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Die Flammen hatten sich weiter ausgebreitet, als es sich der Priester gedacht hatte, doch schien noch nicht der ganze Wald davon betroffen zu sein. Immer wieder wischte Lopadas sich den Schweiß aus dem Gesicht, als er zusammen mit seinem Schüler durch die entstandene Lücke schritten. Fröhlich prasselte neben ihnen die Flammenwand, doch wagte sie es nicht ihre feurigen Finger ihnen entgegen zu strecken. Sie wussten, dass der Schriftgelehrter ein Diener des Gottes war, der über sie gebot.
Unablässig gingen die beiden immer mehr ins Zentrum des Flammenringes. Und tatsächlich konnte der Schriftgelehrte in der Ferne eine Gruppe sehen. Es schienen mehr Menschen vom Feuer eingeschlossen zu sein, als er gedacht hatte. Seine Hilfe kam also nicht vergeblich. Die beiden Diener Innos' verschnellerten ihre Schritte und kamen schon bald bei der Gruppe an. Dort konnte Lopadas schon die ersten Verletzten sehen, die schleunigst behandelt werden mussten.
"Innos zum Gruße. Ich komme aus Thorniara, weil ich den Rauch gesehen habe. Seit ihr alle, die hier vom Feuer eingeschlossen sind oder gibt es irgendwo noch andere Verletzte? Und wer bei Innos hat eigentlich dieses Feuer gelegt? Ein solcher Band bricht nicht von allein aus."
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Tatsächlich: Jemand hatte sie an diesem scheinbar von Innos verlassenen Ort gefunden – und dem Aussehen der beiden Männer zu urteilen handelte es sich auch um Magiegelehrte, die ihnen in der derzeitigen Situation mehr als gelegen kamen.
Da Silohtar sich bereits um einige der Verletzten kümmerte und ihnen Mut zusprach, nahm sich Arty das Recht heraus, die Frage seines Gegenübers zu beantworten.
„Innos zum Gruße, werter Magier. Ihr ahnt gar nicht, wie froh wir sind, euch hier zu sehen. Wir dachten schon, wegen der Dunkelheit wäre selbst diese enorme Rauchentwicklung in Thorniara unbemerkt geblieben. Innos sei Dank, dass ihr ein wachsames Auge hattet.“
Mit einer gleichermaßen erschöpften wie erleichterten Geste breitete der Langhaarige die Arme aus und deutete auf die Flammen, die rings um sie herum züngelten.
„Das“, begann er, „ist tatsächlich kein Werk der Natur. Wir befanden uns mitten im Kampf mit sowohl von der Zahl als auch der Kampfesstärke überlegenen Schraten, als wir endlich einen Weg fanden, wie wir sie erfolgreich in die Flucht schlagen konnten: Feuer.“
Nach einem kurzen Seufzer fuhr er, mit beiden zu Fäusten geballten Händen auf den Oberschenkeln abgestützt, fort.
„Wir legten Feuer, um die Schrate gleichzeitig einzukreisen und sie zu töten. Dem Übereifer einiger Novizen ist es aber geschuldet, dass sich das Feuer schneller und heftiger ausbreitete, als gewollt – so dass wir uns ein eigenes Gefängnis aus Flammen errichteten. Ich schätze, diese Schneise dort ist euer Werk“, deutete Arty mit einem Kopfnicken hinter die beiden Thorniaraer, „Und wenn dem so ist, hoffe ich, dass ihr auch in der Heilung geübt seid – wir haben nämlich einige Verwundete, die einer Versorgung dringend bedürfen.“
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Ein unachtsamer Umgang mit der Magie war also Schuld an diesem großflächigen Brand. Wäre die Situation der Verletzten nicht so zu gespitzt, hätte sich der Priester die beiden Novizen, die dafür verantwortlichen waren, zur Brust genommen. Er brauchte nicht noch einmal irgendwelche wütende Feuerteufel. Um ein klärendes Gespräch würden die beiden so oder so nicht herumkommen, deswegen beauftragte Lopadas seinen Schüler damit die beiden Novizen aufzusuchen und darauf zu achten, dass sie nicht versuchten das Weite zu suchen.
Kurz ließ Lopadas seinen Blick in der Gegend herumschweifen. Hier schien wirklich ein großer Kampf statt gefunden zu haben. Überall lagen verkohlte Überreste von Wesen herum, die der Schriftgelehrte noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Doch dies war kein Zeitpunkt über die Kreaturen Beliars zu spekulieren, denn die Verletzten benötigten seine ganze Aufmerksamkeit.
"Ja, ich habe uns einen Weg durch die Flammen gebahnt, weil ich die Befürchtung hatte, dass vielleicht Menschen eingeschlossen seien. Und wie ich sehe, lag ich damit nicht falsch.
Natürlich werde ich mich um die Verwundeten kümmern. In der Zwischenzeit sollte ihr alles mögliche versuchen, um das Feuer aufzuhalten. Wenn die Verwundeten versorgt sind, werde ich euch unterstützen.", antwortete der Priester seinem Gegenüber.
Lopadas ging zu den Verletzten hinüber und sah, dass sich gerade der seltsame Typ um einige von ihnen kümmerte, dem der Schriftgelehrte vor einigen Wochen im Tempelviertel begegnet war. Wenn der Verrückte sich hier herumtrieb, konnte das nichts gutes bedeuten.
"Innos zum Gruße.", grüßte er so freundlich wie nötig, "Lass mich nach der Wunde sehen."
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Und so war Tyrael schließlich doch mit Silohtar in den Wald gekommen und hatte die Schrate gejagt, auch wenn er diesen an den vorherigen Tagen nicht mehr gesehen hatte und ihm somit nicht folgen konnte.
Zusammen mit seinem Meister begab er sich in den Wald, nur um dort einen Waldbrand, sowie eine Schlacht vorzufinden. Waren es dieselben Schrate, die vor langer Zeit mit Grimbar bekämpft hatte? Vermutlich.
Lopadas schien von der derzeitigen Situation wenig angetan zu sein und beäugte mit wenig erfreuten Augen den Brand, der die Nacht in Rot tauchte. Hier waren eindeutig Magier am Werk gewesen und nun war es seine Aufgabe, diese Männer zu finden. Es seien Novizen und bestimmt noch irgendwo in der Gegend.
Er kletterte also über ein paar Leichen und über Verletzte, um die sich glücklicherweise schon jemand kümmerte und machte sich direkt auf die Suche nach den besagten Novizen, direkt in den brennenden Wald. Hier schien keiner der Schrate mehr zu sein, die Krieger und das große Feuer hatte ihnen vermutlich den Rest gegeben.
Er entdeckte einige arg verkohlte Stellen deuteten auf die Treffer von Feuerbällen hin, hier war er also richtig.
Hinter ihm krachten bereits einige Äste runter, die vor Flammen nur so loderten. "Wäre ich bloß Wassermagier geworden" seufzte er vor sich hin und wich so gut wie möglich den Ästen aus. Ein alter Baum vor ihm war besonders von dem Feuer betroffen und schien bald zusammenzubrechen und vom Stamm lösten sich immer mehr Äste - einer fiel von oben herab direkt in Tyraels Richtung - das war seine Chance! Von Adrenalin durchflutet tat er alles, was er bei Lopadas gelernt hatte und wirkte den Telekinese-Zauber. Der Ast flog wie durch Zauberhand einige Meter entfernt zu Boden, die Lage entspannte sich. Er hatte zum ersten mal Telekinese gewirkt. Davon würde er sofort Lopadas erzählen, sollte er die beiden Novizen finden.
Angespornt von seinem Erfolg folgte er weiter von Spuren der Verwüstung und tat sein bestes Äste und Steine per Magie aus dem Weg zu räumen, er wollte seine neue Kraft schließlich nutzen. Bald bemerkte er aber, dass es an seinen Kräften zerrte und er begann damit aufzuhören, solche Spielereien würden ihm noch den Tod bringen.
Nach einigen Minuten der Wanderungen sah er einen unglücklichen und von den anderen getrennten Schrat, der das Ziel einiger vieler Feuerpfeile wurde - die Novizen schienen ihren Spaß daran zu haben, die einige Schritte von dem Tier entfernt standen und ihre Wut an ihm ausließen.
Mit großen Schritten stapfte er zu ihnen hin und verpasste dem ersten Novizen einen Kinnhacken. Er hatte Glück, beide schienen Adelig zu sein oder zumindest aus vornehmen Hause zu stammen, beide waren alles andere als kräftig. "Ihr beide habt mächtig viel Ärger am Hals" fauchte er die beiden überraschten Novizen an. "Ihr kommt mit mir sofort zu Meister Lopadas und dann werdet ihr uns erklären, warum ihr den halben Wald angezündet habt". Einer der Novizen rieb sich das Kinn und gab schließlich nach, sich zu widersetzen. Es würde ihnen nur mehr Ärger einbringen als sie jetzt schon hatten, da ihnen vermutlich erst nun klar wurde, was sie getan hatten. Tyrael blickte auf den Schrat, der nun glücklicherweise tot zu sein schien.
Der Rückweg war um einiges leichter, da der Weg durch den Telekinese-Zauber freigelegt war und so konnten die drei Diener Innos zu dem Lager der verletzten gelangen, wo Lopadas immer noch mit den Verletzten beschäftigt war.
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Als er gerade den Verband am Bein eines Verwundeten mit einer Sicherheitsnadel vorläufig festgesteckt hatte. Kam sein Schüler mit zwei Novizen im Schlepptau in das Lager zurück. Der Adlatus hatte die Schuldigen ziemlich schnell gefunden. Am Blick der beiden Novizen konnte der Schriftgelehrte erkennen, dass sie von einem schlechten Gewissen geplagt wurden oder immerhin über ihre Taten nachdachten. Es bestand für ihn kein Zweifel, dass die beiden für den Brand verantwortlich waren. Dazu wurde es ihm noch von mehreren Gruppenmitgliedern bestätigt. Mit zu Boden gesenkten Blick standen die beiden Novizen vor dem Priester.
"Ihr scheint zu wissen, warum ihr vor mir steht oder?", fragte Lopadas streng.
Die beiden Novizen nickten nur, aber schauten nicht auf.
"Es ist löblich, dass ihr die Gruppe unterstützen wolltet und dies bis zu einem gewissen Grad auch getan habt. Doch wie ich sehe, habt ihr scheinbar im Wahn gehandelt. Bei Innos, was hat euch dazu bewegt einen solchen Brand zu entfachen, wo ihr wissen solltet, dass die Magie sich nicht so leicht kontrollieren lässt und vorallem nicht von solch Ungeübten, wie er es scheinbar seid."
Einer der beiden Novizen versuchte die Lage zu erklären, doch wurde die Situation dadurch für die beiden Niederrängigen nicht besser.
"Ich bin mir sicher, dass ihr helfen wolltet, doch solltet ihr, wenn ihr schon der Magie kundig seid, auch soviel Weitsicht besitzen, dass ihr über das Ausmaß eurer Zauber bescheid wisst. Mögen es auch nur Feuerpfeile oder kleine Feuerbälle gewesen sein. Auch ein kleiner Funke kann im falschen Moment einen Flächenbrand auslösen.
Über eure Strafe werden wir entscheiden, wenn wir zurück im Tempelviertel sind. Und jetzt macht euch nützlich, in dem ihr helft das Feuer zu löschen. Aber bis auf weiteres ist euch der Umgang mit Magie untersagt."
Betroffen trotteten die beiden Novizen zu der Gruppe, die gerade versuchte mit Wasser aus dem Bach das Feuer einzudämmen.
"Wenn du dich umschaust, kannst du sehen welche Folgen ein unbedachten Umgang mit Magie haben kann.", sagte der Schriftgelehrte an seinen Schüler gerichtet, "Dies ist nicht nur eine Lehre für die beiden, sondern auch für dich. Du musst die möglichen Auswirkungen deiner Zauber immer Blick haben. Zwar lässt sich die magische Energie nicht berechnen, doch durch dein geistiges Eingreifen gibst du der Magie eine Richtung, die sich vorher bestimmen lässt."
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"Ich werde es mir merken" sagte Tyrael und nickte. Der Beweis, dass das nicht nur eine einfache Floskel seines Lehrers war, war der Wald um sie herum, der fleißig brannte. Hoffentlich würde ihm so etwas nicht passieren.
Die Verwundeten schienen besser vorsorgt zu sein als zuvor, die Lage hatte sich gebessert, aber trotzdem gab es für die Heiler vor Ort noch einiges zu tun.
Offensichtlich schienen die Innosdiener den Kampf gewonnen zu haben und Tyrael bereute es fast, nicht dabei gewesen zu sein. Aber er würde seinen Wert noch beweisen und einen Teil zur Besserung ihrer Lage hatte er schließlich schon beitragen, indem er die Brandstifter ausfindig gemacht hatte.
"Was ich noch sagen wollte..." begann Tyrael.
"Mir ist es gelungen den Telekinese-Zauber ordentlich zu wirken, als ich brennende Äste und Steine zur Seite warf." Das war nun Nummer 2, ganze 2 Zauber schien er zu beherrschen, aber hoffentlich würde sich die Zahl noch erweitern. Soweit er wusste fehlte ihm nur noch der Siegelzauber. Aber im Moment gab es wichtigeres zu tun, der Wald war noch am Brennen und es gab verletzte Krieger überall.
"Natürlich war Adrenalin im Spiel, aber ich bin mir sicher, dass ich den Zauber recht gut beherrsche."
Geändert von Tyra (05.02.2011 um 23:23 Uhr)
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"Auch wenn deine Zauber erfolgreich gewesen sein sollten, achte stets darauf, dass dein Körper nicht die Oberhand gewinnt, wenn du einen Zauber wirkst. Selbstverständlich kann sich der Geist nicht vom Körper lösen und ist somit immer noch dessen Zwängen teilweise unterworfen. Doch du solltest lernen, dass du diese Zwänge minimierst, damit sie keinen Einfluss auf deine Beschwörungen haben. Allzu erregte Gemüter neigen dazu unkontrolliert Magie zu wirken. Für eine kurze Zeit mögen sich die magischen Ströme darauf einlassen, doch viel zu schnell kann sich das Blatt wenden und eine Zerstörung wie diese hier anrichten.
Da wir noch einiges zu tun haben, werde ich mir morgen deine Fortschritte näher anschauen. Bisdahin solltest du dich nützlich machen. Hilf den anderen bei beim Aufbau eines Nachtlagers. Ich werde unterdessen beim Löschen des Feuers helfen."
Der Adlatus tat wie im gesagt wurde und lief zu den anderen, um ein Lager vorzubereiten. Lopadas hingegeben begab sich zu der Gruppe, die versuchte mit Wasser Herr über das Feuer zu werden. Wieder stellte sich der Schriftgelehrte mit nach vorn gestreckten Armen vor die Flammen, welche durch die Löschversuche nicht mehr in so stark gebündelter Form brannten. Sein Geist griff nach deren Grundlage. Ihre Kräfte waren geschwächt, auch wenn sie immer weiter versuchten von einem Baum zum nächsten überzuspringen. Lopadas konnte das Feuer leichter als zuvor an seine Gedanken bin und so von den Bäumen und Sträuchern trennen. Die Flammen sprangen auf seine Hände über und konzentrierten sich dort immer weiter, bis nur noch eine faustgroße Kugel über der Handfläche des Priesters schwebte. An einer Stelle, wo die Baumkronen eine Lichtung zu ließen, schoss Lopadas den Feuerball gen Himmel, wo er sich in viele kleine Funken verteilte und erlosch. Ein weiteres Stück des Waldes war nun von den Flammen befreit, doch alle konnte er nicht auf diese Art beseitigen. Auch seine Kräfte waren begrenzt. Er versuchte sich nun darauf zu konzentrieren die Flammen klein zu halten, damit die anderen sie schneller löschen konnten.
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Tyrael tat wie ihm geheißen und verließ Lopadas, nur um einige Meter weiter mit dem Aufbau einiger provisorischer Unterkünfte zu beginnen. Es gab glücklicherweise noch einige stabile Äste, mit denen er Unterstände bastelte und sie quadratisch anordnete. Irgendjemand würde bestimmt Felle öder Tücher dabei haben, mit denen man eine Art Dach basteln konnte.
Auch bastelte er sich ein Lagerfeuer zusammen. Es schien im Moment recht sinnlos zu sein, aber nach dem Brand könnten die Verwundeten bestimmt ein kleines Feuer gebrauchen. Nun war er noch besonders vorsichtig, schließlich war ein neuer Brand das letzte, was sie gebrauchen konnten.
Einer der Kämpfer begab sich nach kurzer Zeit zu seiner Konstruktion und baute eines der Felle an - die Unterkunft war fertig und der erste Verwundete wurde dort hingelegt. Nun musste er es noch circa ein Dutzend mal machen, es konnte sich also nur noch um Stunden handeln, bis er sich eine Pause gönnen könnte.
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Bluttal; Hof
Kialar fühlte sich überraschend munter an diesem Tag. Die Temperaturen waren mild, die Schneedecke langsam auch in jedem noch so schattigen Winkel abgetragen und ein seltsam warmer Wind – warm für einen Winter, versteht sich – wehte ihm entgegen und trug einen Geruch, den er nicht so ganz einordnen konnte.
Der erste Anflug des Frühlings präsentierte sich.
Die Arbeiten am Hof des Bluttales gingen inzwischen fast schon ohne große Aufsicht von der Hand. Jeder der Arbeiter schien seine tägliche Routine gefunden zu haben. Die Feldarbeiter sowie die Holzfäller begaben sich in aller Früh zu ihren Stellen und sein Vorsteherposten bedurfte keines großen Könnens mehr. Hier und da richtete er noch etwas nach seinem Geschmack aus, aber insgesamt hatte der Hof dank der fleißigen Arbeiten eine schöne Form eingenommen. Selbst die Inneneinrichtung der Nebengebäude war fertig gestellt und vermittelte eine angenehme ländliche Atmosphäre.
Somit ging der Novize seine übliche Tour ohne groß eingreifen zu müssen.
Er fragte sich, was Fross wohl gerade tat. War der rothaarige Hüne wieder zurück im Festland, streifte er orientierungslos in Argaan umher, hatte er vielleicht einen Posten als Söldner angenommen oder verdiente sein Geld ehrlich als Barbier? Kialar traute ihm alles zu und doch fühlte er einen kleinen Stich, fühlte sich betrogen von seinem scheinbar nur vorübergehenden seltsamen Kameraden. Er hatte geglaubt, der Nordmarer würde in Thorniara bleiben, sich vielleicht eine Arbeit suchen, für Innos streiten, mit ihm um die Häuser der Stadt ziehen…aber erst jetzt wurde dem Wüstensohn klar, dass er wohl doch weniger Einfluss auf ihn gehabt hatte, als vermutet. Vielleicht hatte Fross nur jemanden gebraucht, der ihm den Weg erklärte…und dennoch, Kialars Menschenkenntnis konnte ihn doch nicht so getäuscht haben? War der Hüne womöglich doch irgendwo in Gefangenschaft, hatte letztlich der seltsamer Hexer seine Hand im Spiel gehabt…wartete der arme Fross irgendwo angekettet in einer Höhle auf seine Rettung?
Der Wüstensohn verlor sich einen Moment lang in seinen Gedanken und musste sich wieder zur Vernunft rufen. Immerhin hatte er nun keinen Einfluss auf Fross. Was auch immer der Nordmarer tat und wo auch immer er war, Kialar hatte weder eine Spur noch eine Ahnung, also was konnte er schon tun?
Er hatte auf seinen Streifzug unterdessen das Holzfällerlager erreicht. Die Arbeiten gingen ungestört weiter und als der Novize seinen Blick über das Lager streifen ließ, entdeckte er unter den Arbeitern auch Esil. Der Hirtenjunge hatte sich immer öfter dort sehen lassen und Kialar vermutete fast, dass dieser in Gunther eine Art Idol sah. Der Wüstensohn spürte den leisen Hauch einer Enttäuschung. Irgendwie war er davon überzeugt gewesen, Esil würde sich mehr für den direkten Weg Innos’ entscheiden, aber als er Gunther sah, der auf ihn zuging, konnte er schon verstehen, das diese imposante Holzfällergestalt mit seinem kriegerischen Aussehen eine größere Wirkung auf einen Jüngling hatte, als der varantische Novize.
„Na, wie macht er sich?“, sprach er den Holzfäller sofort an.
„Oh, gut, gut…er ist noch ein wenig schwach unter den Armen, aber das kommt noch.“, meinte Gunther und nickte fachmännisch.
„Wie geht’s dem Bein?“, wollte er von ihm wissen.
„Ein bisschen steif noch, aber ansonsten…“, erwiderte Kialar und winkelte es demonstrativ ab.
Gemeinsam standen sie mit verschränkten Armen da und betrachteten eine Weile die Arbeiten. Es war zu einer Art Ritual geworden. Gunther war der Typ Mensch, bei dem keine großen Worte vonnöten waren. Es verging also einige Zeit, wo die beiden lediglich schweigend das Treiben beobachteten, ohne das peinliche, unausgegorene Gesprächsfetzen bzw. unangenehme Stille in der Luft lagen.
„Der Junge hat mich übrigens gefragt, ob ich ihm ein paar Kampftricks beibringe…nichts Großartiges…“, meinte der Holzfäller aus heiterem Himmel und erweckte fast den Anschein, als wäre die ganze Sache nicht weiter wichtig.
„Hm, achso…ja…“, sprach Kialar und konnte seine Enttäuschung nur schwerlich verbergen.
„Ich dachte nur…weil du ja mit dem Jungen, ich wollte nicht…“, erklärte nun Gunther scheinbar unangenehm berührt, doch der Wüstensohn sagte gleich „Achnein, kein Problem! Mach nur, meine Kampfkünste sind sowieso miserabel, hehe.“
„Gut, gut. Ich wollte nur, dass du es weißt.“, erwiderte der Holzfäller.
„Ja, danke.“, sagte schließlich der Wüstensohn. Er war wohl doch nicht der große Lehrer, wie er gedacht hatte.
Kurz daraufhin verabschiedete er sich und führte seine Tour fort.
Dabei fragte er sich die ganze Zeit, was an seinem Gemüt nagte.
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Stewark
Eine Menge Staub wirbelte durch das Labor, als Worgan und Faraday die großen Blumentöpfe von den Fensterbänken auf den Arbeitstisch hievten. Der intensive Geruch von alter Erde stieg dem Lehrling in die Nase; er wandte den Kopf zur Seite, blickte zu seinem Meister.
"Wollen wir?", fragte Worgan und sortierte noch sein Buch zurück ins Regal.
"Immer zu", meinte Faraday gefasst; sein Blick fiel wieder zurück zu den Pflanzen.
"Gutgut", Worgan rieb sich die Erde von den Händen, "Was haben wir denn hier in diesem Kasten?"
"Alles?"
"Jaja, alles."
"Gut...", Faraday fuhr mit dem Finger über eine Pflanze, besann sich aber und machte eine umfassende Geste.
"Das hier... sind die Sonnenpflanzen. Ihr habt gut darin getan, sie ans Südostfenster zu stellen. Sie zeichnen sich durch derbe, kleine Blätter aus. Hier zum Beispiel."
Er deutete auf ein großes, achtblättriges Kraut.
"Seraphis, zu erkennen an dem wachsartigen Überzug. Das schützt die Pflanzen vor übermäßiger Austrocknung."
"Richtig, richtig...", Worgan nickte zustimmend, "Was haben wir hier denn noch?"
"Hier... das sind Felsnesseln. Die wohl geschicktesten Kräuter, wenn es darum geht, sich auf einem steinernen Gelände auszubreiten. Sie wachsen häufig als Unkraut in den Gassen von Städten, sind aber wenig konkurrenzfähig auf einer natürlichen Wiese. Sie haben eine geschickte, ökologische Nische gefunden."
"Ähm...", der Meister kratzte sich am Kopf, "Ja, und was haben wir hier noch? Es ist mir wichtig, dass du die Pflanzen erkennst, du musst keine ausführliche Erklärung liefern."
"Oh, ja verstehe...", er schaute sich den Kasten ein wenig genauer an.
"Das hier... das ist das kräftige Ogerblatt. Und dort haben wir Harnischkraut... ja. Eine ausgewogenere Düngung würde das Wachstum der Pflanzen vielleicht noch effizienter machen..."
"Meinst du?", Worgan wirkte überfragt, "Na... schau dir den anderen Kasten schon einmal an, den hier schaffe ich zurück..."
Die Schattenpflanzen des zweiten Kastens hatte er ebenso schnell und souverän vorgestellt. Der Alchimist schien sich zu ärgern, weil er hier und da von Faraday korrigiert werden musste. Der Lehrling beließ es aber oft auch dabei, um nicht allzu altklug zu wirken.
"Nagut, du weißt ja ziemlich gut bescheid. Dann kommen wir jetzt zu den Pflanzen, die ich nicht in meinem Labor habe. Hmm", er fuhr sich durch den Dreitagebart, "Welche Pflanzen dienen dank ihrer anregenden Wirkung als Stärkungsmittel vieler Tränke?"
"Feldknöterich und Kronstöckl. Wobei Kronstöckl eine der wohl seltensten Pflanzen weltweit ist. Ihre anspruchsvollen Umweltbedingungen machen es fast unmöglich, sie zu züchten. Hattet ihr das schon einmal versucht?"
"Ich... nein. Aber ich habe schon mit welchen gearbeitet", Worgan räusperte sich, "Und ab wann kann man Feldknöterich finden?"
"Sie blühen im Frühjahr und Sommer, doch ihre wertvollen Wurzeln können auch die Jahre überdauern, wenn man Glück hat findet man sogar jetzt noch Feldknöterichwurzeln, die man zu dem wertvollen Zusatzstoffen von Heiltränken verarbeiten kann."
"Ach wirklich?", Worgan stämmte die Arme in die Hüfte, "Sehr gut. Dann habe ich einen Auftrag für dich."
"Ja Meister?"
"Bring mir so eine Wurzel."
"Äh, jetzt sofort?"
"Jaja, Zeit ist Geld!"
"Dann habe ich den Test bestanden?"
Worgan lachte verbittert: "Natürlich hast du das. Du hast deinen alten Meister ganz schön alt aussehen lassen. Aber das ist schon gut, da lernen wir beide was dazu."
Daniel lächelte erleichtert: "Schön, dass ihr das auch so seht."
"Du hast den Rest des Tages Zeit, deiner Aufgabe nachzukommen. Schau, die Sonne kommt sogar raus..."
"Der Frühling ist im Anflug..."
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Bluttal; Hof
„Na, ihr Schafe?“, grüßte Kialar die Tiere, die ihn prompt mit ihrem täglichen Blökkonzert begrüßten.
„Hallo, Kialar!“, antwortete Esil und stand auf. Er hatte scheinbar gegen einen Baum gelehnt die untergehende Abendsonne genossen.
„Ich grüße dich, Sohn der Schafe.“, meinte der Wüstensohn in einem kurzen Anflug von Varantertum und lächelte. Der Hirtenjunge runzelte die Stirn und fragte verwundert
„Sohn der Schafe?“
„Ach, so redet man, wo ich herkomme…“, erklärte der Novize.
„Ah…seltsam, hehe.“, erwiderte der Junge. Ein Anflug eines Bartes zeichnete sich um seine Mundwinkel ab und auch die ungekämmten Haare bedurften einer Pflege, erkannte Kialar und unterdrückte die erschreckend väterlichen Ratschläge, die ihm in den Sinn kamen. „Seltsam, hm…willst du deswegen lieber bei Gunther deine Schläge kassieren?“, sagte er aus einer Laune heraus und wunderte sich selbst über den beleidigenden Tonfall.
„Ich…äh…“, erwiderte Esil und schaute betrübt zu Boden.
„Ach, vergiss es.“, sagte der Novize und lachte über seine gemischten Gefühle. Es kam ihm nach dieser seltsam langen Zeit so komisch vor, die Verantwortung über den Jungen abzugeben. Immerhin hatte er ihn aus Stewark befreit und war eine Zeit lang der einzige Gesprächspartner des Jungen gewesen, der sich anfangs nur schwer zurechtfinden wollte.
„Bei ihm macht das Training wirklich Spaß.“, sagte der Hirtenjunge zur Erklärung und verstand schnell, was das für Kialars Trainingsmethoden bedeutete.
„Ich meine…er ist nicht immer so…“
„So?“, half ihm der Wüstensohn mit etwas finsterem Gesichtsausdruck nach.
„So…ernst.“, meinte sein Gegenüber schließlich.
„Nicht so ernst…du meinst, der Holzfäller mit seiner grimmen Miene, mit dem wilden Bart, den Narben im Gesicht…Gunther?“ Esil nickte und Kialar konnte es nicht fassen.
„ICH bin so ernst?“, fragte er noch mal nach.
„Ja, irgendwie schon.“, sprach nun der Junge mit zurück gewonnenem sicheren Tonfall.
Für den Wüstensohn verrückte sich einen Moment lang alles um ihn herum und er dachte über die vielen Geschehnisse in letzter Zeit nach und wie er darauf reagiert hatte.
Irgendwann dämmerte es ihm. Innos.
Seit er sich dafür entschieden hatte, den Weg des Lichtgottes zu gehen, war er dazu übergegangen, die Dinge anders zu sehen. War es das, was Esil meinte?
Wenn schon der schweigsame Gunther mehr Humor hatte als er, dann war es höchste Zeit etwas zu ändern. „Äh…Kialar?“, sprach ihn Esil an.
„Achso…ja…“, schreckte der Novize von seinen Gedanken auf. „Einen schönen Abend noch.“, sprachs und marschierte ab, während ein verwirrter Hirtenjunge zurückblieb.
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Der Magier, welcher ihn zu dieser Aktion geschickt hatte, hatte es wirklich geschafft. Andrim fühlte sich scheiße und die Aktion hier war wirklich eine Hölle für den Novizen gewesen. Weder hatte er irgendwie richtig helfen können, noch hatte er sich irgendwie einbringen können. Er war alleine, trotz der Tatsache, dass hier viele dabei waren, die er kannte, nun auch dieser Tyrael und Lopadas.
Das Problem war nur, zum Plaudern war keine Zeit und Arty hatte er immer noch nicht ausfragen können, er würde es wohl auf nach dieser Sache hier verschieben, wenn er das Ende mitbekommen würde.
Er hetzte immer nur hinterher... und noch schlimmer, er musste um sein Leben fürchten. Die positiven Aspekte, wie dass diese Waldwesen, die die sie zu aller erst gesehen hatten nun endgültig ausgerottet waren, dass ihre Flucht aus der Höhle geglückt war, oder dass seine Wunde am Kopf nicht Lebensgefährlich war.
Doch gab es genug Sachen, die nicht so gut verlaufen waren...
Sie waren mehr oder weniger umkreist und das von Untoten!
Untoten Shraten, oder wie man dieser Monster, Miniorks genannt hatte, sie waren wilder, als Orks und verdammt gefährlich. Andrim hatte wirklich Angst vor ihnen und wusste nicht, wie das hier ausgehen würde. Jedenfalls waren sie in der Unterzahl.
Was würde jetzt passieren...
Auch die anderen, jedenfalls einige schienen verunsichert und verängstigt zu sein, wie Andrim selbst. Der Novize hoffte nur, dass ihr Boss eine gute Idee hatte, oder noch besser gleich einen ganzen Plan.
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Das Inferno war beendet, die Flammen dank des überraschend auftauchenden Priesters Innos' gebändigt. Als der letzte Funke erstickt war hatten die Männer nicht nur die ganze Nacht gearbeitet, nein - sie hatten auch einige Verwundete zu beklagen und waren völlig überanstrengt. Silo war ausgelaugt, er sehnte sich nach einem Tässchen Tee mit viel Zucker. Leider hatten sie keinen Zucker, und ohne wollte er keinen. Das Bild, das sich ihnen bot, hätte gut in ein Horrorszenario in irgendeinem Lehrbuch gepasst. Magie und ihre Folgen bei Unachtsamkeit oder Wann ist Magie hilfreich – ein Handbuch für Magiegebrauch in Haus und Hof wären passende Titel, wie Silohtar fand. Doch leider war die weitläufig gerodete Fläche und die Rußgeschwärzten Felsen nicht genug. Ganz offensichtlich war die Gefahr durch die Schrate längst nicht gebannt. Es macht den Eindruck, als hätten sich die beiden verfeindeten Parteien verbündet – oder gegenseitig unterworfen. Jedenfalls sammelten sich auf den Seiten des verbrannten Waldes zwei Scharen der Geschöpfe. Und das in nicht zu unterschätzenden Anzahl.
Mehr noch: eine der beiden Truppen bot ein ganz schauerliches Bild. Tatsächlich schien es sich bei ihnen um Untote zu handeln, die jetzt, da die Sonne untergegangen war, aus ihren Gruften gestiegen waren. Untote Schrate! Als hätten sie nicht schon genug Ärger am Hals. Die Situation spitzte sich zu. Immer mehr und mehr der Kreaturen kamen aus dem Wald – langsam doch stetig, mit nach vorn gestreckten Armen und grauenhaft stöhnend. Dem ein oder anderen hingen noch Leinenfetzen am Körper hinunter, ganz als seien sie einbalsamiert worden. Aus der Schar der wandelnden Toten erhob sich eine Figur, eine, die den anderen nicht im geringsten Glich und ungleich schauderhafter war. Rote Augen, eine dunkelrote Robe und ein gehörnter Helm, dessen Hörner wie eine liegende 8 geformt war. Lemni, vermutete Silohtar.
Man hatte sie umstellt, die Männer, die hier inmitten der neu entstanden Lichtung kampierten. Kein Ausweg.
„Tja. Anscheinend müssen wir das Nickerchen und den Nachmittagstee nochmal verschieben.“, stellte Silo nüchtern fest. „Und leider haben wir kein Feuerholz mehr.“
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Wie weit ist es noch?, fragte er sich so langsam, nachdem er bereits gefühlte Stunden das Flussbett entlang geritten war. Irgendwo hier muss es doch sein.
Und irgendwo hier war es auch, denn endlich tauchten in der Ferne die ersten Fackeln auf, die ihm den rechten Weg wiesen. Dorthin hatte sich der Trupp also verirrt, der hier sein Unwesen treibte.
Je näher er kam, desto stärker roch es nach Verbrannten. Das Feuer der letzten Nacht war also auch hier ausgebrochen.
Er wollte den Fackelträgern bereits entgegenreiten und sie grüßen, bis er schließlich das wahre Ausmaß der Situation erkannte. Sie waren eingekreist von … ja, von was eigentlich? Rod wusste es nicht. Aus der Ferne erkannte er nur eine grüne Hauptfarbe und das reichte ihm als Antwort schon. Grün bedeutete in der Regel Feind.
Er klappte das Visier der Rüstung, die er sich aus der Rüstkammer besorgt hatte, runter und machte sich zum Angriff bereit. Zögern durfte er sich jetzt nicht erlauben.
So schnell es der Boden zuließ ritt er heran und senkte kurz bevor er den ersten Feind erreichte seine Lanze.
Das verbrannte Holz brach unter dem Gewicht von Ross und Reiter und kündigte ihn so bereits von weitem an. Aber genutzt hatte es den monströsen Gestalten trotzdem nichts, denn kaum hatten sie sich nach ihm umgesehen, lag der erste Gegner bereits von der Lanze durchbohrt auf dem Boden. Der Paladin zog seine Waffe aus dem Körper des leblosen Wesens und ritt ein Stück weiter, bevor er sich sein nächstes Ziel suchte, Auswahl hatte er ja genug.
Zwei der Wesen waren direkt nebeneinander. Rod erkannte seine Chance und durchbohrte den Ersten sauber mit seiner Lanze, nur damit diese auch noch in den Körper der nächsten Monstrosität bohren konnte. Blut spritze und fand auch den Weg durch sein Visier.
Verdammt, ich seh nichts mehr, fluchte er in seinen Gedanken und klappte mit seiner linken Hand das Visier hoch, um seine Augen vom Blut befreien zu können.
„Kämpfe ich halt so“, murmelte er in seinen Bart hinein, während er auf die Reste seiner Lanze blickte. Er warf einen Blick zurück und sah den Rest im Körper eines seiner letzten Ziele stecken.
Wütend warf er den kümmerlichen Lanzenrest zu Boden und zog sein Schwert.
„Kommt her“, rief er den Monstern entgegen. Und sie kamen.
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Wie durch einen Dunstschleier registrierte Silohtar den Ankömmling. Aus der Dunkelheit brach er hervor wie die Sonne durch eine dichte Wolkendecke, wie Innos persönlich. In schimmernder Rüstung, hoch zu Ross und die Lanze im Anschlag. Silo meinte, Fanfaren zu hören, epische Musik, ganz passend zu der bevorstehenden Schlacht. Tatsächlich war es heller geworden, so glaubte er, und es schien heller zu werden mit jedem Schrat, der leblos auf den verbrannten Boden stürzte.
Mit Pupillen, so groß wie eine Untertasse beobachtete Silo leicht sabbernd das geschehen. Träume ich? in der Tat, er war nicht weit davon entfernt. Der Schlafentzug und die fatale Unterzuckerung forderten ihren Tribut. Glücklicherweise schwand der Zustand dank des ausgestoßenen Adrenalins recht schnell, das sich mit jedem Schritt der Schratarmee zu seiner Schar zu verdreifachen schien. Der Ansturm war noch gering, doch langsam kamen die überraschten Schrate wieder zu sich, ebenso wie seine Mannen, und mehr und mehr stürzten sich unter lautem Gejaule auf die Streiter Thorniaras'.
„Zu ihm!“, befahl Silo auf den erschienenen Retter deutend, gewillt, den Vorteil seiner Anwesenheit zu nutzen und die Verluste gering zu halten. „Packt euch zu dritt die Verwundeten und tragt sie! Wir geben den Trägern Deckung!“ Sein Speer traf auf das weiche Fleisch am Hals eines Schraten und stieß ihn aus dem Leben.
„Und ein bisschen Dalli-dalli, wenn ich bitten darf!“
„Greift euch diese Menschen!“, erschallte eine grausame, hohe Stimme. Schaudernd drehte Silohtar sich um, wollte den Urheber dieses Klanges ergründen. Der Anführer der Untoten stand vorne und deutete mit einer Pranke auf die lächerlich klein erscheinende Gruppe Kämpfer. Seine Untoten jaulten begeistert und stürmten auf die Innostreuen zu... Jedenfalls wenn man den Zombie-Maßstab anlegte. Tatsächlich war es eher ein schnelles Schlurfen.
„Beeilung, Beeilung!“, spornte Silo seine Männer an und legte nochmals einen Zahn zu. „Fast geschafft!“
Der Ritter war in der Tat erreicht. Er hackte wie ein Besessener auf die Wesen ein, die Haare flogen ihm ums Gesicht so dass der Milizionär Schwierigkeiten hatte, ihn überhaupt zu erkennen. Blut spritzte umher und erschwerte sein Bestreben zusätzlich. Es war auch keine Zeit, sich weiter damit zu befassen. Der Streiter focht gegen die Schrate und nicht gegen sie. Das reichte für den Augenblick. Außerdem war für eine langwierige Prozedur wie ein Gesichtsabgleich mit seiner Datenbank auch keine Zeit. Mit Pech dauerte es Stunden, so vermüllt wie sein Speicher war. Die Schrate waren angerückt. Und in ihrer erdrückenden Überzahl war der Vorteil des mächtigen Kämpfers zu Ross schnell verflogen. Silohtar schlug um sich was das Zeug hält, doch mit jedem Erschlagenen wurden seine Arme schwerer. Seinen erschöpften Mitstreitern ging es nicht anders – sie wurden immer mehr zurück gedrängt. Trotzdem hielten sich, Innos sei Dank, die Verluste in Grenzen. Doch die Verwundeten häuften sich. Wenn nicht ein Wunder geschehen würde, würden sie wohl bald Einzug in Beliars halten ...
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Einige Schläge mit den Äxten mehr und er hätte das Buschwerk, das die beiden Jäger noch von dem Ork und seinem Wolfshund trennte, ebenfalls zerschlagen, sehr viel brenzliger hätte es definitiv nicht werden können. Dieser Hund hatte es ihr aber auch nicht einfach gemacht, zuerst hatte er gar nicht reagiert, danach abblockend und mit aufkeimender Aggressivität, weshalb sie schon das Schlimmste befürchtet und einen entsprechenden Angriffszauber überlegt hatte. Wäre der Ork nicht dabei gewesen und hätte ihn zurückgehalten, wäre die Sache vermutlich anders ausgegangen. So hatte der Hund dann eine vorsichtig abwartende Haltung eingenommen und schlussendlich zurückgesteckt. Weil es sein Herrchen wollte. Keine wirklich überzeugende Vorstellung der Blonden und auch nichts, worauf sie im Endeffekt wirklich stolz war. Klar, es würde für Thorwyn vermutlich so aussehen, dass sie die Konfrontation abgewendet hatte, aber tatsächlich stand hinter dem Resultat eine gewaltige Portion Glück. Aber was wären ihre Alternativen gewesen?
Als sowohl Ork, als auch Hund außer Hörweite waren, ging Leylas Anspannung spürbar zurück. Erst jetzt nahm sie die Schweißperlen auf ihrer Stirn wahr, die sie nach eingehender Entfernung auch an anderen Stellen ihres Körpers bemerkte. Die Nervosität in ihr war auch noch nicht vollends verflogen.
"Ich glaube, das ist es, was man Glück nennt...", murmelte sie erleichtert und ließ sich langsam aus ihrer Hockstellung nach hinten fallen, um kurzfristig eine halbwegs bequeme Sitzhaltung einzunehmen. "Sehen wir zu, dass wir hier weg kommen, solange die Götter es noch gut mit uns meinen. Sonst waren am Ende noch alle Mühen umsonst."
Zwar fiel es der jungen Frau schwer, sich nun zu erheben und einen längeren Marsch anzutreten, doch ihre Vernunft mahnte sie eindringlich, genau das zu tun. Selbst Glück galt es nicht zu strapazieren, wenn man irgendwann einmal wieder etwas davon haben wollte.
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Der Abend wartete mit einer Überraschung auf, die die Bewohner am Hof ein wenig aus den Fugen hob. Es war zwar schon länger die Rede davon gewesen, dass seltsame Dinge im Umkreis Thorniara vor sich gingen, doch erst der heutige wolkenfreie Tag zeigte den seltsam roten Himmel, den Hauch einer übrig gebliebene Rauchsäule. Gerüchte kursierten, unruhiges Gemurmel machte die Runde und bald schon hatte Kialar entschieden, der Sache auf den Grund zu gehen. Immerhin konnte er nicht seelenruhig zusehen, wie vielleicht das halbe Bluttal abfackelte.
Also hatte er sich bei Einbruch der Dunkelheit auf den Weg gemacht. Er ging jedoch nicht allein, sondern wurde von Gunther und ein paar von ihm auserkorenen Holzfällern begleitet. Es war nur eine kleine Truppe, doch der Novize glaubte seit dem Wolfskampf fest an die Durchschlagskraft dieser Männer, die er daher auch sein Leben anvertraute.
Der Wald wirkte besonders unheimlich in dieser Nacht, da der Kampfeslärm aus der Ferne immer wieder anschwoll und verebbte, ein ständiges Hin und Her aus Schreien und Scheppern in der Dunkelheit. Noch konnte man nicht sagen, was vor sich ging, doch je weiter sie sich durch den Wald kämpften, desto mehr nahm der alles umfassende Geruch von Verbranntem die Luft ein. Gerade erstreckte sich noch Wald in alle Richtungen, auf einmal zeigte sich ein Bild der Zerstörung. Abgebrannte Bäume, noch vor sich hinlodernde kleine Büsche, Asche, der den ganzen Boden überdeckte und ein unnatürlich großes Feld aus Baumstümpfen und abgebranntem Wald.
Man konnte die Geschehnisse, die sich in nicht allzu weiter Entfernung abspielten, kaum beurteilen, doch ganz eindeutig war ein Kampf in Gange. Schemen gegen Schemen, wobei die Bewegungen der einen Gruppe etwas grotesk wirkten und einen Schauer über Kialars Rücken jagte.
„Seltsame Dinge gehen da vor sich…“, sagte er nicht gerade sonderlich schlau. Aus dem Augenwinkel sah er das grimmige Gesicht Gunthers, der ebenfalls die merkwürdige Szene beobachtete.
Der Wüstensohn machte den ersten Schritt und schon näherten sie sich ohne zu zögern dem Kampf. Erst jetzt machte er ein paar der Menschen aus, die dort gegen eine eigenartige Rasse kämpften, noch hässlicher als Goblins, teils tot, teils lebendig mit verzerrten Grimassen, humpelnd, schleichend, torkelnd, aber unaufhaltsam. Dagegen die Streiter Innos, die er aber im Angesicht des Scharmützels nicht auseinanderhalten konnte. Reiter preschten durch die Menge, doch die Feinde waren stark und schienen unbesiegbar in ihren mächtigen Wellen.
„Jetzt weiß ich, warum ich meine Axt geschliffen habe.“, sprach Gunther in kriegerischem Tonfall.
…und so schlossen sie sich ebenfalls dem Chaos dieser unmöglichen Schlacht an.
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Das Feuer war gelöscht und dennoch war die Gruppe noch nicht frei. Zu seiner Beunruhigung trug bei, dass er nun nicht mehr die helfende Hand war, wie am Abend zu vor, sondern jetzt als ein Teil der Gruppe ebenfalls bedroht wurde. Dies passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Er wollte helfen und nicht kämpfen. Doch bei der Masse an Untoten war es schwierig sich aus dem Kampf herauszuhalten. Erschwerend kam noch hinzu, dass wahrscheinlich die meisten der Gruppe einfach erwarteten, dass ein Priester Innos', wie er, eingreifen würde. Wie auch schon in anderen Kämpfen, in die er verwickelt war, gab es einfach keinen anderen Ausweg als den Sieg zu erringen, um an einem Stück diesen Ort wieder zu verlassen, auch wenn sich alle Fasern im Körper des Magiers dagegen sträubten. Er forschte gern über die magischen Geheimnisse, doch setzte er die Macht nur ungern frei.
Lopadas richte seinen Blick gen Himmel. Die Bäume im Umkreis hatten ihr Laubwerk durch den Brand verloren, sodass die Sicht nach oben frei war, doch ein Feuerregen oder der gleichen kam nicht in Betracht, denn dann würde er das Feuer wieder entfachen, welches er gerade gelöscht hatte. Er benötigte einen Zauber, der am Boden war und keine Pflanzen oder Verbündete beschädigte. Sofort warf sein Geist den neuen Spruch in den vordersten Teil seines Bewusstsein, den er erst vor kurzem in den Notizen gefunden hatte. Der Priester schaute sich um. Da die Untoten durch die Bäume hindurch dicht gedrängt standen, konnte dies wirklich funktionieren, doch benötigte er etwas Zeit dafür.
"Ihr da, versucht die Untoten zwischen den Bäumen zu halten und haltet sie vorallem mir vom Leib.", rief der Schriftgelehrte ein paar Kämpfenden zu, "Ich werde jetzt einen Zauber wirken und wenn ich rufe, dass ihr weggehen sollt, dann geht auch weg."
Die Angesprochenen taten wie ihnen geheißen. Lopadas kniete sich auf den Boden und stützte sich mit beiden Händen ab. Noch nie hatte er diesen Zauber gewirkt, doch gelesen hatte er schon etwas über dessen Wirkkraft. Der Magier schloss die Augen und konzentrierte seinen Geist. Nicht auf die Luft oder auf einen brennbaren Gegenstand, sondern auf den Boden unter seinen Händen. Seine Gedanken flossen über die Fingerspitzen in den Humus des Waldes. Ungewohnt war das Gefühl, welches dabei entstand. Stück für Stück arbeitete sich der Geist des Priesters durch den Waldboden. Dabei versuchte Lopadas seine Gedanken zu weit flächig wie möglich auszubreiten. Eine Anstrengung, die seinem Geist viel Kraft kostete.
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Wie war er nur hier hineingeraten? Überall um ihn herum, verbrannte Bäume ... seine Kameraden, die gegen Unmengen von Schraten kämpften, die anscheinend sofort mit einem weiteren Schrat ersetzt wurden, wenn sie starben ... und einige von ihnen waren auch noch untot, so wie es schien.
Nath schien komplett den Verstand zu verlieren. Auf diese Situation war er nicht vorbereitet gewesen, als man ihm gesagt hätte, einige Viecher vor der Stadt müssten beseitigt werden! Was war nur geschehen?
Eins der Viecher stürzte sich jetzt auf ihn, und in seiner Angst gelang es dem Milizsoldaten trotz fehlender Erfahrung, es mit unkontrollierten Herumgefuchtel seiner Waffe zu verletzen und dann im richtigen Moment zuzustoßen. Das tote Wesen kippte auf ihn, und angeekelt schob er es von sich weg, einen kleinen Hang hinunter. Es rollte hinab und blieb in den Blättern am Boden tot liegen.
Zumindest diese Gefahr war also gebannt ... Nath versuchte, sich gegen einen Baum zu lehnen, wenigstens kurz zu verschnaufen, doch da verließ ihn auf einmal die Kraft. Seine Beine sackten förmlich unter ihm weg, sein Schwert ließ er fallen, und dann rollte auch den Hang hinunter, dabei Blätter aufwirbelnd, bis er gegen den toten Schrat stieß und liegenblieb.
Wie ... wie war er in diese Situation gekommen? Und was hatte ihn so geschwächt? Er konnte sich nicht mehr richtig erinnern an die vergangenen Tage ... oder war es schon eine Woche, die sie unterwegs waren, seit sie Thorniara verlassen hatten? Er erinnerte sich nicht mehr. Und auch nicht an das, was danach gewesen war ... nur die Schrate, an die erinnerte er sich. Er hatte schon einmal gegen sie gekämpft auf dieser Reise. Nur war das nicht nachts in einem verbrannten Wald gewesen, und die Schrate waren nicht untot gewesen.
Er musste aufstehen. Er konnte hier nicht einfach rumliegen; er musste helfen. Also richtete er seinen Oberkörper vorsichtig auf; blickte sich um. Er war einen langen Hang hinuntergerollt. Hier unten waren die Bäume nicht verbrannt und Kämpfe gingen hier auch nicht vor sich. Doch oben sah er Licht, und er hörte Waffenklirren und diese grässlichen Kampfschreie der Schrate.
Schnell rappelte der Milizsoldat sich auf, machte einen Schritt - und dann verschwamm seine Sicht wieder, Unmengen verschiedenfarboger Sternchen machten sich vor seinen Augen breit und er taumelte. Dann ... fing er sich wieder. Er hätte nicht so schnell aufstehen sollen.
Er sah nach oben. Die Kampfgeräusche klangen nicht mehr so nah, die Schlacht fand also nicht mehr direkt am Hang statt, den er hinabgekommen war. Gut für ihn, denn da lag noch sein Schwert, und das wollte er sich holen, ohne dabei von diesen Viechern totgeprügelt zu werden.
Er machte sich also an den Aufstieg. Es war schwieriger als er dachte, hinaufzukommen ... aber es gelang ihm, nicht auf den Blättern aus- und damit wieder nach unten zu rutschen und oben anzukommen. Sein Schwert lag da, wo er es fallengelassen hatte. Wo war jetzt der Kampf?
Nath sah sich um. Er sah nichts in seiner Nähe außer Leichen. Kampfeslärm war noch zu hören, aber es klang fern ... und sehen konnte er auch nichts.
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Seine Gedanken durchdrungen die Erde wie flüssiges Metall, dass sich die verschiedenen Rinnen einer Gußform zwängte. Sie kreuzten einandern oder gingen in einander über. Doch behielt der Schriftgelehrte die Ordnung seiner Gedanken fest. Kein Zauber solcher Größenordnung konnte erfolgreich gewirkt werden, wenn nicht eine feste geistige Grundstruktur die Basis dafür war. Innos' Lehre betraf nicht nur das Leben des Menschen, sondern auch dessen magisches Wirken. Der Geist des Priesters hatte sich im Waldboden ausgebreitet und füllte diesen unentwegt mit magischer Energie. Seine Hände begannen auf dem kühlen Boden zu zittern. Doch war es nicht die Kälte, sonder die Anstrengung, die es auslösten. Der Boden um die Hände des Schriftgelehrten begann langsam an zu qualmen. Die Magie versuchte auszubrechen, doch Lopadas unterdrückte diese mit aller Kraft. Noch war sein magisches Geflecht noch nicht vollkommen. Doch schon im nächsten Augenblick verband sich die letzte Masche seines Gedankenkonstruktes. Mit aller Kraft hielt er es zusammen, richtete seinen Kopf auf und rief so laut er konnte: "Verschwindet von dort, so schnell ihr könnt!"
Die Kämpfenden schlug nocheinmal den Scharten entgegen und zerstreuten sich dann in alle Richtungen. Erst waren die untoten Wesen verwundert, doch dann erkannten sie ihre vermeintliche Chance. Im selben Augenblick lockerte der Priester die Fesseln der Magie und seine durch den Boden gewebten Gedanken strömten eine gewaltige Hitze aus. Erst begann der Waldboden nur etwas zu qualmen, doch schon bald verflüssigte sich die Erde, da sie der Hitze nicht mehr standhalten konnte. Kein Feuer brach aus dem Boden aus, sondern die Erde hielt die Wärme umklammert und verschmolz mit dieser. Feuer und Erde gingen ein untrennbares Gemisch ein. Die Untoten hatten dies zu spät bemerkt und unter mörderischen Schreien sanken sie Stück für Stück in den glühend, heißen Untergrund ein.
Schonbald erreichte auch der Boden unter Lopadas' Körper eine unangenehme Wärme. Der Priester zog seine Gedanken und seinen Geist zurück. Nicht zu schnell, damit er keine magische Überlastung seines Körpers einging, aber auch nicht zu langsam, damit er nicht selbst in seiner Beschwörung versank. Kurz bevor auch der Boden unter seinen Füßen schmolz, sprang der Schriftgelehrte auf und lief wenige Schritte zurück.
Jetzt da er dem Boden keine Hitze mehr spendete würde sich das Gemisch bald wieder abkühlen, doch in der Zeit versank eine ganze Gruppe untoter Schrate bis zur Hälfte im flüssigen Waldboden. Erschöpft ließ sich Lopadas auf den zum Glück festen Boden fallen und versuchte seinen Geist und Körper wieder zu beruhigen, der nach einer solchen Anstrengung kurz vor dem Kollaps stand.
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