerin fehlten allem Anschein nach ebenfalls die Worte, unterlag sie doch scheinbar wie auch er der drückenden Stille im Raum. Erst ein Rascheln wenig später hauchte dem Zimmer wieder etwas Leben ein. Spike hatte angefangen in seiner Runentasche herumzukramen. Ein zynisches Lächeln huschte über die Lippen des Feuermagiers als er seinen Notizblock und Stift in Händen hielt. Wenn er schon nicht sprechen konnte, so konnte er zumindest schreiben.
Daraufhin winkte er die Medica herbei und bat sie mit einer Handbewegung sich neben ihm zu setzen. Dann begann er zu schreiben und händigte ihr das Stück Papier wenig später aus. Sie las es leise vor.
"Es tut mir Leid das ich dir nicht auf normale Art und Weise meinen Dank aussprechen kann, doch es scheint man hat mir die Stimme geraubt. So sehr ich mich auch bemühe, es will einfach kein Laut mehr meine Lippen verlassen."
Sie schwieg einen kurzen Moment, sah dann zu ihm hinüber.
"Die Tränen?"
Spike nahm den Notizblock wieder an sich und schrieb erneut.
"Vermutlich."
Ehe die Innos Dienerin etwas entgegnen konnte kam plötzlich DraconiZ herein und verkündete dass sie in Kürze aufbrechen wollten und sich bei dem Stadttor treffen würden. Ed sah zu ihm auf, dann schweifte ihr Blick wieder zu dem Hohen Magus. Dieser jedoch hielt sich den rechten Zeigefinger vor dem Mund und machte ihr mit einem Kopfnicken klar, dass sie ihm antworten sollte. So versicherte die Heilerin dem Streiter Innos, dass sie bald nachkommen würden, worauf er wieder verschwand. Spike dankte Ed mit einem Lächeln, so herzhaft wie ihm nur irgend möglich war, stand dann auf, schulterte seine Runentasche und verließ das Zimmer.
Es kam ihm unwahrscheinlich Gelegen dass sie so früh schon wieder aufbrechen wollten. Die Reise würde ihm Gelegenheit zum allein sein und zum nachdenken geben. Doch nun durfte er sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen. Er wollte sich keinesfalls großartig erklären müssen, vor allem weil es ihm unter den gegebenen Umständen etwas schwer viel. So fand er sich nach einem letzten, ausgedehnten Rundgang um die Stadt, wie auch die anderen, vor dem Stadttor ein. Dort wurde er von einem Trupp von mindestens zwei Dutzend Soldaten überrascht. Unter ihnen der Hauptmann der Wache, der ihnen einen angemessenen Abschied gewährleisten wollte. Nachdem sich dieser versichert hatte, dass alle eingetroffen waren, orderte er den Großteil der Soldaten 'Formation' anzunehmen. Sogleich stellten sich diese in zwei Reihen gegenüber und ließen etwas Platz zwischen sich, sodass ein künstlicher Gang entstand. Nach einem weiteren Befehl überkreuzten sie ihre Speere und formten damit eine Art Dach. Dazu kam noch das ein kleiner Rest auf Trompeten eine majestätisch klingende Melodie erklingen ließen. Ein jeder verabschiedete sich noch von dem Hauptmann, der ihnen versicherte den Darath ihre Grüße auszurichten, ehe sie durch die Soldatenreihen schritten und die Stadt Tyrien endgültig hinter sich ließen. Zumindest würde der junge Feuermagier nicht mehr zurückkehren. Es waren wahrlich zu viele Dinge hier geschehen, schlimme Dinge. Dinge die er schon verarbeitet hatte und Dinge die er noch verarbeiten musste. Im Stillen. Zuhause.
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