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Was bisher geschah:
1. Eine Nacht im Boron 3. Ein Mittag im Boron
2. Ein Morgen im Boron 4. Ein Abend im Boron
Dramatis Personae
Letja Rawistau: Tochter des Dorfschulzen, Perainenovizin, Protagonistin
Klavs Rawistau: Dorfschulze von Fjorinswohld
Dagma Frileifdottir: Leiterin des Peraineschreins
Rowin Elkensen: bornländischer Bauer, Protagonist
Travit Painsen: bornländischer Bauer
Sie schmiegte sich eng an den warmen Körper Rowins, als ihr schlagartig bewusst wurde, was die beiden soeben getan hatten. Sie spannte kurz alle Muskeln, doch der ruhige, gleichmäßige Atem Rowins ließ sie alle Bedenken vergessen. Sie schlang ihre Arme um seine sich hebende und senkende Brust und drückte ihn an sich. Er erwachte daraufhin und drehte sich zu ihr um, sodass sie fast Nase an Nase auf dem doch schmalen Lager lagen. Er schaute sie aus seinen blauen Augen liebevoll an und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
»Weißt du, ich werde heute nocheinmal die aufgestellten Wachen unterstützen. Ich möchte Panek noch einmal ehren, bevor er... bervor er...«
»Bevor er vergessen wird? Ach, du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen. Er wird, auch wenn seine sterbliche Hülle nicht gefunden wurde, wird er eine angemessene Bestattung auf dem Boronsanger erhalten, auch wenn wir keinen Borongeweihten hier in Fjorinswohld mehr haben«, ergänzte Letja seinen Satz. Er nickte nur stumm und schaute sie einige Momente schweigend an. Sie hätte noch stundenlang so daliegen können.
Es fiel ihm schwer sich von ihr zu trennen, doch letzten Endes erhoben sich beide und kleideten sich wieder an. Rowin bemerkte, dass Letja ihn unverhohlen musterte und konnte sich ein Lächeln, ob dieser Neugier nicht verkneifen. Er streifte sich Hose und Hemd über, während Letja sich ihr Kleid überwarf und dann nach ihrem Pelzmantel griff. »Ich werde jetzt nach Hause gehen, sonst wird Vater noch fuchsteufelswild«, sagte Letja schlicht und wandte sich zum Gehen, doch Rowin griff ihren Arm, drückte ihr noch einen Kuss auf die Lippen. Er folgte einem Impuls, den er nicht ignorieren konnte, eine Stimme in seinem Kopf, die ihn gamahnte sie nicht gehen zu lassen. »Bleib doch hier«, wisperte er, »es ist dunkel draußen und nicht sicher, du solltest hier bei mir bleiben...zumindest bis morgen früh.« Aber sein Gegenüber, nach dem er sich schon so lange aus der Ferne verzehrt hatte, wandte sich erneut ab.
»Nein, ich muss wirklich gehen, aber du kannst mich ja begleiten«, sagte Letja mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen. Rowin lachte kurz auf und beide verließen das Haus in die eisige Kälte der Nacht. Da sie niemanden in ihrer Nähe wussten, gingen sie Arm in Arm, doch Rowin hielt in einer Hand eine Schaufel, eine provisorische Waffe für den Wachdienst, denn seine Mistgabel konnte er seltsamer Weise nirgends ausfindig machen. Gemeinsam hatten sie ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sie einen Schrei durch die Nacht gellen hörten. Beide starrten sich kurz an und liefen dann wie auf ein geheimes Signal los.
Das Paar erreichte den Ort des Geschehens, an dem vier Wachen gegen ein halbes Dutzend Wölfe kämpften. Unter diesen Wachen war auch Travit zu erkennen, der gerade einen Wolf mit einer Harke zur Seite schlug, doch sie konnten keine ernsthaften Verletzungen verursachen, da ihre Waffen nur aus Acker- und Handwerksgeräten bestanden, die zum Teil nicht einmal geschärft worden waren. Kurz entschlossen verstärkte Rowin seinen Griff um die Schaufel und rannte durch den Schnee auf die kämpfende Meute zu.
»Schnell, du solltest Dagma holen, die ist wesentlich kampferprobter als wir!«, rief er Letja im Laufen zu und hatte schon den ersten Wolf erreicht, dem er mit voller Kraft die Schaufel in die Seite schlug. Der Wolf jaulte auf und landete im Schnee. Rowin nahm war, dass Letja kehrt gemacht hatte und in Richtung des Peraineschreins unterwegs war, doch schon kamen zwei weitere Wölfe vom Waldrand des Nornja und stellte sich ihm knurrend entgegen. Wie ein einziges Tier leiteten die Wöfe einen gemeinsamen Angriff gegen die Menschen ein.
Letja rannte atemlos durch einen Durchgang, der zwischen zwei Häusern entlangführte. In ihnen brannte kein Licht, vermutlich hatten die Bewohner nichts von den Rufen und Schreien gehört. Eine Panik wäre in diesem Fall fatal gewesen. Sie betete zu allen Göttern, dass den armen Menschen nichts geschehen mochte, die in diesem Moment von den verrückt gewordenen Wölfen angegriffen wurden. Die Perainenovizin blieb keuchend vor dem der Tür des Peraineschreins stehen und klopfte energisch dagegen.
»Dagma, öffne die Tür! Ich bitte dich!«, rief sie aufgelöst. Zu ihrem Erstaunen wurde die Tür fast sofort aufgerissen und eine Dagma Frileifdottir in voller Rüstung stand vor ihr. Das schimmernde Metall spiegelte die roten Flammen aus dem Inneren des Schreins wieder und es nahm eine rot-goldene Farbe an. Seltsam verschnörkelte Schriftzeichen waren an der gesamten Rüstung angebracht und der visierlose Helm strahlte gerdazu unter Dagmas linken Arm. Ihrer rechten Hand lag locker ein schwerer, dornenbewertet Streitkolben, der aus demselben Material zu bestehen schien wie die Rüstung. Ein eigenartiges, faszinierendes Lechten lag in den Augen der Thorwalerin und ließ sie wie eine der Heldinnen aus der Vergangeheit aussehen.
»W...Wer bist du?«, fragte Letja ungläubig und blickte immer wieder an der ihr sonst so vertrauten Gestalt herab. »Keine Zeit für lange Erklärungen, wir müssen zu den Kämpfern, etwas schrecklisches wird dort geschehen«, kam es statt einer Antwort und die Thorwalerin nahm Letja am Arm, nachdem sie ihren Helm aufgesetzt hatte, und rannte mit ihr los, sodass Letja Mühe hatte mit derstämmigen Frau mitzuhalten.
»Wann kommt Letja bloß mit Dagma zurück?«, fragte Rowin Travit, der sich zusammen mit ihm und einem Handwerker tapfer der wilden Wölfe erwehrte. Ein andere war bereits an die Fänge der Gegner verloren worden und obwohl sie zwei Wölfe getötet hatten, zumindest bewegte sich keiner mehr von ihnen, waren sie in hoffnungsloser Unterzahl. Einen hatte Rowin mit seiner Schaufel erschlagen, den Zweiten Travit mit seiner Harke. Mit Mühe und Not konnten sie einen Angriff abwehren, doch es schien hoffnungslos.
»Achtung, Travit, sie versuchen nochmal...«, mitten im Satz brach er ab und fiel zu Boden, wand sich vor Schmerzen, spürte warmes Blut seinen Rücken hinablaufen und begann sich wieder an die Nacht zuvor zu erinnern. Panek, sein Tod und eine Gestalt in den Schatten, die auf ihn zugerast kam. Plötzlich kreischte er mehr, als das er schrie und verlor das Bewusstsein.
Travit blickte voll Furcht auf den sich windenen und zuckenden Rowin herab und selbst die Wölfe waren verstummt, wichen sogar ängstlich zurück. Mit einem markerschütternden Schreien brach etwas aus Rowins Rücken heraus und wuchs an der Luft zu einem zwei Schritt großen Ungetüm heran, dass sich gleich fauchend auf das Wolfsrudel stürzte und einen Wolf nach dem anderen zerfetzte. Verwirrt und veränstigt taumelte Travit zurück, starrte auf den bewusstlosen Rowin und dann zu diesem Ungeheuer. Er stieß gegen eine Hauswand, seine Hauswand. Das Monster wandte sich zu ihm um, nun konnte er Einzelheiten in dem schwachen Licht des Madamals erkennen. Zwei schwarze Hörner prangten aus dem Kopf des Monsters und weiße Fangzähne ragten aus dem aufgerissenen Maul. Rote Augen starrten ihn an Travit bösartig an, dann warf es sich brüllend auf den Bauern, dessen Schrei in diesem Brüllen unterging.
Letja vernahm das Brüllen, als sie um eine Ecke bogen. Eine riesige Gestalt warf sich auf einen Bauern, den sie als Travit erkennen konnte. Doch jede Hilfe kam zu spät, das Monster griff mit klauenbewährten Pranken nach Travits Kopf, den es ohne große Kraftanstrengung zerquetschte. Letja wandte schnell den Blick ab, aber Dagma machte sich kampfbereit und stürmte auf die Bestie zu.
»Endlich habe ich dich gefunden, Dämon, was hast du mit diesem armen Menschen gemacht?!«, rief sie der als Dämon bezeichneten Kreatur zu, dass von seinem Opfer abließ und sich den Frauen zuwandt. Einen Augenblcik ruhte sein Blick auf Letja, doch dann wehrte es den ersten Angriff Dagmas ab. Die Thorwalerin schlug mit ihrem Streitkolben zu, doch der Dämon hielt mit einer seiner Pranken dagegen und schleuderte die Kämpferin mit gewaltiger Kraft in den Schnee, um dann blitzschnell auf sie zu zustürzen. Doch Dagma rollte sich erstaunlich schnell zur Seite und sprang wieder auf, während sich die Pranke des Dämons in die gefrorene Erde bohrte. Schon war Dagma heran und holte zu einem gewaltigen Schlag aus, den der Dämon jedoch mit seiner anderen Pranke ablenkte, sodass er ihn nicht frontal erwischte, sondern ihn nur streifte. Dennoch stieg Rauch von der Wunde auf, sodass der Dämon verwundert des Kopf hob. »Wer...bist du?«, erklang eine erstaunlich menschliche Stimme aus dem Maul des Dämons, dem der Geifer heruntertropfte.
»Hast du mich etwas vergessen?«, antwortete die Frau gereizt, »du hast meine ganze Familie umgebracht, nur aus Freude am Töten, doch jetzt werde ich dir alle mit gleicher Münze heimzahlen. Es hat ja auch lange genug gedauert!«
Mit einem Aufschrei warf sie sich dem Dämon entgegen und versuchte ihm den Kopf einzuschlagen, doch dieser warf sich entgegen, sodass sich seine Hörner durch ihren Brustpanzer bohrten. Dennoch beendete Dagma ihren Angriff und schlug den Streikolben in das Rückrad des Dämons. Der getroffene heulte auf und warf Dagma von seinen Hörner ab. Die Frau blieb reglos im Schnee liegen und er ihre Waffe fiel in den Schnee, behaftet von dem schwarzen Blut des Dämons. Der Verwundete schlug auf dem Boden auf und zuckte unkontrolliert, auch von der Wunde aum Rücken stieg Rauch auf. Letja hatte bis dahin tatenlos zugesehen, doch nun wachte sie aus ihrem Schock auf und starrte von der reglosen Dagma auf den Dämon. Langsam ging sie auf den am Boden liegenden Streitkolben zu und wuchtete ihn unter größten Anstrengungen hoch. Sie bewegte sich auf den Dämon zu, der röchelnd da lag.
»Har Har, so hast du dir ein Geschöpf aus den Niederhöllen bestimmt nicht vorgestellt, nicht wahr? Aber ich war nicht immer so, doch mein Ziel ist erreicht. Ich...werde weiter existieren«, setzte der Dämon an, doch schon zerschmetterte die Waffe der Thorwalerin den Schädel des Dämons und Letja sank in den Schnee. Sie kroch auf Dagma zu, doch für sie konnte die Novizin nichts mehr tun. Mit sich trübenden Augen schaute die Frau sie an, lächelte und flüsterte: »Du hast mich stolz...gemacht.« Krampfhaft hebte sich ihre Brust ein letztes Mal, dann rührte sie sich nicht mehr.
»Dagma, bitte! Bleib hier!«, flehte sie, doch sie erhielt keine Antwort. Sie weinte, bis die Sonne in ihrem Rücken über die Wipfel des Nornjas lugte und ihr Vater mit einigen Männern an den Ort des Geschehens kam. Erschrocken blieben die Versammelten stehen, doch ihr Klavs Rawistau überwand den Schrecken als erstes und rannte auf seine Tochter zu.
»Letja, was ist hier geschehen? Geht es dir gut?«, fragte er alamiert, doch als sein Blick auf Dagmas tote Augen fiel verstummte er und sah sich in der Umgebung um. Sobald er sich des Dämons gewahr wurde, atmete er scharf ein und fröstelte kurz.
»Hey, hier lebt noch jemand! Das ist Rowin!«, ruckartig richtete sich Letja auf, stürmte auf Rowin zu. Er war unterkühlt, doch hatte er druch die Kälte nicht fiel Blut verloren. Dennoch war nicht außer Gefahr, es könnte zu Gefrierbrand kommen, der das Fleisch schädigte und irreversible Schäden verursachen könnte.
»Schnell bringt ihn ins nächste Haus, er muss ins Warme, sonst schafft er es nicht«, befahl Letja mit fester Stimme, aber als alle weg waren und ihr Vater seine Han dauf ihre Schulter legte, warf sie sich ihm um den Hals und ließ noch mehr Tränen ihren Lauf.
die Nacht vom 4. auf den 5. Boron 1009 n.BF.
Epilog:
Leise schloss Letja die Tür zu Rowins Haus und ging langsam zu seinem Lager hinüber. Ihr Patient lag still schlafend auf seiner Nachstatt und atmete ruhig und gleichmäßig. Seit drei Tagen schlief er nun, doch es schien ihm besser zu gehen. Sanft strich sie ihm über die Wange, verharrte einen Moment dort.
»Ach, Rowin. Wach doch endlich auf«, murmelte sie und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, er bewegte sich ein wenig im Schlaf, doch wachte nicht auf.
Sie kramte in ihrer Tasche und holte ein kleines Glasgefäß heraus, in dem sich zu einem Brei zerstampfte Nahrung befand. Einen kleinen Holzlöffel kramte sie ebenfalls heraus.
»Ich weiß, es schmeckt nicht, doch du musst es wirklich essen«, sprach sie sanft zu ihm und öffnete seinen Mund ein wenig um ihm den Brei einzuflößen. Einem Reflex gehorchend schluckte Rowin den Brei hinunter und blieb wieder still liegen. Letja seufzte kurz auf und erhob sich von ihrem Stuhl.
»Ich komme heute abend wieder, um nach dir zu sehen«, verabschiedete sie sich von ihrem Geliebten und verließ wieder das Haus. Draußen überkam sie plötzlich eine Übelkeit, sodass sie sich den Bauch hielt, doch sonst geschah nichts weiter.
»Hmm, komisch, brüte ich etwas aus?«, fragte sie sich. Danach setzte sie ihren Weg fort.
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