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Kilijan blicke dem Novizen direkt in die Augen und antwortete: "Ja, wenn Du dich dazu bereit fühlst, kann ich dich im ersten Kreis der Magie unterweisen." Kilijan faltete erneut die Hände in seinem Schoß. "Wir sollten aber vielleicht damit beginnen, dass Du mir deinen Namen verrätst und mir Deine Geschichte erzählst." Der Hofmagier dachte daran zurück, wie er bei Andras in Al Shedim in die Lehre gegangen war. Der Adept war ein arroganter, eiteler und selbstherrlicher Mensch gewesen und beizeiten etwas zu sorglos mit seinem Schüler, aber ein schlechter Lehrer - nein, das war er nicht gewesen. So erfahren war Kilijan in der Magie nicht, dass er nicht jede Hilfe bei dieser Unternehmung gebrauchen konnte...
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Während seiner Arbeiten hatte der Novize immer wieder an das ‚Gedicht’ gedacht, welches das von Ptah gemachte Rätsel darstellte. Innig lieben sie sich nicht, von adamant ist ihr Gesicht, beliebt sind sie mal mehr, mal nicht. Wer ist gemeint mit dem Gedicht?
Es hatte wirklich einige Stunden gedauert, ehe Scorchal im Ansatz an eine Antwort gekommen war. Was hatte ein Gesicht von Adamant oder zumindest einer ähnlichen Farbe? Sicherlich keine Person, und auch sonst kannte der Dunkelhäutige nichts, was in etwa einem adamantenen Farbton entsprach. Bis ihm zu dem ‚Innig lieben sie sich nicht’ eine alte Begebenheit in den Sinn kam. Damals hatte er einem Gelehrten ‚gedient’, den sein Graf beherbergt hatte. Gerade als der damalige Schlossdiener in das Turmzimmer getreten war, hatte er zwei seltsame Steine auf dem Tisch des Gelehrten gesehen, der ihm auch prompt und einfach erklärt hatte, warum es sich handelte. Magneteisensteine, die die seltsame Kraft – laut dem Medicus aber vollkommen natürlich – besaßen, eiserne Objekte anzuziehen und an ihrer Oberfläche haften zu lassen. Demonstriert hatte es der Gelehrte mit einem Teelöffel, der, als er zu nahe am Stein war, wie von Zauberhand gegriffen wurde und starr an dessen Oberfläche ‚klebte’. Dann hatte er jedoch beide Steine zusammenfügen wollen, was ihm sichtlich Mühe bereitete, denn es schien, als würde sich eine unsichtbare Barriere zwischen den Magnetsteinen befinden. Er hatte dies als Eigenart der Kraft bezeichnet, die er noch nicht ganz ergründet hatte.
Und ebenjene Steine, so erinnerte sich Scorchal, hatten einen dunklen Grauton besessen.
Nun, nur der Teil mit der Beliebtheit blieb ihm ein Rätsel, aber vielleicht würde Ptah dies klären. Schnell machte er sich auf den Weg zur Werkstatt, wo er den Adepten auch prompt vorfand.
„Magie zu Ehren, Ptah“, grüßte der Novize den Ranghöheren nach der Form, die ihm ein Magier im Refektorium beigebracht hatte. Es war wohl der gängige Gruß unter Magiewirken.
„Ich habe das Rätsel gelöst. Hoffe ich zumindest. Ich vermute, des Rätsels Lösung ist ein Magneteisenstein. Ebenjene, die Eisenspäne anziehen wie eine Bordsteinschwalbe Männer, um es mal sehr bunt auszudrücken. Innig lieben tun sich zwei Magnetsteine nicht, da man sie selbst unter großen Kraftaufwand nicht dazu kriegt, aneinander zu haften.“
Der Dunkelhäutige lächelte. „So weit bin ich jedenfalls gekommen. Was die Sachte mit dem ‚Beliebt sind sie mal mehr, mal nicht’ angeht, so muss ich passen. Darauf fällt mir keine Antwort ein.“
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"Oh...ja", entfuhr es Iain etwas beschämt. Bei all dem Spektakel hatte er das wichtigste glatt vergessen. "Nun", räusperte er sich. "Mein Name ist Iain und meine Geschichte ist schnell erzählt." Und so begann er von seinem Leben als einfacher Fischer in Setarrif zu erzählen. Soweit er sich zurück erinnern konnte war er mit seinem Vater und Bruder raus aufs Meer gefahren und war der Fischerei nachgegangen und dabei immer wieder in Tagträume verfallen. Tagein, tagaus ging das all die Jahre so ohne besondere Ereignisse, ohne die Stadt, seinen Geburtsort genauer zu kennen. "Vor gar nicht so langer Zeit habe ich eher zufällig meiner Mutter und Schwester beim Verkauf unseres Fischs geholfen und seit dem....hat sich mein Leben stark verändert.", endete Iain nach den vielen Worten und sah gedankenverloren ins Feuer. Seine Kehle war trocken vom vielen Sprechen und er sah sich nach einer Erfrischung um. "Entschuldigt mich einen Augenblick." Iain stand auf und holt zwei Becher und eine Karaffe frischen Wassers. "Wollt ihr auch etwas?" Kilijan lehnte mit einem leichten Kopfschütteln ab. Hastig ließ er das kühle Nass seine Kehle herunter rinnen. "Wo war ich....ach ja.", fuhr er fort. "Ich hab die Adeptin Selina getroffen, die etwas in mir erweckt hat. Ich vermag es kaum zu beschreiben...Neugier...einen Wunsch... und Hoffnung gleichermaßen. Kurz darauf traf ich Raad, den Leiter der Akademie, der mir eine Arbeit anbot, der ich noch heute nachgehe. In dieser Tätigkeit traf ich wiederrum auf den Adepten Turang, der mich seitdem das Schreiben leehrt und nun....bin ich hier." Er verstummt. Warum hab ich ihm das alles erzählt? Er schämte sich nicht seiner Herkunft und doch war es eben diese, die ihm hier inmitten der Weisen und Mächtigen fehl am Platz schien. Der junge Mann blickte gebannt in Richtung des Hofmagiers um zu erkennen, wie dieser auf seine niedere Herkunft, sein Unvermögen zu schreiben und sein fehlendes Wissen zu allem außerhalb des Meeres reagierte. Wird er mich nun immer noch unterrichten? Doch es war keine Regung wahrzunehmen. "Allmählich glaube ich das es kein Zufall gewesen sein kann, doch ich bin vielleicht nur abergläubig..."
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"Es ist gut, dass Du dich deiner Herkunft nicht schämst." sagte Kilijan nach einer längeren Denkpause, "Wir versuchen in Einklang mit uns selbst zu leben. Einer der wichtigsten Schritte dabei ist, sich selbst zu akzeptieren." Wieder schwieg der Magier einen Moment und ordnete seine Worte: "Wir sind mitnichten alle hochgebohren in diesem Orden. Wir haben Adelige und Bauern, Sträflinge und Wanderprediger, hier wirst Du alles finden, was es überhaupt gibt. Ich, zum Beispiel, bin Schmied und bin vor langer, langer Zeit in der Sträflingskolonie von Khorinis gewesen. Unser Oberster ist der Sohn armer Bauern. Man muss sein Schicksal akzeptieren, dann steht es einem nicht mehr im Weg. Uns alle eint der Wille, Adanos zu dienen, oder vielmehr der innere Drang. Jene, denen dieses Bedürfnis fehlt, bleiben nicht lange im Orden. Mache Dir übrigens keine Sorgen, wenn Dir Zweifel an deinem Glauben kommen - es gibt genug Gründe dafür. Ich würde dir sogar dazu raten, zu zweifeln, wo Du kannst. Wenn Du es in Ruhe tust, dann ist dir der Glaube in schweren Zeiten ein fester Partner."
Kilijan kam sich selbst mit einem mal etwas besserwisserisch vor, obwohl er den Ratschlag völlig ernst gemeint hatte.
"Der Weg zur Magie liegt im Glauben und in den Lehren. Wofür glaubst Du, dass Adanos steht? Welche Qualitäten in Dir kennst Du, die dich Deinem Gott näher bringen können?"
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Der oberste ein geborerer Bauer? Er traute seinen Ohren kaum. Und ich soll Zweifeln? Das konnte er gut genug, wenngleich der Hofmagier wohl etwas anderes damit gemeint hatte, als seine kindlichen Ängste. Vielmehr beschäftigten Iain die Fragen Kilijans. Wofür stand Adanos? Was hatte er zu bieten? Da hörte er schon wieder die aufkommenden Zweifel in seinem Kopf. Jetzt nicht, schallte er sich. Mein Gott. So intensiv hatte er nie darüber nachgedacht, was sicherlich nicht zuletzt daran lag, dass seine Familie nicht ausgeprägt gläubig war und regelmäßig den Predigten beiwohnte. Vielmehr war Adanos ein Teil ihres Lebens. Sie dankte ihn für den guten Fang, beteten für die gesunde Heimkehr ihrer Lieben und erflehten ihn um Hilfe in schweren Stunden. Cayden hatte den Weg der Demut erwähnt, doch verwarf der Novize diese Gedanken sogleich wieder. Sein Lehrer wollte sicherlich kein simples Wort an den Kopf geworfen haben, dass er nicht zu erklären vermochte. Adanos.... Im Geiste saß er auf dem kleinen Fischerboot seiner Familie umgeben von den unendlichen Weiten des Meeres. Er konnte gar das Rauschen in seinen Ohren hören und den Wind im Nacken spüren. "Adanos ist das Meer, das Land und alles um uns herum.", murmelte er gedankenverloren. "Die Armen und die Reichen, die Weisen und die Dummen, die Jungen und die Alten verehren ihn gleichermaßen und er lauscht ihnen Allen...Er ist wie ein Vater der über uns wacht...Immer wenn ich in Schwierigkeiten war bat ich ihn um Hilfe und meine Lage wurde besser. War ich beschenkt worden, sei es durch einen guten Fang, sandte er mir mehr Hungrige als sonst und ich stand wieder leer da....es...es scheint, dass mein Leben um einen bestimmten Punkt pendelt. Immer wenn ich in die eine oder die andere Richtung falle gibt er mir einen Schubs und bringt mich zurück und dann scheint alles irgendwie....im Gleichgewicht. Nie vollkommen und immer im Wandel aber stets bestrebt nach dem Ausgleich."
Iain sah auf und ließ sich die Worte die ihm mehr gespürt, denn gedacht nochmal durch den Kopf geben und nickte schließlich. "Ja, er ist für mich das stetige wandelnde Gegengewicht, dass die Waage meines Lebens auszugleichen versucht und ich...ich weiß nicht welche Qualitäten oder Fähigkeiten er von seinen Dienern verlangt. Ich kann und weiß nicht viel, doch das Eine. Ich erfülle meine Aufgaben immer mit Eifer und Konzentration und so auch diese. Ich kann ihm momentan nich viel sein, doch ihm gillt meine Treue und meine Hingabe."
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Kilijan nickte langsam. "Gute Antwort. Adanos ist alles um uns, seine Wege sind die der Demut, der Einsicht, der Erkenntnis und der Macht - aber eben auch so viel mehr. Adanos hat sich dereinst zwischen seine streitenden Brüder gestellt und einen Platz geschaffen, wo weder Innos, noch Beliar sein konnten. Das ist unsere Welt und das gibt uns einen Ausblick auf Adanos Natur: Das Gleichgewicht, aber auch die Ruhe vor den tobenden Kräften der Welt. Ich möchte als allererstes, dass Du in dich gehst und versuchst, dein Innerstes zu einem Ort der Ruhe zu machen. Blende das Treiben der Welt aus, blende deine eigenen Gedanken aus, bis dein Geist ein Ort völliger Leere und Ruhe ist. Das ist die erste Übung, und sie ist eine der wichtigsten. Nur wenn Du alles andere ausblendest, wirst Du die leisen Schwingungen der Magie erfühlen lernen können." Kilijan erhob sich aus dem Sessel. "Meister Hyperius hat ein sehr gutes Buch zum Thema der Meditation geschrieben - wenn Du gerade lesen lernst, so hast Du damit schon mal ein gutes Stück, an dem Du üben kannst. Das Ganze ist nicht mal eben zu lernen, es braucht Arbeit, täglich. Übe fleißig und suche mich wieder auf, wenn Du glaubst, bereit zu sein."
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Demut, Einsicht, Erkenntnis, Macht. Die Worte hallten in seinem Kopf wieder. Iain würde darüber nachdenken müssen und die gestellte Aufgabe würde sicherlich dabei helfen. Die Welt ausblenden - das kann ich - aber die Gedanken und Träumereien? Er glaubte sich daran zu erinnern solch einen Moment bereits hin und wieder erlebt zu haben. Einen Lidschlag lang, den man einfach nichts dachte und man sofort daraus entrissen wird, wenn man sich dessen bewusst wird. Weiterhin überlegte er, ob ihm vielleicht seine neu gewonnenen Kumpanen helfen konnten, das benannte Buch zu finden und zu verstehen.
"Danke Meister Kilijan", sprach der Novize. "Dass ihr euch meiner annehmt. Ich werde euch nicht enttäuschen." Ich werde also noch mehr Aufgaben zu bewältigen haben. Ob das jemals ein Ende nimmt? Vielleicht sollte ich mich von der einen oder anderen trennen? Doch wen sollte er enttäuschen. Solang ihn die Erschöpfung nicht zu Boden warf, würde er die neuen und alten Aufgaben gleichermaßen erledigen. Der Bärtige stand auf. "Wenn ihr mich entschuldigt. Ich würde mich gern zurückziehen und über eure Worte nachdenken. Nur eines würde mich noch interessieren. Wo finde ich euch, wenn ich mich bereit fühle?"
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Kilijan dreht sich auf dem Absatz um:
"Im Zweifel in meiner Schmiede im Handwerksviertel. Aber Du wirst mich schon finden."
Mit einem Augenzwinkern verschwand der Magier aus der Vordertür des Klosters in die Straßen Setarrifs. Es war spät geworden, nur noch wenige Passanten waren unterwegs und alle schienen schnellen Schrittes nach Hause gehen zu wollen, die Umhänge dicht um sich gezogen. Der kalte Winde fing sich auch unter dem grauen Mantel Kilijans, vermochte aber nicht, die dichte Tuchrüstung zu durchdringen. Trotzdem schloss der Magier sein graues Gewand und machte sich unter dem sternenlosen Himmel der Weißen Stadt auf den Weg in seine Schmiede, ohne darüber nachzudenken, dass er in seinem Raum im Haus der Magier wesentlich bequemer hätte schlafen können.
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"Guten Abend", erwiderte der Adept die Begrüßung und lauschte anschließend den Antworten seines Schülers, die wie sich herausstellen sollte, nicht so ganz der Lösung nahe kamen. Und so musste Ptah sich beherrschen ob der Kreativität bei der Beantwortung nicht unfairerweise loszuprusten.
"Nun.", eröffnete der Varanter und suchte noch nach einer geeigneten Formulierung, um Scorchal beizubringen, dass er ziemlich daneben gegriffen hatte, "so ganz gelten lassen kann ich das nicht. Will sagen... eure Antwort war falsch, aber ich will Euch noch einmal helfen. Vielleicht kommt Ihr ja doch auf die richtige Antwort, wenn ich Euch das Rätsel nochmal stelle:
Innig lieben sie sich nicht,
von Adamant ist ihr Gesicht,
Beliebt sind sie mal mehr, mal nicht.
Wer ist gemeint in dem Gedicht?"
Beim Vortrag achtete Ptah darauf, dass er die Betonungen auffälliger setzte, um die Lösung ein wenig zu erleichtern. Erwartungsvoll blickte er seinen Schüler an. Würden die neuen Hinweise nun ausreichen? Die folgende Antwort würde auch den weiteren Verlauf der Lehre beeinflussen.
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Kam es dem Novizen nur so vor, oder hatte Ptah das Gedicht etwas seltsam betont? Nachdenklich schaute er zur Decke hoch, überlegte angestrengt. Innig, Adamant und Beliebt. Die Worte hatte der Adept betont, da war er sich ganz sicher. Inn, Ada, Beli. Inn, Ada, Beli. Was bedeutete das? War es eine Geheimsprache der Magier oder vielleicht eine Formel in einer älteren Sprache? Inn, Ada und Beli. Innig lieben sie sich nicht. Inn und Beli. Beliebt sind sie mal mehr, mal nicht. Inn, Ada, Beli.
Verflucht!, schoss es dem Dunkelhäutigen durch den Kopf, natürlich! Inn für Innos, Ada für Adanos und Beli für Beliar. Die drei Götter, die sich nicht innig lieben, zumindest der Gott des Lichts und der des Todes. Adanos – als der Bewahrer des Gleichgewichts – musse wohl etwas wie ein strenger Vater sein, der keine Scheu hat, dem jeweils mächtigeren Gott einen Strich durch die Rechnung zu machen. Beliebt sind sie mal mehr, mal nicht. Klar. Mal bekommt ein Gott mehr Zuwachs, mal weniger, je nachdem wie es um dessen Anhänger steht.
„Ich denke, ich weiß worum es geht.“, sprach Scorchal langsam, „Gemeint sind die Götter. Lieben tun sie sich nicht, adamant sind vielleicht ihre Statuen und ihre Beliebtheit fällt und steigt mit ihren Anhängern.“
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"Bravo.", lobte der Robenwirker schließlich die Leistung mit einem warmen Lachen, "Ich hätte die Erklärung nicht besser geben können, Scorchal. Ihr habt die Fäden richtig verknüpft und so schließlich die gesuchte Antwort geben können."
Nun bester Laune nahm Ptah auf einer der Stoffrollen Platz und lud Scorchal mit einer Handbewegung ein, es ihm gleich zu tun.
"Und mit dieser Lösung habt ihr zugleich einen vortrefflichen Einstieg in das Thema dieses Abends gefunden. Die drei Brüder und die Magie." Nicht ohne eine gewisse Bestätigung seiner Erwartungen meinte der Adept soetwas wie leise Enttäuschung aus dem Mienenspiel seines Schülers zu lesen, weshalb er nach einer kurzen Pause nachschob: "Oder sollte ich sagen und die Magie in Euch?"
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„Nun“, begann Scorchal, nachdem er sich auch gesetzt hatte, „Ihr werdet mir sicherlich den Zusammenhang erklären zwischen den drei Göttern und der Magie, die in mir stecken könnte. Da war doch die Rede von Glauben gewesen. Also nehme ich an, dass das zusammenhängt. Ich gestehe … ich bin kein strenggläubiger Diener Adanos’, schlicht weil ich diese Religion noch nicht lange kenne. Ebenso wenig die von Innos und Beliar. Da ich aber eben den Glaube an das Gleichgewicht hege, wie können die beiden unterschiedlichen Götter von Bedeutung sein? Weder strebe ich nach dem unendlich Gutem noch nach dem verderblich Schlechten, um es mal extrem auszudrücken.“
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Lange dachte Ptah darüber nach, wie er auf geeignete Weise darauf antworten könnte. Schlecht gewählte Worte mochten nun den feinen Unterschied darin machen, wie es um die Zunkunft Scorchals im Kreis des Wassers bestellt war.
"Eben weil", setzte der Adept mit ruhiger Stimme an, "Ihr diese Religion noch nicht lange genug kennen lernen konntet, erwartet keiner von Euch, dass Ihr blind allem folgt, was man Euch aufträgt. Ihr seid ein mündiger Mensch und Ihr seid es auch hier. Als Teil der Gemeinschaft. Glaube ist etwas, das Zeit braucht, das reifen muss. Zeit in der Ihr mehr über Adanos, über den Zwist seiner Brüder und die Sphäre, welche er schuf, erfahren werdet. Allerdings kann Euch auch niemand diesen Glauben an etwas aufzwingen. Menschen wählen für sich die Spiritualität aus freien Stücken. Sie tun es, weil sie darin etwas sehen, was anderen vielleicht verborgen bleibt, weil sie etwas für sich darin entdecken konnten, das sie nirgendwo sonst finden können, weil sie einen Wert im Glauben und daraus entstehendem Handeln wähnen."
Sein Gesicht spiegelte die Ernsthaftigkeit seines Anliegens wieder.
"Innos und Beliar verkörpern in der Darstellung ihrer Anhänger wie Gegner Extreme. Überhöhung und Verschmähung formen zusammen ein Bild, das ihre Aspekte stark eingeschränkt hat. Innos ist mehr als nur Ordnung, Gerechtigkeit oder das Gute, genauso wie Beliar nicht nur Inbegriff von Tod, Macht oder des Bösen ist. Um zu verstehen, wo der Platz Adanos' innerhalb der Drei ist, müsst Ihr Euch auch mit seinen Brüdern beschäftigen. Jedem der drei Brüder ist eine gewisse Ambivalenz eigen. Es hat einen Grund weshalb das Feuer zum Symbol für Innos erwählt wurde. Helles Licht wirft dunkle Schatten, die wärmenden Flammen eines Herdfeuers können schnell ein Haus in Brand stecken. Auch das Wasser als Symbol Adanos' birgt viele Deutungsmöglichkeiten, steht gleichermaßen für Stillstand wie Fluß. Löscht Brände und Durst, aber derjenige, der nicht schwimmen kann, ertrinkt nur allzu leicht in den Fluten. Es wäre töricht anzunehmen, dass der Ausgleich als höchstes Ziel eine stets ehrenvolle Aufgabe ist. Im Verständnis unserer Gemeinschaft mag das zutreffen, aber es kann sein, dass Ihr Euch irgendwann in der Situation wiederfinden mögt, wo auch Euer Einsatz für den Ausgleich zu radikalen Schritten führt und dann mögt Ihr vor Adanos bestehen, aber es gibt noch eine andere Instanz, der Ihr Rechenschaft ablegt. Unmittelbarer, als Ihr es je vor Adanos tun werdet. Euer Gewissen."
Seine Stimme war leiser geworden, seine Augen feuchter, sodass er sich kurz abwendete, um sie mit dem Ärmel seiner Robe zu trocknen.
"Verzeiht, Scorchal. Es war vielleicht zu früh, um Euch all das zu eröffnen,", erklärte er etwas heiser, "aber es ist für die Diener des Gleichgewichts ebenso von entscheidender Bedeutung sich darüber bewusst zu werden, dass Ihre Rolle eines Tages Opfer fordern mag, die keiner freimütig aufgibt."
Geändert von Ptah (27.04.2012 um 23:51 Uhr)
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Aufmerksam betrachtete der Novize den Adepten, während dieser sprach. In seinem Gesicht spiegelte sich wider, was in dem Geist dahinter vorging. Und das von ihm eben gerade angesprochene Gewissen schien Ptah – der versucht war, es nicht zu zeigen – immer noch in einem festen Griff zu haben, vor allem, wenn er jemand anderem von Gewissen und Rechenschaft erzählte.
„Eure Worte“, begann Scorchal langsam und leise, „Eure Miene, beides zeigt die Wichtigkeit dessen, was Ihr mich gerade gelehrt habt. Ihr wisst ja, Ptah, dass ich die ganze Sache mit dem Gleichgewicht und den beiden Seiten noch etwas … oberflächlich betrachte, im Prinzip nur wiedergebe, was ich gelesen und gehört habe. Ihr aber macht mir klar, dass der Schatten nicht nur das Böse beherbergen kann, sondern auch Ruhe und Geborgenheit, die man im strahlenden Licht nicht finden könnte. Wie Tag und Nacht, denke ich, gehört beides dazu und hat seine guten und schlechten Seiten. Wir sind dann quasi die Kraft, die dafür sorgt, dass sich die Welt weiter dreht und keiner der beiden Zustände länger als nötig beibehalten wird.“
Einen Moment klopfte nun aber sein eigenes Gewissen an. Es hielt ihm das Bild seiner sterbenskranken Frau vor und schenkte ihm ein Gefühl der Hilflosigkeit, die er damals empfunden hatte, als ihm seine Tochter genommen worden war. Das sonst sanfte, freundliche Gesicht des Dunkelhäutigen brach einen Moment wie eine Maske aus Ton, die auf dem Boden zerbrochen wurde. Für wenige Sekunden lag in den Augen des Mannes eine Trauer und ein Schmerz, die schwer zu ertragen waren.
„Mein … Gewissen“, sprach er noch leiser, „… Wenn ich den Menschen und dem Ziel, das unsere Gemeinschaft verfolgt, damit helfen kann, werde ich auch radikale Schritte gehen. Aber wie bei der Magie werde ich auch hier nur dazu greifen, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe, in Stunden der Not.“ Scorchal schluckte schwer. „Und dann opfere ich mich lieber selbst, als noch einmal Menschen meinetwegen sterben zu sehen …“, setzte er flüsternd an, ehe er wieder die Maske des freundlichen Novizen aufsetzte, in den Augen nicht mal mehr ein Funke der geistigen Bürde, die er wohl bis an sein Lebensende tragen würde.
„Aber so unser Gott will, kommt es gar nicht so weit“, sprach er lächelnd, „Vor allem, wenn er einen Magier mehr in seinen Reihen hat.“
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Adson saß seit dem frühen Morgen in der Bibliothek. Sie war ihm eine willkommene Abwechslung zur hektischen Arbeit in der Taverne geworden. Außerdem hatten die Mengen an interessanten und geheimnisvollen Büchern seinen Wissensdurst angeregt, so dass der junge Schreinergeselle immer wieder dem Reiz der Bibliothek verfiel. Meistens führte er auch ein kleines Notizbuch mit sich, um wichtige Gedanken fest zu halten.
Am heutigen Morgen hatte er eine Setarrifer Chronik zur Hand genommen. Die Geschichte der ehrwürdigen Stadt faszinierte den jungen Mann. Er hatte von der Gründung der Akademie durch alte Meister der Kampfkunst gelesen und einiges über den Bau der alten Prunkbauten gelesen. Auch von einem Ring von Wachtürmen wurde berichtet und Adson erinnerte sich an Murdras alte Karte. Es schien ihm, als wäre da noch einige der Türme eingezeichnet gewesen.
Schließlich erreichte er die letzten Passagen der Chronik. Sie berichteten von der Besetzung durch König Rhobar II. und dem Statthalter Lord Tronter. Der Chronist beschrieb voller Begeisterung den Freiheitswillen der Argaaner und ihren Ärger über die Besatzung. In bunten Farben ließ er die Befreiungskämpfe wieder aufleben, die nach dem Tod des Königs geführt wurden. Adson laß von Heldentaten und wilden Kämpfen. Ein triumphaler Bericht erzählte von der finalen Schlacht im Bluttal, bei der Lord Tronter von Ethorn VI. besiegt und erschlagen wurde. Voller Hoffnung äußerte sich der Chronist zur nahen Zukunft des freien Argaan und hoffte auf ein Wiedererwachen der alten Setarrifer Hochkultur.
An dieser Stelle schlug Adson das dicke Buch zu und stellte es vorsichtig zurück ins Regal. So langsam konnte er verstehen, warum viele Setarrifer den Eindringlingen mit ungeteiltem Hass begegneten. Sie hatten sich mühsam freigekämpft und hatten auf ein Aufblühen der Insel gehofft, doch hatte Rhobar III. diese Hoffnungen vorerst zunichte gemacht.
Adson verließ die Bibliothek und machte sich auf den Weg in die Taverne. Er sah die Stadt heute mit anderen Augen. Er sah die Krieger, die für eine freie Heimat eintraten und er sah die Bürger der Stadt, die sich Frieden und Freiheit herbei sehnten. Adson fühlte mit ihnen und hatte einen Entschluss gefasst: Er würde auch mit ihnen kämpfen.
'Ich werd mich in nächster Zeit wohl erkundigen müssen, wie man Söldner werden kann. Und dann werd ich mich wohl auch mit dem Führen von Waffen vertraut machen müssen!', nahm sich der Schreiner vor, als er durch die Straßen von Setarrif lief.
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Ahhh. Verdammt soll der Kerl sein. So Jung und doch solche Kraft in den Armen. Andernfalls wäre er auch nich Anführer der Söldner geworden. Durch diese Schlägerei hatte er Bekanntschaft mit der Argaaanischen Stärke gemacht und gleichzeitig hatte der Anführer Rognors Respekt verdient. Rognor grunzte und stand auf. Ein "Arzt", den er nach der Kneipenschlägerei besucht hatte bestätigte die Vermutung Rognors. Obwohl die Rippen nur angeknackst waren hatte der Arzt ihm eine Woche Bettruhe verschrieben. Aber was sollte der Weißhaarige mit einer Woche im Bett anfangen. Für ihn wäre dies nur verschwendete Zeit, welche er nie zurückbekommen würde. Der Zwerg setzte sich auf die Kante des Bettes und überlegte was er in den nächsten Tagen tun sollte. "Hmmm Vielleicht erkunde ich die Gegend um Setarrif." Rognor stieg mit dem Gedanken, die Umgebung der Stadz zu erkunden, aus dem Bett und ignorierte mit voller Absicht die Worte des Quacksalbers. Der weißhaarige Fallenkonstrukteur griff sich seinen Gürtel und tastete ihn ab um sich selbst zu versichen, das alles da ist. Nach der Zange und der Rolle Draht griff er an eine leere Stelle. "Beim Barte meiner Urahnen wo ist der Hammer?!" Die donnernde Stimme durchdrang die Tür und den Boden. Höchstwahrscheinlich wussten jetzt einige Gäste, dass irgendwer einen Hammer sucht. Verdammt. Verdammt. Verdammt. Der hammer meines Meisters. Ich hab ihn verloren. Wie konnte mir das nur passieren?
Der Zwerg holte unter seinem Hemd den goldenen Anhänger in Form eines Hammers hervor küste ihn und bat den heiligen Schmied um Hilfe. Kurz darauf verschwand der Talisman unter dem Hemd und der Zwerg stürmte hinaus auf die Straßen um seinen Hammer wieder zuerlangen.
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"Danke.", flüsterte Ptah, noch immer etwas unsicher, "Für Euer Vertrauen in mich, Scorchal."
Dann blickte er auf und verdrängte die Schwere des Augenblicks mit einem aufmunternden Lachen, das wohl ebenso für den Novizen wie ihn selbst bestimmt war. Einen Augenblick brauchte er noch, füllte ihn mit zwei tiefen Atemzügen, danach war er bereit weiterzumachen.
"Nun dann wenden wir uns allmählich mal der Magie zu, soll heißen Euerer Magie, denn Vorraussetzung dafür, dass Ihr erlernt einen Zauber zu wirken, ist, dass Ihr zuvor die Magie in Euch entdeckt habt. Habt Ihr eine Idee, wie Ihr das bewerkstelligen könntet?"
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Das eben noch lastende Gefühl der Trauer in ihm verbannte Scorchal mit einem Räuspern, ehe er Ptah antwortete. „Nun, vielleicht durch eine Art Ritual oder Test? Etwas, dass das in mir herausfordert, das die Magie enthält“, sprach er und fuhr sich nachdenklich mit der linken Hand durch den Spitzbart, „Auf jeden Fall kann ich nicht einfach sagen: Simsalabim, und schon ist die Magie da. Mh. Ja, ich denke es wird eine Art Test geben. Irgendetwas zum Aufspüren des Potenzials, sollte es vorhanden sein.“
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Wieder trat das Schmunzeln in Ptahs Züge.
"In der Regel sind derlei Maßnahmen nicht notwendig, um sich der Magie zu nähern. Ihr werdet möglicherweise überrascht sein, wie banal das Folgende klingt - zumindest in meiner Schilderung.", erklärte der Adept geduldig, "Vielleicht ist Euch schon aufgefallen, dass Ihr in Augenblicken absoluter Stille Dinge wahrnehmt, die Euch für gewöhnlich verborgen bleiben. Ihr hört Euer Herz schlagen oder nehmt eure Atmung bewusster wahr. Wir werden nun etwas Ähnliches versuchen. Indem Ihr Eure Augen schließt und die Stille nutzt, um in Euch zu forschen. Aufmerksam, konzentriert und nur auf Euch bedacht. Versucht die Umgebung so gut es geht, auszublenden, versetzt euch in einen Zustand, der es Euch erlaubt, Euren Fokus völlig auf Euch zu legen."
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Der Novize sollte sich also einfach in sich selbst vertiefen. Völlige Konzentration auf die eigene Person. Was arrogant schien, hatte wohl einen Sinn. Und so schloss der Dunkelhäutige seine Augen, regulierte die Atmung, ließ sie gleichmäßig und ruhig gehen, fast so, als würde er sich zum Schlafen legen und langsam in die geruhsamen Stunden der Erholung übergehen.
Da war der Herzschlag. Ungehetzt, ruhig. Bumm, Bumm, Bumm. Kurze Pausen dazwischen. Bumm, Bumm, Bumm. Ein gleichbleibender Takt, der so einfach und doch so fest, lebendig und stark wirkte. Als würde man das Ohr an die Erde legen und das Pulsieren der Welt hören, die ebenso lebte wie die Wesen auf ihr. Bumm, Bumm, Bumm.
Dann war da die Atmung. Regelmäßig und Leben spendend. Ein langes, langsames Einatmen, gefolgt von einem kurzen, jedoch ruhigen Ausatmen. Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen. Mit dem Herzschlag, der unentwegt klang, bildete beides eine Symphonie der Lebendigkeit.
Aber … da war noch etwas. Die Gesichtszüge des Novizen wurden einen Moment von Verwirrung gezeichnet. Ihm war, als würde er das Ohr an eine Muschel legen. Ein fernes, leises Rauschen. Wellen, die an den Strand zu spülen scheinen, getrieben von einem leichten Wind. Gleichmäßig schwappten sie. Brachten das Rauschen mit sich. Für eine Sekunde sah Scorchal das Bild eines Strandes mit solcher Intensität vor seinem geistigen Auge, dass er den Geruch des Salzes in der Nase und das Kreischen der Möwen am Himmel im Ohr zu haben schien.
Dann war es auch schon wieder verschwunden, das Rauschen. Übertont vom klopfenden Herzen und der arbeitenden Lunge.
„Ich …“, begann der Dunkelhäutige heiser, „… weiß nicht, was ich gerade gespürt habe.“ Er öffnete die Augen, blickte sich nach dem Fenster um. Es war dicht. Kein Geräusch traf von außerhalb ein. Also war das Rauschen nicht aus der Wirklichkeit gekommen.
„Da war ein Rauschen. Wie vom Meer. Es war leise, klang aus weiter Ferne. Aber es war da. Irgendwie … verheißungsvoll.“ Er seufzte. „Oder war das nur Einbildung?“
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